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Aus dem Französischen von Margret Millischer
zweisprachig
Originaltitel: "Le jardin sous la neige" (Mercure de France, 2023)
In diesen Texten geht es um das Vergehen der Zeit: Alter und Tod, Erinnerungen und Kindheit, das Schreiben und der Prozess, das Leben in Worte zu verwandeln. Die Stimmung ist melancholisch, aber der Autor findet Hoffnung in der Natur, seinem Garten und vor allem im Schnee, der alles mit seinem Weiß bedeckt.
Jean-Michel Maulpoix: geb. 1952, ist Schriftsteller und Autor poetischer Prosawerke wie Une Histoire de bleu / Eine Geschichte vom Blau, Pas sur la neige / Schritte im Schnee, Une hirondelle rouge / Rote Schwalbe, die im französischen Original im Verlag Mercure de France und in deutscher Übersetzung im Leipziger Literaturverlag erschienen sind. Außerdem unterrichtete er an der Universität Paris III-Sorbonne Nouvelle und verfasste zahlreiche literaturwissenschaftliche Studien über Henri Michaux, Jacques Réda, René Char, Rainer Maria Rilke und Paul Celan, sowie Aufsätze zur Poetik wie Du lyrisme. Er leitete die digitale Zeitschrift für Literatur und Kritik Le Nouveau Recueil. Seine Gedichtsammlungen wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2022 erhielt er für sein Gesamtwerk den Prix Goncourt de la Poésie.
zweisprachig
Originaltitel: "Le jardin sous la neige" (Mercure de France, 2023)
In diesen Texten geht es um das Vergehen der Zeit: Alter und Tod, Erinnerungen und Kindheit, das Schreiben und der Prozess, das Leben in Worte zu verwandeln. Die Stimmung ist melancholisch, aber der Autor findet Hoffnung in der Natur, seinem Garten und vor allem im Schnee, der alles mit seinem Weiß bedeckt.
Jean-Michel Maulpoix: geb. 1952, ist Schriftsteller und Autor poetischer Prosawerke wie Une Histoire de bleu / Eine Geschichte vom Blau, Pas sur la neige / Schritte im Schnee, Une hirondelle rouge / Rote Schwalbe, die im französischen Original im Verlag Mercure de France und in deutscher Übersetzung im Leipziger Literaturverlag erschienen sind. Außerdem unterrichtete er an der Universität Paris III-Sorbonne Nouvelle und verfasste zahlreiche literaturwissenschaftliche Studien über Henri Michaux, Jacques Réda, René Char, Rainer Maria Rilke und Paul Celan, sowie Aufsätze zur Poetik wie Du lyrisme. Er leitete die digitale Zeitschrift für Literatur und Kritik Le Nouveau Recueil. Seine Gedichtsammlungen wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2022 erhielt er für sein Gesamtwerk den Prix Goncourt de la Poésie.
Margret Millischer: lebt und arbeitet als Übersetzerin und Dolmetscherin in Wien. Sie lehrte an der Universität Wien am Institut für Translationswissenschaft. Dies ist der vierte Band Prosagedichte von Jean- Michel Maulpoix, den sie übersetzt hat. Außerdem hat sie Bücher von Bernard Noël, Pierre Bergounioux, Dominique Fernandez etc. übersetzt.
Video zum Buch: Jean-Michel Maulpoix: Der Garten unter dem Schnee, vorgestellt von Margret Millischer und Viktor Kalinke (Leipziger Buchmesse 2025)
Nachhören: Jean-Michel Maulpoix: Der Garten unter dem Schnee - Gespräch mit der Übersetzerin Margret Millischer, literadio
À la saison froide, on se calfeutre. Certains creusentun trou dans la terre. D'autres font provision de bois,de graines et de fruits secs. D'autres composent un lit defeuilles. La plupart ne bougent plus. Ils se préparent. Ils se
résignent. Ils voudraient simplement dormir. À la saison froide, on regarde la vie filer au large : les affaires, les projets, les amours des autres. On se tient tel un naufragé qui guettait naguère au loin depuis son île les navires de passage : on ne lève plus les bras, on n'allume plus de feu, on ne fait plus de signe... On n'en peut plus d'attendre...
À la saison froide, le lointain disparaît. On ne saurait dire comment c'est arrivé. D'un coup, l'horizon s'est retiré. Plus de plage où marcher, plus d'arbres ni de fleurs. À présent le monde est si étriqué! Un timbre-poste sur une enveloppe! Entre table et fauteuil, la vie est de moindre importance.
À la saison froide, la nuit tombe plus vite, les journées sont plus courtes, on ne regarde plus le soleil descendre sur l'horizon. L'heure qui vient est noire et silencieuse, faite exprès pour le sommeil, ou peut-être autre chose de plus obscur et de plus inaudible encore. Nul feu ne flambe plus dans le coeur.
In der kalten Jahreszeit verkriecht man sich. Manche graben ein Loch in die Erde. Andere legen Vorräte an, Holz, Getreide und Trockenobst. Wieder andere bauen sich ein Bett aus Blättern. Die meisten rühren sich nicht mehr. Sie bereiten sich vor. Sie finden sich ab. Möchten einfach nur schlafen.
In der kalten Jahreszeit sieht man, wie draußen auf dem Meer das Leben vorbeizieht: die Geschäfte, die Pläne, die Liebesgeschichten der anderen. Man steht da, wie einst ein Schiffbrüchiger auf seiner Insel, der nach fernen Schiffen Ausschau hält. Man hebt die Arme nicht mehr, zündet kein Feuer mehr an, winkt nicht mehr... Man hat vom Warten genug...
In der kalten Jahreszeit verschwindet das Ferne. Man könnte nicht sagen, wie es dazu kam. Auf einmal hat sich der Horizont zurückgezogen. Kein Strand mehr zum Spazieren, keine Bäume, keine Blumen. Wie eng ist die Welt nun geworden! Eine Briefmarke auf einem Kuvert! Zwischen Tisch und Lehnstuhl hat das Leben kaum noch Bedeutung.
In der kalten Jahreszeit bricht die Nacht schneller herein, die Tage werden kürzer, man betrachtet die Sonne nicht mehr, die am Horizont versinkt. Die kommende Stunde ist schwarz und still, wie geschaffen für den Schlaf, oder etwas, was vielleicht noch dunkler und unhörbarer ist. Kein Feuer brennt mehr im Herzen.
À la saison froide, la pluie cesse de tomber. Elle blanchit et tournoie, éperdue, cherchant son chemin, essayant peut-être de remonter vers les hauteurs du ciel d'où elle est venue, offerte aux bourrasques et se bousculant en essaims d'abeilles glacées. On dit alors qu'elle tourne en neige.
Les ruisseaux ne coulent plus; eux aussi se sont arrêtés, emprisonnant les herbes et les paquets de branches brisées. On ne voit plus d'insectes venant étancher leur soif minuscule parmi des reflets de soleil. Le ciel bleu patiente sous la glace jusqu'au retour du printemps.
Plus de voix, plus de feuilles, les oiseaux se sont tus; ils ne s'affairent plus dans les arbres et la terre fait silence. Les poètes s'en retournent à leur cabane de larmes. On ne les entendra pas pleurer. Depuis longtemps déjà l'espérance faisait mauvais ménage avec la mémoire.
À la saison froide, on secoue son manteau de neige, pareil à ce voyageur perdu qui a marché longtemps à travers les montagnes pour traverser l'hiver. Ses épaules sont blanches, comme ses cheveux, et comme la peau de son visage. Quand il franchit le seuil, la neige entre avec lui.
In der kalten Jahreszeit fällt der Regen nicht mehr. Er wird weiß und wirbelt herum, verloren, sucht seinen Weg, will vielleicht wieder in den Himmel emporsteigen, aus dem er gekommen ist, den Windböen ausgesetzt, drängt er sich zusammen, wie ein Schwarm gefrorener Bienen. Dann sagt man, er wird zu Schnee.
Die Bäche fließen nicht mehr. Auch sie sind erstarrt, halten die Gräser und Bündel von abgebrochenen Zweigen gefangen. Und Insekten, die ihren winzigen Durst inmitten der Sonnenreflexe löschen, sieht man keine mehr. Unter dem Eis wartet der blaue Himmel geduldig auf die Rückkehr des Frühlings.
Keine Stimmen mehr, keine Blätter, die Vögel sind verstummt. Sie machen sich nicht mehr in den Bäumen zu schaffen, und die Erde schweigt still. Die Dichter kehren in ihre Tränenhütte zurück. Man hört sie nicht mehr weinen. Zuversicht und Erinnerung vertragen sich schon lange nicht mehr.
In der kalten Jahreszeit schüttelt man seinen Schneemantel aus, wie ein verirrter Reisender, der lange über die Berge gewandert ist, um durch den Winter zu gelangen. Seine Schultern sind weiß, weiß wie sein Haar und die Haut seines Gesichts. Wenn er über die Schwelle tritt, kommt der Schnee mit ihm herein.
À la saison froide, la vie perd ses couleurs. Comment s'émouvoir? Les ailes des papillons et les abeilles sont grises. La vie aussi s'en va en miettes. On rêve à des prairies, des robes claires, et pourquoi pas, au zénith de l'été, un champ de blé piqueté de coquelicots et de bleuets.
Autrefois, il y avait toujours une porte, une fenêtre, un soupirail par où s'échapper, ne fût-ce qu'en pensée, vers un souffle d'air et de bleu, une croyance, une lueur, encore un peu de lendemain. Quelqu'un passait dans la rue, avec un panier, et lançait son bonjour.
On lui répondait d'un sourire. Pourtant, on ne le connaissait guère. On avait juste attendu ensemble, chez la boulangère. Il y avait ainsi, un peu partout, des surprises, des pieds nus, des musiques... Quelqu'un tendait la main; les vitres restaient claires jusque tard dans la nuit.
En vérité, la saison froide est une sorte de banquise qui s'enfonce et s'épaissit par en dessous. Le flot durcit, le froid s'étend. L'haleine de la mer est de plus en plus courte. Le vent glacé qui souffle au visage contraint à fermer les yeux. Les tempêtes d'hiver sont les plus cruelles.
In der kalten Jahreszeit verliert das Leben seine Farben. Ist das ein Grund zur Aufregung? Die Flügel der Schmetterlinge und die Bienen sind grau. Auch das Leben zerfällt. Man träumt von Wiesen, hellen Kleidern und warum nicht, am Höhepunkt des Sommers, von einem Weizenfeld, übersät mit Mohn- und Kornblumen.
