Aus dem US-Amerikanischen von Christine Pfammatter
James Laughlin, Poet, Sportsmann und Frauenliebhaber, war der Erbe einer Pittsburgher Stahl-Dynastie. Sein Reichtum ermöglichte es ihm, den Verlag New Directions zu gründen, in dem er bedeutende Autoren des 20. Jahrhunderts herausgab. Laughlins literarischer Kosmos ist ein Kondensat des Lebens, das sich um die sexuelle Liebe, das Vergnügen und die Qual der Erinnerung, um Abschiede, Dichterfreunde und das familiäre Geschehen dreht. Sein Schreiben in der Tradition des light verse ist voll Anmut, Witz und Hellsichtigkeit. Die kurzen Verse, wo die Metrik eng und verdichtet ist, setzen die Silben in ein Gleichgewicht, das eine große Klarheit vermittelt. Als Herausgeber setzte Laughlin auf Qualität, er suchte das Neue und Abenteuerliche. Doch viele der publizierten Bücher hatten auf dem Markt keinen Bestand. Heute gilt James Laughlin als der wichtigste Verleger Nordamerikas im 20. Jahrhundert.
James Laughlin (1914-1997): geb. in Pittsburgh, 1933 Literaturstudium in Havard, 1934 Frankreich-Reise, 1936 mit New Directions in Prose & Poetry Beginn der Verlagsarbeit, 1992 Distinguished Contribution to American Letters Award.
Heitere Trauer. Von Marc Ottiker, Freitag
⇒ www.freitag.de/1130-heitere-trauer/
Dylan schrieb Gedichte: Der erste Band mit Gedichten von James Laughlin auf deutsch. Von Ralf Julke, L-IZ
⇒ www.l-iz.de/Bildung/B%FCcher/2011/03/Erster-Gedichtband-von-James-Laughlin-auf-deutsch.html
Leseprobe:
At the End
Let no mortician be her
last lover I have sent
to Benares for two cords
of the finest sandalwood.
At Benares, on the bank of the
Ganges, the bodies of the dead
are consumed on pyres of
sandalwood.
Am Ende
Lass nicht ein Leichenbestatter
ihr letzter Geliebter sein Ich
schickte nach Benares um zwei
Bündel besten Sandelholzes.
In Benares, am Ufer des Ganges,
werden die Körper der Toten
auf Sandelholzscheiten
verbrannt.
Are you still alone
in your cave of doubt I
can’t bear to think of you
there in that darkness though
perhaps you have to be there
for a while to find your own
kind of light did I help to
drive you there though we
are far apart I try to reach
into your cave to hold your
hand can you feel my touch
I hope you can know for a
moment that you’re not alone.
Bist du noch immer allein
in deiner Höhle aus Zweifel den
Gedanken halte ich nicht aus du
dort in der Dunkelheit doch
vielleicht musst du eine Weile
dort sein und dein eigenes
Licht wiederfinden habe ich
dich da hineinmanövriert auch
weit von dir getrennt versuche ich
deine Höhle zu erreichen deine
Hand zu halten sie zu berühren
Ich hoffe du merkst für einen
Moment du bist nicht allein.
Dylan
One of us had to make the official identification of Dylan’s body at
the Medical Examiner’s Morgue
Brinnin and I tossed a coin and I lost
It was a crummy building in the hospital complex on First Avenue
and the basement, smelling of formaldehyde, was a
confusion of trolleys with rubber sheets covering bodies
A little old man in a rubber apron was in charge
He put on his glasses to read the name I had written on a slip of
paper and looked around, trying to remember
He lifted one sheet. „Is this him?“ It wasn’t
Two or three more who weren’t „Old Messy“ of the pubs of Soho
and Chelsea
Finally we found him and he looked awful, all bloated
„Insult to the brain“ was what it said on the autopsy report, too
much booze for too many years
The old man sent me to a window to confirm the identification
where there was a little girl about five feet high,
struggling with the forms, using a pencil stub
She got me to write „Dylan“ for her on the
form because she had never heard of
such a name and couldn’t spell it
„What was his profession?“ she asked
I told her he was a poet: she looked perplexed
„What’s a poet?“ she asked
I told her a poet was a person who wrote poems
She put that down, and that’s what it says
on the form:
Dylan Thomas – a poet (he wrote poems).
Dylan
Einer von uns musste die offizielle Identifikation von Dylans Körper
übernehmen auf der gerichtsmedizinischen Station
Brinnin und ich warfen eine Münze und ich verlor
Es war ein lausiges Gebäude im Spitalkomplex auf der First Avenue und
das Untergeschoss, wo es nach Formaldehyd stank, war ein
Wirrwarr aus Bahren mit Planen unter denen Körper lagen
Ein kleiner Mann in Plastikschürze war im Dienst
Er setzte seine Brille auf um den Namen zu lesen, den ich auf einen
Fetzen Papier geschrieben hatte, er blickte suchend um sich und
versuchte sich zu erinnern
Er hob eine Plane. „Ist er das?“ Er war es nicht
Zwei bis drei weitere, die nicht „Old Messy“ der Pubs von Soho und
Chelsea waren
Endlich fanden wir ihn und er sah furchtbar aus, ganz aufgeschwemmt
„Hirnschlag“ stand im Autopsiebericht, zuviel Alkohol während zu
langer Zeit
Der alte Mann schickte mich an ein Fenster um die Identifizierung zu
bestätigen wo ein kleines Mädchen von etwa fünf Fuss gegen
die Formulare ankämpfte, einen Bleistiftstummel in der Hand
Sie liess mich den Namen „Dylan“ auf die Papiere schreiben weil sie noch
nie von einem solchen Namen gehört hatte und ihn nicht
buchstabieren konnte
„Was war er von Beruf?“ fragte sie
Ich sagte ihr er sei Dichter; sie schaute überrascht
„Was ist ein Dichter?“ fragte sie
Ich sagte ihr ein Dichter ist eine Person die Gedichte schreibt
Sie nahm es auf, und so steht’s
auf dem Formular:
Dylan Thomas – ein Dichter (er schrieb Gedichte).