"Es gibt immer noch Gedichtbände, die einen schaffen. Schaffen und erschaffen. Man ist leerer und man ist voller. Gedichte, die bisher fehlten, sind auf einmal da und bauen Sehnsüchte ab, lösen so viel Erlebtes in genannte Erfahrung ein, man kann sich plötzlich frei und beklommen in sich selbst bewegen. Man wurde ausgedrückt und dieses Gefühl ist groß und zugleich winzig, denn du und das Gedicht, ihr seid nur eine*r*s unter vielen. So frei und so fragil; vereinzelt, obgleich verbunden in der geteilten Erfahrung. Die Gedichte von Charlotte van der Mele wirken mit ihrer direkten Art aus der Zeit gefallen – aber genau das ist auch, in Teilen, ihr Begehr. Sie ziehen dem eilenden Augenblick den Hut vom Kopf. Im Angesichts des sich selbst schreibenden großen Ganzen, in dem man selbst Fragment bleibt, suchen sie den am wenigsten fragmentarischen Zustand für das Eigene. Gerade auf dieser Route ist das Zeitverg/wehen natürlich deutlich zu spüren. Die Gedichte leugnen es nicht, begeben sich aber meist in die Opposition, wollen die Option sein oder zumindest eine erahnen lassen. Bei all dem erstaunt die Vielfalt: Kurze ironische Sentenzen, schnell skizzierte Allegorien, schmerzvolle Verlust- und innige Liebesgedichte, Verse über den Krieg in der Ukraine, Läppisches und Lichterlohes, Unaufgeregtes, Zärtliches und Rohes. In den Leseproben kann man sich zusätzlich ein Bild machen." Timo Brandt, 1.4.2024