Früher konnte man immer entkommen, durch eine Tür, ein Fenster, eine Luke, und sei es nur in Gedanken, sich flüchten zu einer Brise und einem Hauch von Blau, einer Überzeugung, einem Lichtschein, noch ein bisschen neuem Tag/Morgen. Jemand ging durch die Straße, mit einem Korb und wünschte einen Guten Tag.
Man antwortete ihm mit einem Lächeln. Dabei kannte man ihn kaum. Man hatte nur beim Bäcker gemeinsam gewartet. So gab es fast überall Überraschungen, nackte Füße, Musik... Jemand streckte die Hand aus; die Fensterscheiben blieben hell bis spät in die Nacht.
In Wirklichkeit ist die kalte Jahreszeit eine Art Eisscholle, die tiefer sinkt und von unten her zunimmt. Der Strom wird hart, die Kälte breitet sich aus. Der Atem des Meeres wird immer kürzer. Der eisige Wind bläst einem ins Gesicht und zwingt dazu, die Augen zu schließen. Die Winterstürme sind die grausamsten.
résignent. Ils voudraient simplement dormir. À la saison froide, on regarde la vie filer au large : les affaires, les projets, les amours des autres. On se tient tel un naufragé qui guettait naguère au loin depuis son île les navires de passage : on ne lève plus les bras, on n'allume plus de feu, on ne fait plus de signe... On n'en peut plus d'attendre...
À la saison froide, le lointain disparaît. On ne saurait dire comment c'est arrivé. D'un coup, l'horizon s'est retiré. Plus de plage où marcher, plus d'arbres ni de fleurs. À présent le monde est si étriqué! Un timbre-poste sur une enveloppe! Entre table et fauteuil, la vie est de moindre importance.
À la saison froide, la nuit tombe plus vite, les journées sont plus courtes, on ne regarde plus le soleil descendre sur l'horizon. L'heure qui vient est noire et silencieuse, faite exprès pour le sommeil, ou peut-être autre chose de plus obscur et de plus inaudible encore. Nul feu ne flambe plus dans le coeur.
In der kalten Jahreszeit verkriecht man sich. Manche graben ein Loch in die Erde. Andere legen Vorräte an, Holz, Getreide und Trockenobst. Wieder andere bauen sich ein Bett aus Blättern. Die meisten rühren sich nicht mehr. Sie bereiten sich vor. Sie finden sich ab. Möchten einfach nur schlafen.
In der kalten Jahreszeit sieht man, wie draußen auf dem Meer das Leben vorbeizieht: die Geschäfte, die Pläne, die Liebesgeschichten der anderen. Man steht da, wie einst ein Schiffbrüchiger auf seiner Insel, der nach fernen Schiffen Ausschau hält. Man hebt die Arme nicht mehr, zündet kein Feuer mehr an, winkt nicht mehr... Man hat vom Warten genug...
In der kalten Jahreszeit verschwindet das Ferne. Man könnte nicht sagen, wie es dazu kam. Auf einmal hat sich der Horizont zurückgezogen. Kein Strand mehr zum Spazieren, keine Bäume, keine Blumen. Wie eng ist die Welt nun geworden! Eine Briefmarke auf einem Kuvert! Zwischen Tisch und Lehnstuhl hat das Leben kaum noch Bedeutung.
In der kalten Jahreszeit bricht die Nacht schneller herein, die Tage werden kürzer, man betrachtet die Sonne nicht mehr, die am Horizont versinkt. Die kommende Stunde ist schwarz und still, wie geschaffen für den Schlaf, oder etwas, was vielleicht noch dunkler und unhörbarer ist. Kein Feuer brennt mehr im Herzen.
À la saison froide, la pluie cesse de tomber. Elle blanchit et tournoie, éperdue, cherchant son chemin, essayant peut-être de remonter vers les hauteurs du ciel d'où elle est venue, offerte aux bourrasques et se bousculant en essaims d'abeilles glacées. On dit alors qu'elle tourne en neige.
Les ruisseaux ne coulent plus; eux aussi se sont arrêtés, emprisonnant les herbes et les paquets de branches brisées. On ne voit plus d'insectes venant étancher leur soif minuscule parmi des reflets de soleil. Le ciel bleu patiente sous la glace jusqu'au retour du printemps.
Plus de voix, plus de feuilles, les oiseaux se sont tus; ils ne s'affairent plus dans les arbres et la terre fait silence. Les poètes s'en retournent à leur cabane de larmes. On ne les entendra pas pleurer. Depuis longtemps déjà l'espérance faisait mauvais ménage avec la mémoire.
À la saison froide, on secoue son manteau de neige, pareil à ce voyageur perdu qui a marché longtemps à travers les montagnes pour traverser l'hiver. Ses épaules sont blanches, comme ses cheveux, et comme la peau de son visage. Quand il franchit le seuil, la neige entre avec lui.
In der kalten Jahreszeit fällt der Regen nicht mehr. Er wird weiß und wirbelt herum, verloren, sucht seinen Weg, will vielleicht wieder in den Himmel emporsteigen, aus dem er gekommen ist, den Windböen ausgesetzt, drängt er sich zusammen, wie ein Schwarm gefrorener Bienen. Dann sagt man, er wird zu Schnee.
Die Bäche fließen nicht mehr. Auch sie sind erstarrt, halten die Gräser und Bündel von abgebrochenen Zweigen gefangen. Und Insekten, die ihren winzigen Durst inmitten der Sonnenreflexe löschen, sieht man keine mehr. Unter dem Eis wartet der blaue Himmel geduldig auf die Rückkehr des Frühlings.
Keine Stimmen mehr, keine Blätter, die Vögel sind verstummt. Sie machen sich nicht mehr in den Bäumen zu schaffen, und die Erde schweigt still. Die Dichter kehren in ihre Tränenhütte zurück. Man hört sie nicht mehr weinen. Zuversicht und Erinnerung vertragen sich schon lange nicht mehr.
In der kalten Jahreszeit schüttelt man seinen Schneemantel aus, wie ein verirrter Reisender, der lange über die Berge gewandert ist, um durch den Winter zu gelangen. Seine Schultern sind weiß, weiß wie sein Haar und die Haut seines Gesichts. Wenn er über die Schwelle tritt, kommt der Schnee mit ihm herein.
À la saison froide, la vie perd ses couleurs. Comment s'émouvoir? Les ailes des papillons et les abeilles sont grises. La vie aussi s'en va en miettes. On rêve à des prairies, des robes claires, et pourquoi pas, au zénith de l'été, un champ de blé piqueté de coquelicots et de bleuets.
Autrefois, il y avait toujours une porte, une fenêtre, un soupirail par où s'échapper, ne fût-ce qu'en pensée, vers un souffle d'air et de bleu, une croyance, une lueur, encore un peu de lendemain. Quelqu'un passait dans la rue, avec un panier, et lançait son bonjour.
On lui répondait d'un sourire. Pourtant, on ne le connaissait guère. On avait juste attendu ensemble, chez la boulangère. Il y avait ainsi, un peu partout, des surprises, des pieds nus, des musiques... Quelqu'un tendait la main; les vitres restaient claires jusque tard dans la nuit.
En vérité, la saison froide est une sorte de banquise qui s'enfonce et s'épaissit par en dessous. Le flot durcit, le froid s'étend. L'haleine de la mer est de plus en plus courte. Le vent glacé qui souffle au visage contraint à fermer les yeux. Les tempêtes d'hiver sont les plus cruelles.
In der kalten Jahreszeit verliert das Leben seine Farben. Ist das ein Grund zur Aufregung? Die Flügel der Schmetterlinge und die Bienen sind grau. Auch das Leben zerfällt. Man träumt von Wiesen, hellen Kleidern und warum nicht, am Höhepunkt des Sommers, von einem Weizenfeld, übersät mit Mohn- und Kornblumen.
Früher konnte man immer entkommen, durch eine Tür, ein Fenster, eine Luke, und sei es nur in Gedanken, sich flüchten zu einer Brise und einem Hauch von Blau, einer Überzeugung, einem Lichtschein, noch ein bisschen neuem Tag/Morgen. Jemand ging durch die Straße, mit einem Korb und wünschte einen Guten Tag.
Man antwortete ihm mit einem Lächeln. Dabei kannte man ihn kaum. Man hatte nur beim Bäcker gemeinsam gewartet. So gab es fast überall Überraschungen, nackte Füße, Musik... Jemand streckte die Hand aus; die Fensterscheiben blieben hell bis spät in die Nacht.
In Wirklichkeit ist die kalte Jahreszeit eine Art Eisscholle, die tiefer sinkt und von unten her zunimmt. Der Strom wird hart, die Kälte breitet sich aus. Der Atem des Meeres wird immer kürzer. Der eisige Wind bläst einem ins Gesicht und zwingt dazu, die Augen zu schließen. Die Winterstürme sind die grausamsten.
