Alhierd Bacharevic

Alhierd Bacharevic

Autorenfoto: Julia Cimafiejeva

Viktor Kalinke empfiehlt "Die Elster auf dem Galgen" von Alhierd Bacharevič 
deutsche Übersetzung: Thomas Weiler

Messerscharf seziert der Autor, wie aus der jungen Weißrussin Vieranika die loyale Mitarbeiterin des staatlichen Sicherheitsdienstes wird und sich in der Verwaltung der „Virtuellen Konzentrationslager“ hocharbeitet. Ihr Freund verläßt sie und das Land. Vieranika erschafft sich eine neue Identität und gerät prompt in die Fänge des Tyrannen Lex, dem sie willig zu Diensten ist. Dieses Buch ist nimmt nicht nur die Zustände in Weißrussland prophetisch voraus, sondern auch den Kontrollwahn der westlichen Welt. Es ist aktueller denn je. 

Die Elster auf dem Galgen von Alhierd Bacharevič ist ein tiefgründiges und vielseitiges Werk, das nicht nur die belarussische Geschichte und Gesellschaft beleuchtet, sondern auch Themen wie Freiheit, Widerstand und die Macht der Sprache im Blick hat. Die Lektüre des Romans bietet eine Gelegenheit, mehr über eine Region zu erfahren, die in der westlichen Literaturwelt oft übersehen wird, und gleichzeitig die sprachliche Kunstfertigkeit eines außergewöhnlichen Autors zu erleben. In der heutigen Zeit, in der politische und gesellschaftliche Themen oft im Vordergrund stehen, ist dieses Buch eine wichtige und bereichernde Lektüre. Der Roman gibt einen einzigartigen Einblick in die belarussische Kultur und Geschichte, vor allem in die politischen und gesellschaftlichen Strukturen, die das Land prägen. Er beleuchtet die düstere und oft tragische Geschichte Weißrusslands, die sowohl von einem autoritären Regime als auch von der Zerrissenheit zwischen westlichen Einflüssen und der sowjetischen Vergangenheit geprägt ist. Für Leser, die sich für Osteuropa und geopolitische Zusammenhänge interessieren, bietet Bacharevič eine packende Erzählung aus einer Region, die bei uns oft unterbelichtet bleibt. Alhierd Bacharevič erweist sich damit auch als Zeitzeuge der politischen und kulturellen Umbrüche in Weißrussland.

Bacharevič ist bekannt für seinen meisterhaften Gebrauch der Sprache und seine magisch-symbolische Erzählweise. Die Elster auf dem Galgen steckt voller stilistischer Feinheiten und literarischer Wendungen, die sowohl inhaltlich als auch sprachästhetisch ansprechen. Der Titel des Buches selbst liefert dafür ein Beispiel: "Die Elster auf dem Galgen" geht auf ein Bild von Pieter Bruegel den Älteren aus dem Jahr 1568 zurück: Dargestellt ist eine Waldlichtung mit einem Dudelsackspieler und tanzenden Bauern, daneben ein windschiefer Galgen, auf dem eine Elster sitzt und - möglicherweise - ihre Notdurft hinterlässt. Das Bild ist eine Metapher darauf, wie wenig das Volk den Tod und die Obrigkeit fürchtet, die es zu unterdrücken versucht. Bacharevič sieht darin die Lust am Widerspruch, die Widerstandskraft der elementaren Lebensfreude, die Akzeptanz des Unvollkommenen und Fragmentarischen – Themen, die im Roman häufig aufgegriffen werden. 

Sein Buch bietet eine authentische und ungeschönte Perspektive auf die sozialen und politischen Lage in einem Land, das von der Sehnsucht nach Veränderung getragen ist. In einer Zeit, in der Freiheit und Demokratie vielerorts auf dem Prüfstand stehen, ist Bacharevičs Stimme besonders bemerkenswert, da er die politischen Kämpfe seines Landes hautnah miterlebt hat. Dennoch ist Die Elster auf dem Galgen ein Buch, das universelle Themen anspricht: Es geht um Machtstrukturen, die Menschen in ihrer Freiheit einschränken, und um den Widerstand gegen diese Strukturen. So rückt die Frage nach politischer und individueller Freiheit in das Zentrum. Bacharevič bietet eine tiefgründige Reflexion darüber, was es bedeutet, sich privat und persönlich gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu stellen. 

 

Alhierd Bacharevič: geb. 1975 in Minsk, Philologie- und Pädagogikstudium, mehrere Erzählbände und Romane (Verdammte Hauptstadtgäste, Die Elster auf dem Galgen, Das kalte Herz) in unabhängigen Minsker Verlagen, auch Übersetzungen deutscher Literatur (Hans Magnus Enzensberger, Jan Wagner, Kathrin Schmidt u.a.), Mitglied im oppositionellen Schriftstellerverband, die Romane Europas Hunde sowie Das letzte Buch von Herrn A. gelten in Belarus als verboten, Stipendien des Internationalen Hauses der Autoren Graz, des Literarischen Colloquiums Berlin, der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte und des P.E.N.-Zentrums Deutschland, Auszeichnungen: Hliniany Viales-Literaturpreis, 2017 Shortlist des russischen Literaturpreises »Bolschaja Kniga«, 2021 Erwin-Piscator-Preis, 2025 Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, Alhierd Bacharevic lebt in Hamburg. Übersetzungen seiner Texte liegen auf Deutsch, Englisch, Russisch und in anderen Sprachen vor. 

Bücher von Alhierd Bacharevič in deutscher Übersetzung: 

Alhierd Bacharevič im Gespräch mit Thomas Weiler: svaboda.org, Literaturhaus Berlin

Von Alhierd Bacharevič ist auf sisifo erhältlich: 

1 bis 2 (von insgesamt 2)
Autor des Monats März 2025