Anna Achmatowa

Anna Achmatowa

Erich Ahrndt empfiehlt Anna Achmatowa: 
 
Vor der Revolution schließt sich Anna Achmatowa den Akmeisten an, die einen klaren Blick auf das Leben fordern. Von 1912 bis 1922 tritt sie mit fünf Gedichtbänden hervor. Modigliani malt sie. Alexander Blok, Ossip Mandelstam, Marina Zwetajewa widmen ihr Gedichte. Ein Kritiker nennt sie „den besten russischen Dichter“. In der Sowjetzeit jedoch wird sie verfolgt: 1921 wird ihr geschiedener Mann von der Tscheka hingerichtet. 1925 wird sie durch einen Parteibeschluß bis 1939 kaltgestellt und geheimdienstlich überwacht. Sie schreibe unzeitgemäß, sei zu spät geboren oder verstehe nicht, rechtzeitig zu sterben. 1935 schlägt das Regime zu: ihr dritter Mann und ihr Sohn werden gleichzeitig verhaftet. Es gelingt ihr, Stalin mit einem Brief zu beider Freilassung zu bewegen. Sie besucht Ossip Mandelstam an seinem Verbannungsort Woronesch. Aus Rache wird ihr Sohn abermals verhaftet. Monatelang steht sie in den Warteschlangen vor dem Gefängnis, um Nahrung und Kleidung für ihn abzugeben. Im Krieg aus dem belagerten Leningrad ausgeflogen, lebt Achmatowa bis 1944 in Taschkent. 1945 wird sie der Spionage verdächtigt. Um siebesonders zu treffen, läßt Stalin ihren Sohn zu zehn Jahren Lager verurteilen. Verzweifelt verbrennt sie ihr Leningrader Archiv. Die Angst wird die Dichterin bis zum Ende ihres Lebens nicht mehr los. Erst nach Stalins Tod findet sie wieder Anerkennung im literarischen und gesellschaftlichen Leben. Das Requiem erscheint 1963 in München, ihre große Geschichtsdichtung Poem ohne Held wird in New York gedruckt. Sie wird für den Nobelpreis vorgeschlagen. Anna Achmatowa verhielt sich bescheiden zu den Mitmenschen. Jeder Sinn für Besitz ging ihr ab. Ihre Dichtung lebt vom Gefühl des Nichthabens, der Trennung, des Verlustes, der hoffnungslosen Liebe.

Erich Ahrndt gilt als einer der besten deutschen Übersetzer russischer Lyrik. Er überträgt nicht nur den Inhalt, sondern auch die Musikalität, den Rhythmus und die Bildhaftigkeit der Sprache Achmatowas – was gerade bei Lyrik entscheidend ist. Ihre sprachliche Intensität bleibt auch im Deutschen spürbar. Ahrndts tiefgreifendes Verständnis für die russische Kultur, Geschichte, Poesie und Sprachbilder erlaubt es ihm, in der Übersetzung dem russischen Original nah zu sein, ohne ins Wortwörtliche zu verfallen. Seine Übersetzungen ermöglichen eine echte Begegnung mit einer der bedeutendsten Stimmen der russischen und europäischen Moderne. Anna Achmatowa (1889–1966) zählt bis heute zu den prägendsten Dichterinnen, wenn es um die literarische Auseinandersetzung mit Gewalt, Unterdrückung und persönlichem Leid im 20. Jahrhundert geht. Sie überlebte Zensur, politische Repression und persönliche Verluste – und verwandelte ihre Erfahrungen in zeitlose Dichtung. So wird Achmatowa als ikonische Frauenstimme und als ethische Instanz gelesen. Sie zeigt, daß Poesie nicht nur sprachliche Schönheit auszeichnet, sondern auch erinnern und trösten kann. Ihre Gedichte sind im besten Sinn des Wortes Weltliteratur. Achmatowa spricht als eine universelle Stimme des Widerstands und der Menschlichkeit – eine Dichterin, deren Bedeutung weit über ihre Zeit hinausreicht.

Unsrer Nichtbegegnung denkend: Erich Ahrndt übersetzt auch Anna Achmatowa
Rezension von Ralf Julke, L-IZ

Anna Achmatowa (1889 – 1966): als Tochter eines Marineoffiziers in Odessa geboren, verbrachte Kindheit und frühe Jugend in Zarskoje Selo bei Petersburg, heiratete 1910 den Dichter Nikolai Gumiljow, nach 1917 Bibliothekarin im Landwirtschaftlichen Institut, Repressalien unter Stalin, Schreibverbot bis 1950, Rehabilitation, übersetzte Victor Hugo, Rabindranath Tagore & Giacomo Leopardi.

Erich Ahrndt: geb. 1932 in Arnswalde (jetzt Choszczno, Polen), lebt in Leipzig, Übersetzer seit 1977, u.a. Werke von Iwan Bunin, Walentin Rasputin, Daniil Granin, Übersetzerprämie des Verlags Volk und Welt 1981, zuletzt: Gedichte von Sergej Jessenin, Marina Zwetajewa und Anna Achmatowa.



 

 
Von Anna Achmatowa ist im Leipziger Literaturverlag erschienen: 

1 bis 2 (von insgesamt 2)
Dichterin des Monats Oktober 2025