"Es sind wieder die von Maulpoix bekannten kurzen Gedichte in Prosa, mit denen er sein Buch anfüllt. Texte, die zeigen, dass man weder Verse noch Reime braucht, um die lyrische Dimension unseres Daseines in Worte zu fassen. Denn das Poetische entsteht durch Sprache, die Fähigkeit, das von uns Wahrgenommene immer wieder neu, in neuer Dichte, Schwere und Fülle auszusprechen. Und dabei Entdeckungen zu machen, weil Sprache dazu reizt, über das gewöhnliche Geplapper hinauszugehen ... Und die verschwundene Liebe des Lebens wird zur Erinnerung. Die Bilder sind noch da. Nur die Nähe ist es nicht mehr. „In der kalten Jahreszeit wird einem bewusst, dass die verbleibenden Tage gezählt sind.“ Aber er zählt die Tage nicht. Eher sieht es so aus, als setzte er sich jeden Tag aufs Neue hin, um einen kurzen Text über den Winter zu schreiben, der ihm in den Knochen sitzt ... Ein auf den ersten Blick sehr winterliches Buch, das sich aber, wenn man genau liest, auch als Versuch entpuppt, die Scherben des Alters noch einmal zu kitten und irgendwie zu hoffen, dass es doch noch ein bisschen weitergeht." Ralf Julke, L-IZ
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Gast, 14.03.2025
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Gast, 28.02.2025LE MONDE DES LIVRES (19/06/2023) « Le Jardin sous la neige », von Jean-Michel Maulpoix : Nach der dunklen Traurigkeit der kalten Jahreszeit Die Stimme Orpheus (La Voix d’Orphée) 1989 war der Titel eines kritischen Essays von Jean-Michel Maulpoix, der unter dem Titel Du lyrisme (Corti, 2000) wieder aufgelegt wurde. Diese Stimme wird auch in der neuen Gedichtsammlung wieder aufgerufen: Nach dem Erscheinen von Rue des fleurs (Mercure de France, 2022) wurde Maulpoix für sein Gesamtwerk, das mehr als dreißig Gedichtsammlungen umfasst, mit dem „Prix Goncourt de la Poésie“ ausgezeichnet, daneben hat er aber auch zahlreiche kritische Texte verfasst. Die Sehnsucht nach dem Anderswo Seine Bücher von Une histoire de bleu (1992) bis L’Instinct de ciel (Mercure de France, 2000) sind voller Licht. « Mit acht Jahren Abstand », notierte der Dichter Antoine Emaz, beziehen sich diese beiden Titel aufeinander, sie hinterfragen das Blau, den Blues, angesichts des riesengroßen Meers oder Himmels. » « Ein Werk voller Schwung, getragen von der Sehnsucht nach dem Anderswo, indem die Melancholie jedoch auch präsent ist. So findet man schon in Adieux au poème (Corti, 2005) diese Darstellung eines Dichters: « Poète : celui que rien ni personne ne peut consoler de mourir et que la connaissance de la disparition conduit à s’emparer fiévreusement du langage pour y garder mémoire de ce qui s’efface, aussi bien que pour y filer à tombeau ouvert sur les routes du temps. » Ein Bruch zeigte sich für Jean-Michel Maulpoix (geb.1952) mit dem Tod seiner Eltern. Eine richtige Zäsur, wild wie ein Flügelschlag steht am Ursprung dieses äußerst berührenden Trauerbuchs, Die rote Schwalbe, dessen Titel von einem Gemälde von Mirò Hirondelle Amour (1934) inspiriert ist. Dieses feinsinnige setzte ihnen ein poetisches Grabmal in neun kurzen Prosakapiteln. Im Mittelpunkt steht Schwarzes Herz nach einem Zitat von ¬Rainer Maria Rilke. In Erwartung des « Wiederergrünens » Nach Le Jour venu (2020) schließt Le Jardin sous la neige nun diese Trilogie der Trauerarbeit ab. Der Aufbau gleicht dem von L’Hirondelle rouge : einundachzig kurze Prosastücke zeichnen einen Weg nach. Nach der schwarzen Traurigkeit der kalten Jahreszeit zeichnet sich das Warten auf ein Wiederentstehen ab, das in der Lyrik des Mittelalters als « Reverdie » bezeichnet wurde. Es ist nicht mehr die gleiche Begeisterung wie früher : « Inespérée, cette ¬reprise de souffle soudaine dans la lumière du soleil. Die Farbe der Tinter ändert sich nicht ; sie bleibt immer genauso schwarz. Doch der Schmerz wird durch das Sagen und immer wieder Sagen leichter. » All das in einer « Sprache des Winters », die aus Traurigkeit besteht und sich damit abfindet, leise zu sprechen. Denn Jean-Michel Maulpoix meint, dass auch die Sprache ihre « Jahreszeiten » hat. Doch der tröstende Schnee holt die weit entfernte Kindheit zurück, vermischt sich mit dem Hören eines Préludes von Debussy Des pas sur la neige (1910), unde der Betrachtung der Bilder der impressionistischen Maler – Sisley, Monet, die gerne verschneite Gärten darstellten. Der Dichter sieht darin auch für das Schreiben « das Versprechen eines Frühlings, der die weiße Pracht beschützt ». Wie ein geheimes Keimen von Samen und die Hoffnung der lebenden Pflanzen. Stimme Orpheus (La Voix d’Orphée) 1989 war der Titel eines kritischen Essays von Jean-Michel Maulpoix, der unter dem Titel Du lyrisme (Corti, 2000) wieder aufgelegt wurde. Diese Stimme wird auch in der neuen Gedichtsammlung wieder aufgerufen: Nach dem Erscheinen von Rue des fleurs (Mercure de France, 2022) wurde Maulpoix für sein Gesamtwerk, das mehr als dreißig Gedichtsammlungen umfasst, mit dem „Prix Goncourt de la Poésie“ ausgezeichnet, daneben hat er aber auch zahlreiche kritische Texte verfasst. Die Sehnsucht nach dem Anderswo Seine Bücher von Une histoire de bleu (1992) bis L’Instinct de ciel (Mercure de France, 2000) sind voller Licht. « Mit acht Jahren Abstand », notierte der Dichter Antoine Emaz, beziehen sich diese beiden Titel aufeinander, sie hinterfragen das Blau, den Blues, angesichts des riesengroßen Meers oder Himmels. » « Ein Werk voller Schwung, getragen von der Sehnsucht nach dem Anderswo, indem die Melancholie jedoch auch präsent ist. So findet man schon in Adieux au poème (Corti, 2005) diese Darstellung eines Dichters: « Poète : celui que rien ni personne ne peut consoler de mourir et que la connaissance de la disparition conduit à s’emparer fiévreusement du langage pour y garder mémoire de ce qui s’efface, aussi bien que pour y filer à tombeau ouvert sur les routes du temps. » Ein Bruch zeigte sich für Jean-Michel Maulpoix (geb.1952) mit dem Tod seiner Eltern. Eine richtige Zäsur, wild wie ein Flügelschlag steht am Ursprung dieses äußerst berührenden Trauerbuchs, Die rote Schwalbe, dessen Titel von einem Gemälde von Mirò Hirondelle Amour (1934) inspiriert ist. Dieses feinsinnige setzte ihnen ein poetisches Grabmal in neun kurzen Prosakapiteln. Im Mittelpunkt steht Schwarzes Herz nach einem Zitat von ¬Rainer Maria Rilke. In Erwartung des « Wiederergrünens » Nach Le Jour venu (2020) schließt Le Jardin sous la neige nun diese Trilogie der Trauerarbeit ab. Der Aufbau gleicht dem von L’Hirondelle rouge : einundachzig kurze Prosastücke zeichnen einen Weg nach. Nach der schwarzen Traurigkeit der kalten Jahreszeit zeichnet sich das Warten auf ein Wiederentstehen ab, das in der Lyrik des Mittelalters als « Reverdie » bezeichnet wurde. Es ist nicht mehr die gleiche Begeisterung wie früher : « Inespérée, cette ¬reprise de souffle soudaine dans la lumière du soleil. Die Farbe der Tinter ändert sich nicht ; sie bleibt immer genauso schwarz. Doch der Schmerz wird durch das Sagen und immer wieder Sagen leichter. » All das in einer « Sprache des Winters », die aus Traurigkeit besteht und sich damit abfindet, leise zu sprechen. Denn Jean-Michel Maulpoix meint, dass auch die Sprache ihre « Jahreszeiten » hat. Doch der tröstende Schnee holt die weit entfernte Kindheit zurück, vermischt sich mit dem Hören eines Préludes von Debussy Des pas sur la neige (1910), unde der Betrachtung der Bilder der impressionistischen Maler – Sisley, Monet, die gerne verschneite Gärten darstellten. Der Dichter sieht darin auch für das Schreiben « das Versprechen eines Frühlings, der die weiße Pracht beschützt ». Wie ein geheimes Keimen von Samen und die Hoffnung der lebenden Pflanzen.
Zur Rezension -
Gast, 22.02.2025LE JARDIN SOUS LA NEIGE/DER GARTEN UNTER DEM SCHNEE
von JEAN-MICHEL MAULPOIX
von PhV, Lehrbeauftragter für Literatur und Politik an der Sciences Po, Paris
Der neuen Sammlung der unter dem Titel „Le Jardin sous la neige/Der Garten unter dem Schnee“ erschienenen Prosagedichten von J.M. Maulpoix ist ein Zitat aus L'Ange/Der Engel, einem der letzten Texte von Paul Valéry vorangestellt "Der Engel, der sich als Mensch sah, war höchst erstaunt, sich in der nackten Welle zu zeigen, diese Beute einer unendlichen Traurigkeit" und beginnt mit dem Satz „Ich öffnete die Tür zur kalten Jahreszeit und trat in den Kummer ein. Der Winter kommt durch die Worte“. Das ist eindeutig ein tragischer Nachklang seiner beiden bereits erschienenen Alben L'Hirondelle rouge /Die rote Schwalbe und Le jour venu.
Einfühlsam übersetzt von Margret Millischer, die den Titel unverändert beibehält, was an Paul Celans Heimkehr aus Schneepart erinnern kann, ist dieser Band düsterer als die beiden vorherigen, die noch das berühmte Blau enthielten, das diesmal immer mehr verblasst ist. Es handelt sich um eine Reihe von anspruchsvollen, nachdenklichen, dunklen Prosagedichten, über denen der allgegenwärtige Schatten des Todes zu schweben scheint. In den Dialog mit sich selbst mischen sich Angst und Sehnsucht, Gewalt und Resignation, Sanftheit und Schmerz.
Die Gedankenstriche sind noch da und erinnern daran, dass es sich um einen Dialog handelt, bei dem verschiedene Stimmen einander abwechseln, in denen existentielle Zweifel und Ungewissheit zum Ausdruck kommen, der Autor sich mit groben Ausrufen wie „Dummkopf!“ oder „Sturschädel!“ bedenkt oder selbst ermahnt wie: "Glückselig singst du mit geschlossenen Augen und verirrst dich unterwegs, wenn du heimgehst.“
Darauf folgen ziemlich beängstigende Überlegungen über das Altern und den herannahenden Tod. Verschwunden sind Sanftheit und Heiterkeit, die noch in L’instinct de ciel oder Une histoire de bleu/Eine Geschichte vom Blau zu spüren waren, als « Die Sommerabende lange dauerten…“
Schon in L’instinct de ciel hatte sich der Dichter den Tod vorgestellt, doch da war es nur ein Spiel, um die Lebenden vom Grab aus zu beobachten. Die Aktivität der nekrophagen Insekten und Schmetterlinge wurde nur spielerisch dargestellt. Aus Pas sur la neige/Schritte im Schnee konnte man auch eine bestimmte, eher friedliche Zustimmung herauslesen, im Weiß des Schnees zu verschwinden und sich im Unbestimmten und der Stille zu verlieren. Hier scheint ein Schritt in die Resignation erfolgt zu sein.
