zweisprachig, Festeinband, 200 S.
Dies ist die erste Auswahl aus dem Werk des brasilianischen Dichters César Leal in deutscher Sprache. Leal revolutioniert die zeitgenössische Dichtung. Formstrenge, Bilderreichtum, kosmische Thematik, Originalität, optisch wahrnehmbare Rhythmik und prophetischer Tonfall verleihen seinen Kompositionen die eigene Stimme. Der Band enthält im Kern die beiden im In- und Ausland am stärksten beachteten Zyklen O Triunfo das Águas (1968) und Ursa Maior (1969).
Die von Anspielungen durchsetzten Texte spannen einen Raum zwischen Himmel und Erde auf, in dem Rationales und Sinnliches, Intuition und Reflexion aufeinander folgen. Thematisch spinnen die Gedichte den Faden Dantes Göttlicher Komödie weiter. Die Apokalypse des europäischen Mittelalters findet ihre Fortsetzung im Bedrohungsszenario der atomaren Auslöschung der Menschheit. Dennoch überbringen die Gedichte Leals nicht bloß eine Botschaft. Sie überzeugen durch ihren sprachlichen Aufbau und ihre Musikalität, die kunstvoll mit verschiedenen Sprachregistern spielt.
Francisco César Leal (1924-2013): geb. in Saboeiro, war Journalist, Professor, Literaturkritiker und Dichter. Auszeichnungen: Prêmio Machado de Assis 2006, Prêmio Olavo Bilac 1987, Prêmio Othon Bezerra de Mello 1964, Prêmio Menendez y Pelayo 1954.
Curt Meyer-Clason (1910-2012): vor dem Zweiten Weltkrieg als Kaufmann in Argentinien und Brasilien, unterwegs, mehrere Jahre als „feindlicher Ausländer“ interniert, Übersetzer, 1969-1976 Leiter des Goethe-Instituts in Lissabon, das er als intellektuelles Zentrum gegen die Dikatur und Zensur etablierte.
"Die Verpflichtung des Dichters besteht darin, sich nicht rein abstrakt und theoretisch mit den Dingen auseinanderzusetzen, sondern sie fühlend und mitfühlend in das Gedicht zu integrieren, weil es keinen Gegenstand gibt, der — selbst (oder vielleicht muß man sagen: besonders) angesichts der Sternbilder — zu gering ist" (Jürgen Brôcan) >>> www.fixpoetry.com/feuilleton/kritiken/cesar-leal/der-triumph-des-wassers
Leseprobe:
Libertação
A Oswaldino Marques
Vejo um oceano de luz
banhando o linho do mar
é o fogo dos raios vivos
que estão sempre a navegar
pelos caminhos da treva
celeste, luz a reinar
por entre os montes da terra
e os fundos vales do mar
Do sol se nutre o seu fogo
buscando sempre alcançar
o amor, limite do ódio,
o ódio limite do amar
e essa luz que no ar cintila
é o diamante das mágoas
cintila em meu sangue aceso
Já que sou parte das águas.
E sendo poeta sou águia
e vôo na luz Transbordante
dos astros que cruzam os céus
guardando ordem constante
Por ser águia irei voando
e abismos de Eternidade
minhas asas irão cortando
em busca da Liberdade
Sei que o Porto não está longe
e seu cais hei de alcançar:
Pois a vida só é vida
quando se vive a lutar.
E mais livre ainda serei
– livre do vôo e da dor –
quando a morte me atirar
no seu vasto Corredor.
Befreiung
Für Oswaldino Marques
Ich sehe einen Ozean aus Licht
der das Leinen des Meeres badet
es ist das Feuer der lebendigen Strahlen
die stets dahinsegeln
auf den Wegen der himmlischen
Finsternis, Licht das über den
Bergen der Erde herrscht
und den tiefen Tälern des Meeres
Von der Sonne nährt sich ihr Feuer
und sucht immer die Liebe zu erreichen
die Grenze des Hasses,
den Hass Grenze des Liebens
und jenes Licht, das in der Luft funkelt
ist der Diamant der Schmerzen:
es funkelt in meinem entbrannten Blut
da ich ja Teil der Wasser bin.
Und da ich Dichter bin bin ich Adler
und Flug im überbordenden Licht
der Sterne welche die Himmel durchqueren
und dabei ständige Ordnung bewahren
Da ich Adler bin werde ich fliegen
und Abgründe der Ewigkeit
werden meine Flügel durchkreuzen
auf der Suche nach der Freiheit
Ich weiß daß der Hafen nicht fern ist
und ich seine Kais erreichen muss:
Denn das Leben ist nur Leben
wenn man lebt um zu kämpfen
Und ich werde noch freier sein
– frei vom Flug und vom Schmerz –
wenn der Tod mich in
seinen weiten Flur wirft.
