Gedichte, zweisprachig. Aus dem Portugiesischen von Markus Sahr. Mit Fotografien von Viktor Kalinke
"Schreiben ist für mich ein Experiment mit offenem Ausgang, weil ich am Ende nicht weiß, was da wirklich steht. Was ich verstehe von meinem Schreiben: daß ich nicht so sehr daran interessiert bin, Figuren auszuarbeiten, sondern die Bewegung der Figuren. Für mich ist es interessanter auszuführen, wie die innere Bewegung der Figuren aussieht, als eine Figur zu beschreiben - dick, mager, groß, klein - das sind sekundäre Eigenschaften. Und das hat vielleicht auch etwas damit zu tun, daß ich mich mehr zur Lyrik hingezogen fühle als zur Prosa, denn der Leser eines Romans erwartet die Beschreibung der Figuren. Prosa ist ein Bemühen um Ordnung in einer ungeordneten Welt. Poesie ist etwas anderes. Ich kann nicht wissen, ob sie an die Tür klopft und sagt: Schreib, schreib!" Yvette Centeno
"Die bevorzugte sprachliche Form von Yvette Centeno ist die Frage, was heißt, daß dieses Schreiben eine Suche und ein Stück Weg ist." Stephen Reckert
Leseprobe:
Caminho
devagar cortei-te o pulso
percorri esse caminho
dentro das tuas veias
enquanto o sangue saía
abria portas de entrada
eu avançava ao contrário
dentro de ti me perdia
o amor não era mais nada
Weg
sachte schnitt ich deine Pulsader auf
durchlief diesen Weg
in deinem Innern den Venen
während das Blut rann
öffnete ich Türen und trat ein
in Gegenrichtung rückte ich vor
in dir verlor ich mich
nichts anderes war die Liebe
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