Wenn man an manchen Stellen auch Aufhellungen und etwas Licht wahrnehmen kann, so gewinnen sie doch niemals so viel Gewicht, dass sie eine glückliche Seite aufzeigen, bei der Feiern, Freude und Heiterkeit gerühmt würde, die auf Schmerz und Leiden vergessen lassen würden. Nichts davon. Beruhigung und Sanftheit finden sich nur in kleinen Nebensätzen.
Trotzdem wäre es zu einfach, aus Der Garten unter dem Schnee nur Sorge, Trauer und Angst herauszulesen. Die Dinge sind in diesem letzten Text niemals eindeutig oder schwarz-weiß, wobei zu hoffen ist, dass es nicht der letzte sein wird, denn Maulpoix hat schon bewiesen, dass man nicht in einer einseitigen Sicht der Dinge verharren soll. Und auch diesmal greift er auf die Form des Dialogs zurück, um mit mehreren Stimmen zu sprechen, Brüche in Ton, Ausdruck, kurz dem flüchtigen Charakter jeder Behauptung auszuloten. Hier wie auch in seinen früheren Büchern sind douceur (Sanftheit) und douleur (Schmerz) nicht nur zwei gegensätzliche Begriffe, sondern stets eng miteinander verbunden. Man kann seine Verzweiflung und Not zum Ausdruck bringen, sich der Endlichkeit sehr bewusst sein, und doch ist da eine - wenn auch nur vorübergehende und prekäre - Form der Beruhigung möglich. Eine Beruhigung, die man in der einfachen Tatsache spüren kann, in der tatsächlichen Gegenwart der Welt da zu sein. Die Sprache ist zerbrechlich, meinte der Dichter in einer seiner ersten Gedichtsammlungen. Zerbrechlich, das stimmt, aber beharrlich und stark, und hat die Versuchung des Dichtens nicht verloren…
"- Auch Schreiben ist wie ein langsames Stapfen im Schnee...
- - Vergesst nicht, nach innen zu schauen, in der Nacht, wenn eure Augen schon fast zufallen, am Übergang zum Schlaf. Hinter euren Lidern werdet ihr schöne weiße Schneeflocken fallen sehen, die kleinen Papierzetteln gleichen, auf denen eure Liebesgeschichten stehen. (Seite 181)
Sciences Po, Paris
Der neuen Sammlung der unter dem Titel „Le Jardin sous la neige/Der Garten unter dem Schnee“ erschienenen Prosagedichten von J.M. Maulpoix ist ein Zitat aus L'Ange/Der Engel, einem der letzten Texte von Paul Valéry vorangestellt "Der Engel, der sich als Mensch sah, war höchst erstaunt, sich in der nackten Welle zu zeigen, diese Beute einer unendlichen Traurigkeit" und beginnt mit dem Satz „Ich öffnete die Tür zur kalten Jahreszeit und trat in den Kummer ein. Der Winter kommt durch die Worte“. Das ist eindeutig ein tragischer Nachklang seiner beiden bereits erschienenen Alben L'Hirondelle rouge /Die rote Schwalbe und Le jour venu.
Einfühlsam übersetzt von Margret Millischer, die den Titel unverändert beibehält, was an Paul Celans Heimkehr aus Schneepart erinnern kann, ist dieser Band düsterer als die beiden vorherigen, die noch das berühmte Blau enthielten, das diesmal immer mehr verblasst ist. Es handelt sich um eine Reihe von anspruchsvollen, nachdenklichen, dunklen Prosagedichten, über denen der allgegenwärtige Schatten des Todes zu schweben scheint. In den Dialog mit sich selbst mischen sich Angst und Sehnsucht, Gewalt und Resignation, Sanftheit und Schmerz.
Die Gedankenstriche sind noch da und erinnern daran, dass es sich um einen Dialog handelt, bei dem verschiedene Stimmen einander abwechseln, in denen existentielle Zweifel und Ungewissheit zum Ausdruck kommen, der Autor sich mit groben Ausrufen wie „Dummkopf!“ oder „Sturschädel!“ bedenkt oder selbst ermahnt wie: "Glückselig singst du mit geschlossenen Augen und verirrst dich unterwegs, wenn du heimgehst.“
Darauf folgen ziemlich beängstigende Überlegungen über das Altern und den herannahenden Tod. Verschwunden sind Sanftheit und Heiterkeit, die noch in L’instinct de ciel oder Une histoire de bleu/Eine Geschichte vom Blau zu spüren waren, als « Die Sommerabende lange dauerten…“
Schon in L’instinct de ciel hatte sich der Dichter den Tod vorgestellt, doch da war es nur ein Spiel, um die Lebenden vom Grab aus zu beobachten. Die Aktivität der nekrophagen Insekten und Schmetterlinge wurde nur spielerisch dargestellt. Aus Pas sur la neige/Schritte im Schnee konnte man auch eine bestimmte, eher friedliche Zustimmung herauslesen, im Weiß des Schnees zu verschwinden und sich im Unbestimmten und der Stille zu verlieren. Hier scheint ein Schritt in die Resignation erfolgt zu sein.
Wenn man an manchen Stellen auch Aufhellungen und etwas Licht wahrnehmen kann, so gewinnen sie doch niemals so viel Gewicht, dass sie eine glückliche Seite aufzeigen, bei der Feiern, Freude und Heiterkeit gerühmt würde, die auf Schmerz und Leiden vergessen lassen würden. Nichts davon. Beruhigung und Sanftheit finden sich nur in kleinen Nebensätzen.
Trotzdem wäre es zu einfach, aus Der Garten unter dem Schnee nur Sorge, Trauer und Angst herauszulesen. Die Dinge sind in diesem letzten Text niemals eindeutig oder schwarz-weiß, wobei zu hoffen ist, dass es nicht der letzte sein wird, denn Maulpoix hat schon bewiesen, dass man nicht in einer einseitigen Sicht der Dinge verharren soll. Und auch diesmal greift er auf die Form des Dialogs zurück, um mit mehreren Stimmen zu sprechen, Brüche in Ton, Ausdruck, kurz dem flüchtigen Charakter jeder Behauptung auszuloten. Hier wie auch in seinen früheren Büchern sind douceur (Sanftheit) und douleur (Schmerz) nicht nur zwei gegensätzliche Begriffe, sondern stets eng miteinander verbunden. Man kann seine Verzweiflung und Not zum Ausdruck bringen, sich der Endlichkeit sehr bewusst sein, und doch ist da eine - wenn auch nur vorübergehende und prekäre - Form der Beruhigung möglich. Eine Beruhigung, die man in der einfachen Tatsache spüren kann, in der tatsächlichen Gegenwart der Welt da zu sein. Die Sprache ist zerbrechlich, meinte der Dichter in einer seiner ersten Gedichtsammlungen. Zerbrechlich, das stimmt, aber beharrlich und stark, und hat die Versuchung des Dichtens nicht verloren…
"- Auch Schreiben ist wie ein langsames Stapfen im Schnee...
- - Vergesst nicht, nach innen zu schauen, in der Nacht, wenn eure Augen schon fast zufallen, am Übergang zum Schlaf. Hinter euren Lidern werdet ihr schöne weiße Schneeflocken fallen sehen, die kleinen Papierzetteln gleichen, auf denen eure Liebesgeschichten stehen. (Seite 181)
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Gast, 22.02.2025Am 21. März 2023 in Poésibao veröffentlichter Artikel von Florence Trocmé über Jean-Michel Maulpoix, „Le jardin sous la neige“ Eines Tages spürt man, dass man weggehen, seinen Platz räumen muss. Man würde gerne noch bleiben, aber man kann nicht mehr. Überall ist einem kalt, oft tut einem etwas weh. Und die geringste Anstrengung fällt einem schwer oder bereitet Sorgen. Man schafft es nicht mehr. Dann ist die Winterszeit, die kalte Jahreszeit, wie Jean-Michel Maulpoix sie in seinem neuen Buch nennt, dem dritten der Trilogie, die mit L’Hirondelle rouge/Die rote Schwalbe begonnen hat, gefolgt von Le Jour venu. Der Garten unter dem Schnee beschwört also den Schnee des Seins herauf, der uns alle erwartet, mit dem wir vielleicht schon in naher Zukunft konfrontiert sein werden und der uns beim Eintreffen ganz leise, mit langsamen Schritten aus Schneeflocken ankündigt, dass man eines Tages aufgeben, nachgeben und sich zum Sterben vorbereiten muss, um dann in einer Holzkiste unter der Erde zu liegen oder im Winterwind wie Asche oder Rauch verstreut zu werden. Neun Kapitel oder eigentlich acht, dazwischen ein Kapitel mit dem Titel „Rue des pleurs/Tränenstraße“ als Pause in der Mitte des Buches. Insgesamt 81 Texte in gesprochener Prosa, oft in Dialogform, als ob das „Ich“ nicht mehr kann, nicht mehr weiterkann, nur noch reden, aber es hört im Inneren Worte, Stimmen, die nachklingen. Stimmen, die reden, die schon seit der Kindheit vielleicht mit einem reden, denen man aber während des Lebens nicht zuhört, die dann wiederkommen und flüstern, einem etwas ins Ohr sagen, und die man dann erst bemerkt, weil in der Winterszeit alles verstummt, stillschweigt und das Leben, in Schnee gehüllt, dadurch langsamer, aber aufmerksamer wird. Aber bestimmt nicht friedlicher, denn alle Schmerzen und alle Sorgen kommen aus der Tiefe der Kindheit wieder an die Oberfläche, alles, was man nicht getan, was man verloren hat, und alle Bilder, die man irgendwann in der Tiefe des Ichs gelagert hat und die uns heute blenden – wie der Schnee. Jean-Michel Maulpoix erzählt vom Leben, das vergeht, sich verflüchtigt, das langsamer zu werden scheint, weniger schnell verläuft, weil man sich mit dem Sein und mit dem Tun schwerer tun, mehr Tränen in den Augen und Kummer im Inneren angesammelt hat. Er spricht von den Schwierigkeiten, etwas genauso wie früher weiterzuführen, fortzusetzen, von den Dingen, auf die man nacheinander zu verzichten gezwungen ist, die man aufgeben muss, weil das Leben in der kalten Jahreszeit Platz macht und verschwindet, wenn der Winter unseres Lebens kommt. Unmerklich verlassen wir diese Erde, finden wir uns ab. Wir