Carta aos Rinocerontes
Não sei se estou mais presente na Terra
do que estariam uma rosa e uma dália.
Nem um milésimo das coisas que vejo diariamente
está contido em meus poemas...
Sei que o leitor poderá dizer agora:
„– Você não é um bom poeta! Castro Alves
é mais participante, mais exato,
transporta o mundo – ou pelo menos sua metade
no Navio Negreiro.
Mas você – que leio agora –
não me acende nenhuma luz,
agarra-se demasiadamente aos anjos,
a uma forma estéril
que não fala ao tempo,
aos pássaros,
e menos ainda ao meu coração“.
Ouço-te e repito
que sou apenas pequena parte das coisas
que estão no mundo
com certeza não sou a menor parte
e, por isso, tens que me aceitar
se és um leitor e não apenas um crítico.
Se minha poesia te cansa,
peço-te: come as saladas de Souzândrade; bebe
lentamente as gotas de orvalho que fluem dos caligramas
de Apollinaire...
Elas satisfarão tua fome e tua sede,
ou terás uma sede e uma fome tão estranhas
que suportarias ainda Maiakovski,
Evtuchenko, Voznessenki, Pound
e toda a galeria dos participantes
que ficam à tua direita e à tua esquerda?
Quanto a mim, pouco te posso oferecer:
não escrevo para los muchos,
arranco de mi corazón el capitán del inferno,
establezco cláusulas indefinidamente tristes
Esgotados os estábulos aonde os teus donos
guardaram para ti alimentos tão nobres,
ainda restariam os membros do Clube dos Ultraístas,
Tzara e todos os que, à semelhança dos empregados
domésticos
sopram trombetas das 6 às 6,
repetindo eternamente a contínua canção:
„somos os que andam na vanguarda do Tempo“.
Quanto a mim continuarei sozinho,
solitário como um estranho rio
de um território ainda não visitado pelos geógrafos,
abrindo sem descanso a minha estrada
certo de que alguém um dia
– anjo ou demônio –
caminhará por ela até a porta de meu nome.
Brief an die Nashörner
Ich weiß nicht ob ich auf der Erde anwesender bin
als eine Rose und eine Dahlie es wären.
Nicht ein Tausendstel der Dinge die ich täglich sehe
ist in meinen Gedichten enthalten...
Ich weiß der Leser könnte jetzt sagen:
„– Sie sind kein guter Dichter: Castro Alves
ist teilnehmender, genauer,
bringt die Welt – oder zumindest ihre Hälfte
auf dem Sklavenschiff mit.
Aber Du – den ich jetzt lese –
zündest mir kein Licht an,
klammerst Dich zu stark an die Engel,
an eine unfruchtbare Form
die nicht zur Zeit spricht,
zu den Vögeln,
und noch weniger zu meinem Herzen.“
Ich höre dich und wiederhole
dass ich nur ein kleiner Teil der Dinge bin
die auf der Welt sind
mit Sicherheit bin ich nicht der kleinste Teil
und daher mußt du mich annehmen
wenn du ein Leser bist und nicht bloß ein Kritiker.
Wenn meine Dichtung dich ermüdet,
bitte ich dich: Iss die Salate von Souzândrade; trink
langsam die Tautropfen die aus Apollinaires
Kalligrammen rieseln...
Sie werden deinen Hunger und deinen Durst stillen,
oder hast du einen so seltsamen Durst und Hunger
dass du noch Maiakowski ertragen würdest,
Jewtuschenko, Woznessenki, Pound
und die gesamte Galerie der Teilnehmer
die zu deiner Rechten und zu deiner Linken sitzen?
Was mich betrifft, so kann ich dir nur wenig bieten:
ich schreibe nicht für die Vielen,
ich entreiße meinen Herzen den Kapitän der Hölle,
setze grenzenlos traurige Klauseln fest
Da die Ställe in denen deine Besitzer
für dich so edle Nahrungsmittel verwahrten, erschöpft sind,
würden noch die Mitglieder des Klubs der Ultraisten verbleiben,
Tzara und alle die, welche wie die
Hausangestellten
von 6 bis 6 Trompete blasen,
und ewig dasselbe Lied wiederholen:
„Wir sind die welche in der Vorhut der Zeit marschieren“.
Was mich betrifft so werde ich allein bleiben,
einsam wie ein seltsamer Fluß
einer von den Geographen noch nicht bereisten Gegend,
und werde ohne auszuruhen mir den Weg öffnen
gewiss dass eines Tages jemand
– Engel oder Teufel –
auf ihm bis zur Tür meines Namens gehen wird.