gehen kaum noch weiter als bis zum Tisch, zum Sessel und schließlich zum Bett, von dem es uns jeden Tag ein bisschen schwerer fällt, herauszukommen, aufzustehen. Nicht nur das Verzichten, aber auch die brennende Feststellung (brennend wie der Schnee, der leuchtend rote Wangen macht, wenn er gleichzeitig fällt und schmilzt), dass wir nie wieder das erleben werden, was wir im Laufe unseres Lebens gekannt haben: eine Liebe in der Junisonne, einen Lichtstrahl auf der Brust, der starke Duft einer Landschaft, die man geliebt, dann verlassen hat und die man nie mehr wiedersehen wird. Bilder aus der noch weiter entfernten Kindheit, die man von noch weiter herholen muss, um sie wieder zu erleben, die noch unsicherer sind. Ein ganzes Leben, das hinter einem liegt, von dem man nur den Schnee bewahrt, die Flocken, in der Handfläche und die schmelzen, sobald man versucht, sie länger auf den Fingerspitzen zu behalten. So besteht unser Leben aus diesen Augenblicken, die man unterwegs zurückgelassen, einige Zeit mitgetragen, angestrebt, dann auf dem Weg abgelegt hat, da sie zu schwer geworden sind. So viele Dinge, die unter dem Schnee des Lebens begraben wurden, von denen man nur noch das Echo, erstickte oder verlorene Geräusche, die Schreie wahrnimmt, als kämen sie aus einem anderen Leben. Jeder Augenblick ist also dazu verdammt, zu vergehen oder nur in einer Wasserblase weiterzubestehen, ein leichter Wind, ein Duft, eine Schneeflocke. Und alle diese Augenblicke unseres Lebens sind so zum Verschwinden bestimmt und lassen uns orientierungslos, nackt und verloren zurück, mit einem Schluchzen in der Stimme und Tränen in den Augen. Doch wenn man dieses Buch aufmerksam liest, hört man keine Klage, kein Jammern. Eine nahezu trockene Lyrik, die nicht ins Pathos abgleiten will, um eine kritische Distanz gegenüber den Fakten und Dingen der Existenz zu bewahren. Ein „Man“, ein „Er“, ein „Du“, um sich selbst zu bezeichnen. Oder die Gestalt von Mallarmé in dem Kapitel „Spinnweben“, um ein Selbstporträt von sich selbst als greisenhafter Dichter oder als alternder Dichter zu zeichnen, dessen Abbau oder Gebrechlichkeit ihm Sorgen bereitet, als wäre das der Preis, der möglicherweise für einen ganzes Leben des Schreibens zu bezahlen ist. Maulpoix denkt sogar an seinen eigenen Tod, seine Autopsie, seine Einäscherung, und verlangt danach, sich nur auszuruhen oder in seiner Nacht zu verbleiben, in dem Augenblick, wenn es zu Ende geht, als dunkler Schatten unter den Schatten. Wenn er das sagt, weint er nicht und seine Stimme zittert nicht, es ist eine einfache Feststellung, dass er nun ein alter Mann ist, ein Haufen Knochen – sagt er von sich selbst – oder eine Paket Finsternis, das bald hinfallen wird. Dagegen kann man nichts tun. Wir entkommen diesem Tanzschritt nicht, diesem letzten Schritt, den wir machen werden, wenn wir die Welt verlassen. Wir können dem Abend nicht entkommen, der in die schwarze Nacht übergeht, und auch nicht der Kälte unter dem Schnee. Dem kalten Mantel, der uns bald mit seinem Leichentuch bedecken wird. Und dort, wo man nur allein hingehen kann, wo wir einzeln hinübergehen und wo uns niemand mehr hören und verstehen kann, wo es keine Stütze, keine Hoffnung mehr gibt. Die Nacht ist so schwarz wie der Mensch, und der Mensch dringt ständig tiefer in seine Nacht ein. Aber Maulpoix erinnert sich doch an die liebevollen Stimmen, die ihn eingewiegt haben: die Stimme seiner Mutter, seines Vaters, von den so wenig bleibt, von ihrer Liebe, ihre Umarmung, nur der, der jetzt auch weggeht, stellt er fest (und er fragt sich, ob sie dort, wo sie sind, miteinander reden, was sie sich erzählen, ob man sie hört); seine Stimme als Neugeborener und die Stimmen, von denen sein Kopf nun voll ist, von den Dichtern, die er gelesen und geliebt hat. Baudelaire, Rimbaud, Mallarmé, Verlaine, und seine eigenen Werke, deren Buchtitel erwähnt werden. So viel Geschriebenes, so viele Sätze, die unter seiner Feder immer wiederkehren – notiert er – unaufhörlich – und die bewirken, dass diese Stimme, die hier spricht, trocken und gereizt ist. Diese Stimme, die noch immer spricht, wie eine Form Hoffnung vielleicht oder ein Bezug auf die Schwärze des hereinbrechenden Abends, auf den Schmerz. Nichts wird uns jemals retten. Wir vergehen einer nach dem anderen unter dem Schnee des Lebens. Und es bleibt nur eine Kälte, eine scharfe Kälte, die Kälte der Abwesenheit anstelle der Wärme unserer Küsse, unserer Umarmungen. Nichts als vielleicht unsere Stimmen, die unseren Kopf und unsere Herzen erfüllen und sie zum Zittern und Singen bringen, wie ein Busch voller Vögel. Dann kann der Tod kommen, das ist bestimmt, meint Maulpoix. Man muss ihn nicht fürchten, wenn ein Vogel – wie er auch sagt – seinen Gesang emporwirft und seinen Lichtfaden strickt. Und man ihn hören kann wie einen Frühling. Auszug (Seite 82 F/ 83 D) – Am allertraurigsten bin ich darüber, müsst ihr wissen, dass so wenig von dem bleibt, was ich mir als ihre große Liebe vorstelle. Als Kind war ich ihr Stolz, ihr Glück, der unbestreitbare Beweis der glücklichen Vereinigung ihrer beiden Körper… Doch mein armseliges Gerippe hat das Versprechen nicht eingelöst. Tagtäglich wird es klappriger und bald wird von der Frucht ihrer Umarmungen nur ein Brei aus Erde und Knochenmehl übrig sein, denn das ist es, nicht wahr, was ich mitnehme, dieses Begehren, das sie füreinander fühlten, das an einem Sommermorgen erstmals in ihren Augen aufleuchtete. Zum Glück wissen sie nichts davon, vielleicht haben sie auch nie daran gedacht, meine Mutter und mein Vater. Sie leben nicht mehr, schon lange nicht mehr. dass man weggehen, seinen Platz räumen muss. Man würde gerne noch bleiben, aber man kann nicht mehr. Überall ist einem kalt, oft tut einem etwas weh. Und die geringste Anstrengung fällt einem schwer oder bereitet Sorgen. Man schafft es nicht mehr. Dann ist die Winterszeit, die kalte Jahreszeit, wie Jean-Michel Maulpoix sie in seinem neuen Buch nennt, dem dritten der Trilogie, die mit L’Hirondelle rouge/Die rote Schwalbe begonnen hat, gefolgt von Le Jour venu. Der Garten unter dem Schnee beschwört also den Schnee des Seins herauf, der uns alle erwartet, mit dem wir vielleicht schon in naher Zukunft konfrontiert sein werden und der uns beim Eintreffen ganz leise, mit langsamen Schritten aus Schneeflocken ankündigt, dass man eines Tages aufgeben, nachgeben und sich zum Sterben vorbereiten muss, um dann in einer Holzkiste unter der Erde zu liegen oder im Winterwind wie Asche oder Rauch verstreut zu werden. Neun Kapitel oder eigentlich acht, dazwischen ein Kapitel mit dem Titel „Rue des pleurs/Tränenstraße“ als Pause in der Mitte des Buches. Insgesamt 81 Texte in gesprochener Prosa, oft in Dialogform, als ob das „Ich“ nicht mehr kann, nicht mehr weiterkann, nur noch reden, aber es hört im Inneren Worte, Stimmen, die nachklingen. Stimmen, die reden, die schon seit der Kindheit vielleicht mit einem reden, denen man aber während des Lebens nicht zuhört, die dann wiederkommen und flüstern, einem etwas ins Ohr sagen, und die man dann erst bemerkt, weil in der Winterszeit alles verstummt, stillschweigt und das Leben, in Schnee gehüllt, dadurch langsamer, aber aufmerksamer wird. Aber bestimmt nicht friedlicher, denn alle Schmerzen und alle Sorgen kommen aus der Tiefe der Kindheit wieder an die Oberfläche, alles, was man nicht getan, was man verloren hat, und alle Bilder, die man irgendwann in der Tiefe des Ichs gelagert hat und die uns heute blenden – wie der Schnee. Jean-Michel Maulpoix erzählt vom Leben, das vergeht, sich verflüchtigt, das langsamer zu werden scheint, weniger schnell verläuft, weil man sich mit dem Sein und mit dem Tun schwerer tun, mehr Tränen in den Augen und Kummer im Inneren angesammelt hat. Er spricht von den Schwierigkeiten, etwas genauso wie früher weiterzuführen, fortzusetzen, von den Dingen, auf die man nacheinander zu verzichten gezwungen ist, die man aufgeben muss, weil das Leben in der kalten Jahreszeit Platz macht und verschwindet, wenn der Winter unseres Lebens kommt. Unmerklich verlassen wir diese Erde, finden wir uns ab. Wir gehen kaum noch weiter als bis zum Tisch, zum Sessel und schließlich zum Bett, von dem es uns jeden Tag ein bisschen schwerer fällt, herauszukommen, aufzustehen. Nicht nur das Verzichten, aber auch die brennende Feststellung (brennend wie der Schnee, der leuchtend rote Wangen macht, wenn er gleichzeitig fällt und schmilzt), dass wir nie wieder das erleben werden, was wir im Laufe unseres Lebens gekannt haben: eine Liebe in der Junisonne, einen Lichtstrahl auf der Brust, der starke Duft einer Landschaft, die man geliebt, dann verlassen hat und die man nie mehr wiedersehen wird. Bilder aus der noch weiter entfernten Kindheit, die man von noch weiter herholen muss, um sie wieder zu erleben, die noch unsicherer sind. Ein ganzes Leben, das hinter einem liegt, von dem man nur den Schnee bewahrt, die Flocken, in der Handfläche und die schmelzen, sobald man versucht, sie länger auf den Fingerspitzen zu behalten. So besteht unser Leben aus diesen Augenblicken, die man unterwegs zurückgelassen, einige Zeit mitgetragen, angestrebt, dann auf dem Weg abgelegt hat, da sie zu schwer geworden sind. So viele Dinge, die unter dem Schnee des Lebens begraben wurden, von denen man nur noch das Echo, erstickte oder verlorene Geräusche, die Schreie wahrnimmt, als kämen sie aus einem anderen Leben. Jeder Augenblick ist also dazu verdammt, zu vergehen oder nur in einer Wasserblase weiterzubestehen, ein leichter Wind, ein Duft, eine Schneeflocke. Und alle diese Augenblicke unseres Lebens sind so zum Verschwinden bestimmt und lassen uns orientierungslos, nackt und verloren zurück, mit einem Schluchzen in der Stimme und Tränen in den Augen. Doch wenn man dieses Buch aufmerksam liest, hört man keine Klage, kein Jammern. Eine nahezu trockene Lyrik, die nicht ins Pathos abgleiten will, um eine kritische Distanz gegenüber den Fakten und Dingen der Existenz zu bewahren. Ein „Man“, ein „Er“, ein „Du“, um sich selbst zu bezeichnen. Oder die Gestalt von Mallarmé in dem Kapitel „Spinnweben“, um ein Selbstporträt von sich selbst als greisenhafter Dichter oder als alternder Dichter zu zeichnen, dessen Abbau oder Gebrechlichkeit ihm Sorgen bereitet, als wäre das der Preis, der möglicherweise für einen ganzes Leben des Schreibens zu bezahlen ist. Maulpoix denkt sogar an seinen eigenen Tod, seine Autopsie, seine Einäscherung, und verlangt danach, sich nur auszuruhen oder in seiner Nacht zu verbleiben, in dem Augenblick, wenn es zu Ende geht, als dunkler Schatten unter den Schatten. Wenn er das sagt, weint er nicht und seine Stimme zittert nicht, es ist eine einfache Feststellung, dass er nun ein alter Mann ist, ein Haufen Knochen – sagt er von sich selbst – oder eine Paket Finsternis, das bald hinfallen wird. Dagegen kann man nichts tun. Wir entkommen diesem Tanzschritt nicht, diesem letzten Schritt, den wir machen werden, wenn wir die Welt verlassen. Wir können dem Abend nicht entkommen, der in die schwarze Nacht übergeht, und auch nicht der Kälte unter dem Schnee. Dem kalten Mantel, der uns bald mit seinem Leichentuch bedecken wird. Und dort, wo man nur allein hingehen kann, wo wir einzeln hinübergehen und wo uns niemand mehr hören und verstehen kann, wo es keine Stütze, keine Hoffnung mehr gibt. Die Nacht ist so schwarz wie der Mensch, und der Mensch dringt ständig tiefer in seine Nacht ein. Aber Maulpoix erinnert sich doch an die liebevollen Stimmen, die ihn eingewiegt haben: die Stimme seiner Mutter, seines Vaters, von den so wenig bleibt, von ihrer Liebe, ihre Umarmung, nur der, der jetzt auch weggeht, stellt er fest (und er fragt sich, ob sie dort, wo sie sind, miteinander reden, was sie sich erzählen, ob man sie hört); seine Stimme als Neugeborener und die Stimmen, von denen sein Kopf nun voll ist, von den Dichtern, die er gelesen und geliebt hat. Baudelaire, Rimbaud, Mallarmé, Verlaine, und seine eigenen Werke, deren Buchtitel erwähnt werden. So viel Geschriebenes, so viele Sätze, die unter seiner Feder immer wiederkehren – notiert er – unaufhörlich – und die bewirken, dass diese Stimme, die hier spricht, trocken und gereizt ist. Diese Stimme, die noch immer spricht, wie eine Form Hoffnung vielleicht oder ein Bezug auf die Schwärze des hereinbrechenden Abends, auf den Schmerz. Nichts wird uns jemals retten. Wir vergehen einer nach dem anderen unter dem Schnee des Lebens. Und es bleibt nur eine Kälte, eine scharfe Kälte, die Kälte der Abwesenheit anstelle der Wärme unserer Küsse, unserer Umarmungen. Nichts als vielleicht unsere Stimmen, die unseren Kopf und unsere Herzen erfüllen und sie zum Zittern und Singen bringen, wie ein Busch voller Vögel. Dann kann der Tod kommen, das ist bestimmt, meint Maulpoix. Man muss ihn nicht fürchten, wenn ein Vogel – wie er auch sagt – seinen Gesang emporwirft und seinen Lichtfaden strickt. Und man ihn hören kann wie einen Frühling. Auszug (Seite 82 F/ 83 D) – Am allertraurigsten bin ich darüber, müsst ihr wissen, dass so wenig von dem bleibt, was ich mir als ihre große Liebe vorstelle. Als Kind war ich ihr Stolz, ihr Glück, der unbestreitbare Beweis der glücklichen Vereinigung ihrer beiden Körper… Doch mein armseliges Gerippe hat das Versprechen nicht eingelöst. Tagtäglich wird es klappriger und bald wird von der Frucht ihrer Umarmungen nur ein Brei aus Erde und Knochenmehl übrig sein, denn das ist es, nicht wahr, was ich mitnehme, dieses Begehren, das sie füreinander fühlten, das an einem Sommermorgen erstmals in ihren Augen aufleuchtete. Zum Glück wissen sie nichts davon, vielleicht haben sie auch nie daran gedacht, meine Mutter und mein Vater. Sie leben nicht mehr, schon lange nicht mehr.
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Gast, 24.01.2025Die Natur liefert der Poesie die großen zeitlosen universellen Metaphern – Meer, Wasser, Sonne, Wind und Schnee …alle haben zwei Seiten wie das, worauf sie sich beziehen, Quelle des Lebens und Quelle des Todes. So auch die Schönheit, und ihr Schutzgott Apollon ist auch der Gott des Gemetzels. Wie die Winterzeit im Leben der Menschen sind der Schnee und das Weiß immer wiederkehrende Motive in Jean-Michel Maulpoix‘ poetischen Werk, ebenso wie das Meer und das Blau. Eine seiner früheren Gedichtsammlungen heißt bezeichnenderweise auch: Pas sur la neige /Schritte im Schnee (2004). In L’instinct de ciel (2000) sind folgende Zeilen zu lesen: „Man muss bis zum Frühling durchhalten. Doch der Frühling wird nicht kommen. Es ist Winter. Man wartet auf den Schnee. » Seit den Anfängen seines Schreibens ist der Schnee für Maulpoix eine innere Landschaft: „Der Kopf ist auch innen von Schnee bedeckt“. Doch in seiner letzten Sammlung Le jardin sous la neige (Mercure de France, 2023) hat die Wirklichkeit nun die Worte eingeholt; der Dichter ist alt geworden, der körperliche und geistige Abbau ist Realität geworden, und der Tod nicht nur ein Gefühl oder eine Figur, sondern eine konkrete Bedrohung. „Dem kommenden Winter folgt kein Frühling. » Das Leben des Dichters tritt ins Weiß ein. Das macht die Lektüre des Werks besonders erschütternd. Ich war von der Härte und der Verzweiflung, die sich darin zeigt, betroffen. Maulpoix hat sich zwar immer gegenüber der Katastrophe klarsichtig gezeigt, der Tod war immer in seinen poetischen Überlegungen präsent, er ist Bestandteil des Schönen (je schöner etwas ist, umso tödlicher), das Schreiben geht vom Chaos aus und bahnt sich seinen Weg am Rand seines Verschwindens. Aber in diesem ständigen Kampf zwischen Leben und Worten, die sich bemühen, das Chaos zu bändigen, hat man den Eindruck, dass hier das Leben, das heißt der Tod die Partie gewinnt. Dabei gibt es ein großes Bemühen um die Form. Die Struktur von Jardin sous la neige übernimmt die bereits bei dem Trauerbuch L’hirondelle rouge (2017), angewandte, das auch aus neun Abschnitten mit jeweils neun Prosagedichten besteht. Die Feststellung dieser Formsuche, wie es auf dem Cover unterstrichen wird, auf dem die schöne Schneelandschaft von Monet abbildet ist, hat mich etwas in die Irre geführt: Beim Beginn des Lesens hätte ich eher kleine melancholische Gemälde erwartet, wie eine Serie von Hiroshiges Schneelandschaften, bei denen Alter und Tod vom Schnee und dem Weiß als Motiven suggeriert werden; kurz etwas Schönes. Doch ich hätte wissen sollen, dass ein Dichter wie Maulpoix unfähig ist, Kitsch zu erzeugen. Ich habe also die ersten Gedichte der Sammlung gelesen, so als hätte mir der Dichter Steine ins Gesicht geworfen. Kleine Pakete von herben Worten, in der Nähe der tödlichen Realität, die sie möglichst nahe auszudrücken versuchen, harte, schwarze Worte, gegen den Schnee. „Keine Musik, oder fast keine“ (Histoire de bleu, 1992); Für Maulpoix‘ Stil bedeutet das, dass seine ganze Poesie in diesem « fast » liegt, wie Antoine Émaz sagte. Zeitweise scheint die Poesie die Oberhand zu gewinnen, die Phrase Gestalt anzunehmen. Man kann Alexandriner, Sechssilber und vor allem Achtsilber herauslösen: „Schon erfasst der Winter das Herz“ L’hiver déjà gagne le cœur „Den nackten Körper im Grunde des eigenen Ichs sehen. Der Körper bestünde aus der Nacht. » Voir le corps nu au fond de soi. Le corps qui serait fait de nuit. „Die kommende Nacht ist ohne Liebe“ La nuit qui vient est sans amour Und leise, zurückhaltend klingt die Stimme des Dichters, fast gedämpft wie Schritte im Schnee, wie in dieser subtil musikalischen Sequenz: „Schnee bald unter dem Schnee, durch die bleiche Farbe, innerlich ganz gefroren, armes totes Herz“ Neige bientôt sous la neige, à force de pâleur, tout gelé au-dedans, pauvre cœur mort (7/6/6/4 – das klingt fast wie Claudel…) In diesem letzten Kampf, dieser Agonie, wird die Dichtung der ganzen Welt zur Verstärkung aufgerufen, aber leise, mit der Einfachheit der großen Kunst, hört man unter vielen anderen die Stimmen von Baudelaire, Rimbaud, Hölderlin, ja bis hin zu Orpheus, die Poesie selbst. Eine gelehrte Poesie, die beim Lesen keinerlei Wissen voraussetzt. Der Dichter ist auf der Höhe seiner Kunst. Er scheint sich so sehr auf Augenhöhe mit seinen Modellen zu fühlen, dass er sie familiär mit ihrem Vornamen anspricht. Doch paradoxerweise verliert auch die Literatur durch ihre Erwähnung das Spiel, denn Maulpoix, der offensichtlich seinen baldigen Verfall in ihrem wiedererkennt, erwähnt nicht ihre unsterblichen Texte, sondern ihren Niedergang, der seinem vergleichbar ist. Die ruhmreichen Dichter werden auf ihre fleischliche Hülle reduziert. So sind Charles, Arthur und von allem Stéphane, der der ganze Abschnitt mit dem Titel „Spinnweben“ gewidmet ist, nur noch leidende Körper. Und der Dichter fragt sich: „Doch warum muss das Abenteuer des Schreibens im Verfall enden? Ist das der Preis, der dafür zu bezahlen ist? » „Diesen Niedergang, mit dem ein Dichterleben endet, nennen wir ihn Paul, Stéphane oder Charles.“ Gibt es ein schöneres Bild als das von Stéphane Mallarmé selbst, um die Zartheit, Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit zu symbolisieren, die genau die Eigenschaften von Schnee sind? Denken wir nur an sein wunderbares Porträt von Manet, wo er da zu sein scheint und wieder nicht, im Augenblick schwebend und bereit, sich im Nichts aufzulösen, wie die Schwaden der Zigarette, die er gerade raucht, oder eine Schneeflocke. Zartheit, Fragilität, Flüchtigkeit der Literatur und des Schreibens. Der Schnee ist natürlich eine Metapher für die weißen Seite des Buchs, das Mallarmé immer weiterschreibt und das im Weiß verschwindet. „Der Schnee ist die Stimme der Stille“. Die Stille, aus der die Worte entstehen oder in die sie zurückkehren. Letzter Kampf, Todeskampf? Auf seiner Webseite schreibt Maulpoix: „Dieses Buch ist die Geschichte meiner Traurigkeit. In diesem Garten unter dem Schnee habe ich diesmal vielleicht so etwas wie das Ende meines Schreibens erreicht.“ Und ist es am Ende die Niederlage der Literatur? Es scheint fast so: „Die Worte sind verlorengegangen. Sie bedeuten nichts mehr. » Aber noch sind es Worte, die das sagen. Die Worte sind da, armselig, hartnäckig auf der weißen Seite, wie verstreute Zweige auf einem Schneefeld oder die wenigen Steine, die auf die Leere des Zengartens gelegt werden. Und Maulpoix kommentiert sein Buch noch so: „Der Garten unter dem Schnee ist eine Welt in Schwarz-Weiß, vergleichbar mit der des Schreibens, nur, dass sie umgekehrt ist: Schwarz unten, Weiß oben … » „Mit der gesprochenen Sprache ist jetzt Schluss.“ Aber es spricht weiter. Jean-Michel Lou, Wien, Winter 2024 worauf sie sich beziehen, Quelle des Lebens und Quelle des Todes. So auch die Schönheit, und ihr Schutzgott Apollon ist auch der Gott des Gemetzels. Wie die Winterzeit im Leben der Menschen sind der Schnee und das Weiß immer wiederkehrende Motive in Jean-Michel Maulpoix‘ poetischen Werk, ebenso wie das Meer und das Blau. Eine seiner früheren Gedichtsammlungen heißt bezeichnenderweise auch: Pas sur la neige /Schritte im Schnee (2004). In L’instinct de ciel (2000) sind folgende Zeilen zu lesen: „Man muss bis zum Frühling durchhalten. Doch der Frühling wird nicht kommen. Es ist Winter. Man wartet auf den Schnee. » Seit den Anfängen seines Schreibens ist der Schnee für Maulpoix eine innere Landschaft: „Der Kopf ist auch innen von Schnee bedeckt“. Doch in seiner letzten Sammlung Le jardin sous la neige (Mercure de France, 2023) hat die Wirklichkeit nun die Worte eingeholt; der Dichter ist alt geworden, der körperliche und geistige Abbau ist Realität geworden, und der Tod nicht nur ein Gefühl oder eine Figur, sondern eine konkrete Bedrohung. „Dem kommenden Winter folgt kein Frühling. » Das Leben des Dichters tritt ins Weiß ein. Das macht die Lektüre des Werks besonders erschütternd. Ich war von der Härte und der Verzweiflung, die sich darin zeigt, betroffen. Maulpoix hat sich zwar immer gegenüber der Katastrophe klarsichtig gezeigt, der Tod war immer in seinen poetischen Überlegungen präsent, er ist Bestandteil des Schönen (je schöner etwas ist, umso tödlicher), das Schreiben geht vom Chaos aus und bahnt sich seinen Weg am Rand seines Verschwindens. Aber in diesem ständigen Kampf zwischen Leben und Worten, die sich bemühen, das Chaos zu bändigen, hat man den Eindruck, dass hier das Leben, das heißt der Tod die Partie gewinnt. Dabei gibt es ein großes Bemühen um die Form. Die Struktur von Jardin sous la neige übernimmt die bereits bei dem Trauerbuch L’hirondelle rouge (2017), angewandte, das auch aus neun Abschnitten mit jeweils neun Prosagedichten besteht. Die Feststellung dieser Formsuche, wie es auf dem Cover unterstrichen wird, auf dem die schöne Schneelandschaft von Monet abbildet ist, hat mich etwas in die Irre geführt: Beim Beginn des Lesens hätte ich eher kleine melancholische Gemälde erwartet, wie eine Serie von Hiroshiges Schneelandschaften, bei denen Alter und Tod vom Schnee und dem Weiß als Motiven suggeriert werden; kurz etwas Schönes. Doch ich hätte wissen sollen, dass ein Dichter wie Maulpoix unfähig ist, Kitsch zu erzeugen. Ich habe also die ersten Gedichte der Sammlung gelesen, so als hätte mir der Dichter Steine ins Gesicht geworfen. Kleine Pakete von herben Worten, in der Nähe der tödlichen Realität, die sie möglichst nahe auszudrücken versuchen, harte, schwarze Worte, gegen den Schnee. „Keine Musik, oder fast keine“ (Histoire de bleu, 1992); Für Maulpoix‘ Stil bedeutet das, dass seine ganze Poesie in diesem « fast » liegt, wie Antoine Émaz sagte. Zeitweise scheint die Poesie die Oberhand zu gewinnen, die Phrase Gestalt anzunehmen. Man kann Alexandriner, Sechssilber und vor allem Achtsilber herauslösen: „Schon erfasst der Winter das Herz“ L’hiver déjà gagne le cœur „Den nackten Körper im Grunde des eigenen Ichs sehen. Der Körper bestünde aus der Nacht. » Voir le corps nu au fond de soi. Le corps qui serait fait de nuit. „Die kommende Nacht ist ohne Liebe“ La nuit qui vient est sans amour Und leise, zurückhaltend klingt die Stimme des Dichters, fast gedämpft wie Schritte im Schnee, wie in dieser subtil musikalischen Sequenz: „Schnee bald unter dem Schnee, durch die bleiche Farbe, innerlich ganz gefroren, armes totes Herz“ Neige bientôt sous la neige, à force de pâleur, tout gelé au-dedans, pauvre cœur mort (7/6/6/4 – das klingt fast wie Claudel…) In diesem letzten Kampf, dieser Agonie, wird die Dichtung der ganzen Welt zur Verstärkung aufgerufen, aber leise, mit der Einfachheit der großen Kunst, hört man unter vielen anderen die Stimmen von Baudelaire, Rimbaud, Hölderlin, ja bis hin zu Orpheus, die Poesie selbst. Eine gelehrte Poesie, die beim Lesen keinerlei Wissen voraussetzt. Der Dichter ist auf der Höhe seiner Kunst. Er scheint sich so sehr auf Augenhöhe mit seinen Modellen zu fühlen, dass er sie familiär mit ihrem Vornamen anspricht. Doch paradoxerweise verliert auch die Literatur durch ihre Erwähnung das Spiel, denn Maulpoix, der offensichtlich seinen baldigen Verfall in ihrem wiedererkennt, erwähnt nicht ihre unsterblichen Texte, sondern ihren Niedergang, der seinem vergleichbar ist. Die ruhmreichen Dichter werden auf ihre fleischliche Hülle reduziert. So sind Charles, Arthur und von allem Stéphane, der der ganze Abschnitt mit dem Titel „Spinnweben“ gewidmet ist, nur noch leidende Körper. Und der Dichter fragt sich: „Doch warum muss das Abenteuer des Schreibens im Verfall enden? Ist das der Preis, der dafür zu bezahlen ist? » „Diesen Niedergang, mit dem ein Dichterleben endet, nennen wir ihn Paul, Stéphane oder Charles.“ Gibt es ein schöneres Bild als das von Stéphane Mallarmé selbst, um die Zartheit, Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit zu symbolisieren, die genau die Eigenschaften von Schnee sind? Denken wir nur an sein wunderbares Porträt von Manet, wo er da zu sein scheint und wieder nicht, im Augenblick schwebend und bereit, sich im Nichts aufzulösen, wie die Schwaden der Zigarette, die er gerade raucht, oder eine Schneeflocke. Zartheit, Fragilität, Flüchtigkeit der Literatur und des Schreibens. Der Schnee ist natürlich eine Metapher für die weißen Seite des Buchs, das Mallarmé immer weiterschreibt und das im Weiß verschwindet. „Der Schnee ist die Stimme der Stille“. Die Stille, aus der die Worte entstehen oder in die sie zurückkehren. Letzter Kampf, Todeskampf? Auf seiner Webseite schreibt Maulpoix: „Dieses Buch ist die Geschichte meiner Traurigkeit. In diesem Garten unter dem Schnee habe ich diesmal vielleicht so etwas wie das Ende meines Schreibens erreicht.“ Und ist es am Ende die Niederlage der Literatur? Es scheint fast so: „Die Worte sind verlorengegangen. Sie bedeuten nichts mehr. » Aber noch sind es Worte, die das sagen. Die Worte sind da, armselig, hartnäckig auf der weißen Seite, wie verstreute Zweige auf einem Schneefeld oder die wenigen Steine, die auf die Leere des Zengartens gelegt werden. Und Maulpoix kommentiert sein Buch noch so: „Der Garten unter dem Schnee ist eine Welt in Schwarz-Weiß, vergleichbar mit der des Schreibens, nur, dass sie umgekehrt ist: Schwarz unten, Weiß oben … » „Mit der gesprochenen Sprache ist jetzt Schluss.“ Aber es spricht weiter. Jean-Michel Lou, Wien, Winter 2024
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Gast, 21.01.2025JEAN MICHEL MAULPOIX „Der Garten unter dem Schnee“ Übersetzt von Margret Millischer ________________________________________ Wie schon das Einbandbild andeutet, lesen wir in diesem Gedichtband melancholische, traurige Betrachtungen, gelegentlich gewürzt mit einem Augenzwinkern oder einem Moment des Wohlbefindens, das uns kurz aus einer allzu betrübten Stimmung herausholt. Der Schnee soll uns trösten, auch wenn der Dichter in den Gedichten am Ende des Bandes uns die Entscheidung nicht wirklich abnimmt, ob der Schnee Verletzungen bedeckt, einen weißen Mantel oder ein Leichentuch abgibt – schlussendlich erhellt er für uns die Schatten der Nacht. Lassen Sie mich ein Beispiel dafür anführen, warum mich viele der Gedichte ansprechen (im Original und in der deutschen Übersetzung): „Une vie de papier“ Seite 148 L’Insecte était là, depuis des jours, des semaines, ….. Der Dichter schildert wie ein totes Insekt, das zufällig an einer Fensterscheibe haften geblieben ist, durchsichtig, fast unsichtbar, eines Tages durch einen leichten Luftzug gelöst wird und zu Boden gleitet. Dieses an sich bedeutungslose Geschehen wird so geschildert, dass man gerne dem Rythmus folgt, sorgsam liest, vor dem inneren Auge alles genau „sieht“, miterlebt, wohl weil man Ähnliches selbst schon beobachtet hat. Einige Gedichte beispielsweise in diesem Abschnitt haben mich allerdings sehr, zu sehr bewegt, so traurig, ausweglos empfinde ich die Stimmung, die sie in mir erzeugt haben. Ich habe die Gedichte in ihrer französischen Originalfassung gelesen und danach neugierig die deutsche Übersetzung studiert. Wortwahl, Rhythmus, Gestaltung der Sprachbilder sind in meinen Augen sehr gelungen. Die Übersetzerin war offenbar bereit und in der Lage, sich in die unterschiedlichen Themenwelten des Dichters einzufühlen, texttreu wenn auch niemals am Wort klebend, niemals zu weit von Maulpoix’ sorgsam gewählten Wortbildern entfernt. Das ist nicht selbstverständlich, der poetische Weg aus einer romanischen in eine germanische Sprache ist dornenreich. Ich halte das Original und seine Übersetzung für sehr gelungen. Einbandbild andeutet, lesen wir in diesem Gedichtband melancholische, traurige Betrachtungen, gelegentlich gewürzt mit einem Augenzwinkern oder einem Moment des Wohlbefindens, das uns kurz aus einer allzu betrübten Stimmung herausholt. Der Schnee soll uns trösten, auch wenn der Dichter in den Gedichten am Ende des Bandes uns die Entscheidung nicht wirklich abnimmt, ob der Schnee Verletzungen bedeckt, einen weißen Mantel oder ein Leichentuch abgibt – schlussendlich erhellt er für uns die Schatten der Nacht. Lassen Sie mich ein Beispiel dafür anführen, warum mich viele der Gedichte ansprechen (im Original und in der deutschen Übersetzung): „Une vie de papier“ Seite 148 L’Insecte était là, depuis des jours, des semaines, ….. Der Dichter schildert wie ein totes Insekt, das zufällig an einer Fensterscheibe haften geblieben ist, durchsichtig, fast unsichtbar, eines Tages durch einen leichten Luftzug gelöst wird und zu Boden gleitet. Dieses an sich bedeutungslose Geschehen wird so geschildert, dass man gerne dem Rythmus folgt, sorgsam liest, vor dem inneren Auge alles genau „sieht“, miterlebt, wohl weil man Ähnliches selbst schon beobachtet hat. Einige Gedichte beispielsweise in diesem Abschnitt haben mich allerdings sehr, zu sehr bewegt, so traurig, ausweglos empfinde ich die Stimmung, die sie in mir erzeugt haben. Ich habe die Gedichte in ihrer französischen Originalfassung gelesen und danach neugierig die deutsche Übersetzung studiert. Wortwahl, Rhythmus, Gestaltung der Sprachbilder sind in meinen Augen sehr gelungen. Die Übersetzerin war offenbar bereit und in der Lage, sich in die unterschiedlichen Themenwelten des Dichters einzufühlen, texttreu wenn auch niemals am Wort klebend, niemals zu weit von Maulpoix’ sorgsam gewählten Wortbildern entfernt. Das ist nicht selbstverständlich, der poetische Weg aus einer romanischen in eine germanische Sprache ist dornenreich. Ich halte das Original und seine Übersetzung für sehr gelungen.
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Gast, 21.01.2025DER GARTEN UNTER DEM SCHNEE von Jean-Michel Maulpoix. Das Vergehen der Zeit, Altern und Tod sind die großen Themen, die in dieser Sammlung von Prosagedichten behandelt werden. Der Autor scheut sich nicht, seine Texte bisweilen mit einer Prise (schwarzen) Humors zu würzen und sich, mit einem Augenzwinkern an die Leser, selbst in die Reihe von Charles (Baudelaire), Stéphane (Mallarmé) und Paul (Valéry) zu stellen. Erst am Ende spricht Maulpoix vom Garten unter dem Schnee, der ihm Trost und Beruhigung ist, was in seinem poetischen Schreiben seinen Ausdruck findet. „Der Garten unter dem Schnee“ ist eine Gedichtsammlung, die zur Kontemplation und zum Akzeptieren der Vergänglichkeit einlädt und uns kompromisslos mit unserer Endlichkeit konfrontiert. Prosagedichten behandelt werden. Der Autor scheut sich nicht, seine Texte bisweilen mit einer Prise (schwarzen) Humors zu würzen und sich, mit einem Augenzwinkern an die Leser, selbst in die Reihe von Charles (Baudelaire), Stéphane (Mallarmé) und Paul (Valéry) zu stellen. Erst am Ende spricht Maulpoix vom Garten unter dem Schnee, der ihm Trost und Beruhigung ist, was in seinem poetischen Schreiben seinen Ausdruck findet. „Der Garten unter dem Schnee“ ist eine Gedichtsammlung, die zur Kontemplation und zum Akzeptieren der Vergänglichkeit einlädt und uns kompromisslos mit unserer Endlichkeit konfrontiert.
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Gast, 19.01.2025Wie sich der Fall einer Schneeflocke anhört, das möchte uns Margret Millischer mit ihrer Übersetzung von Jean-Michel Maulpoix‘ Gedichtsammlung UN JARDIN SOUS LA NEIGE/EIN GARTEN UNTER DEM SCHNEE auch auf Deutsch vermitteln, bei der die Worte mit der Leichtigkeit von fallendem Schnee hingesetzt sind. Eine leise, bisweilen gedämpfte Atmosphäre, in der man den Worten mit der gleichen Faszination zuhört, wie sie der Schnee in einer Winterlandschaft hervorruft: « Keine Stimmen mehr, keine Blätter, die Vögel sind verstummt. Sie machen sich nicht mehr in den Bäumen zu schaffen, und die Erde schweigt still. » Jean-Michel Maulpoix scheint Margret Millischers Lieblingsautor zu sein, denn diese Übersetzung ist bereits die vierte Gedichtsammlung, die sie übersetzt, und die zweite, die dem Element Schnee gewidmet ist. Man kann erfühlen, die dieses Element, das doch so still ist, etwas Ergreifendes an sich haben kann, wenn der Autor auf die „kalte Jahreszeit“ des Lebens und seine zahlreichen Assoziationen eingeht: „Die Dichter kehren in ihre Tränenhütten zurück. Man hört sie nicht mehr weinen. Zuversicht und Erinnerung vertragen sich schon lange nicht mehr. » Als Symbol des Winters ist der Schnee durch seine weiße Farbe und seine Reinheit auch gleichbedeutend mit Helligkeit und führt uns auf die Wege der Kindheit oder auf die Spuren der Dichter, die JMM als Vorbilder ansieht, Baudelaire, Verlaine, Rimbaud und Mallarmé. Freddie JARDIN SOUS LA NEIGE/EIN GARTEN UNTER DEM SCHNEE auch auf Deutsch vermitteln, bei der die Worte mit der Leichtigkeit von fallendem Schnee hingesetzt sind. Eine leise, bisweilen gedämpfte Atmosphäre, in der man den Worten mit der gleichen Faszination zuhört, wie sie der Schnee in einer Winterlandschaft hervorruft: « Keine Stimmen mehr, keine Blätter, die Vögel sind verstummt. Sie machen sich nicht mehr in den Bäumen zu schaffen, und die Erde schweigt still. » Jean-Michel Maulpoix scheint Margret Millischers Lieblingsautor zu sein, denn diese Übersetzung ist bereits die vierte Gedichtsammlung, die sie übersetzt, und die zweite, die dem Element Schnee gewidmet ist. Man kann erfühlen, die dieses Element, das doch so still ist, etwas Ergreifendes an sich haben kann, wenn der Autor auf die „kalte Jahreszeit“ des Lebens und seine zahlreichen Assoziationen eingeht: „Die Dichter kehren in ihre Tränenhütten zurück. Man hört sie nicht mehr weinen. Zuversicht und Erinnerung vertragen sich schon lange nicht mehr. » Als Symbol des Winters ist der Schnee durch seine weiße Farbe und seine Reinheit auch gleichbedeutend mit Helligkeit und führt uns auf die Wege der Kindheit oder auf die Spuren der Dichter, die JMM als Vorbilder ansieht, Baudelaire, Verlaine, Rimbaud und Mallarmé. Freddie
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