







Kapitel 28 aus dem Ishinpō | Yixinfang 醫心方
388 Seiten. Mit einer ausführlichen Einleitung, zahlreichen Abbildungen und Kommentaren, Fadenheftung
Aus dem Chinesischen von Viktor Kalinke
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Das Fangnei wird in Fernost als die ›Bibel des Sex‹ gefeiert. Seine Empfehlungen werden noch heute von Chinesen und Japanern befolgt. Tamba Yasuyori (912–995) stammte aus einem alten chinesischen Königsgeschlecht und diente dem Kaiser von Japan als Leibarzt. Sein Sammelband zur chinesischen Medizin gehört zum japanischen Nationalschatz. Das von Viktor Kalinke erstmals ins Deutsche übertragene Kapitel Fangnei widmet sich der Frage, wie es gelingen kann, mit Hilfe sexueller Praktiken das Leben zu verlängern. Es geht um innere Anziehung, passende und reizvolle Stellungen, aphrodisierende Substanzen und um den Umgang mit unvermeidlichen körperlichen Unzulänglichkeiten. So wird aus der Liebe eine Liebeskunst. Männer können sie erlernen, damit Frauen glücklich werden. Für sein Kompendium standen Yasuyori Texte zur Verfügung, die später zum Großteil verloren gegangen sind. Daher ist sein Buch von unschätzbarem Wert.
„Die grundlegende Gleichheit zwischen Frau und Mann, mit einer leichten, aber entschiedenen Betonung auf der Wichtigkeit des Weiblichen, ist bis heute ein charakteristischer und elementarer Aspekt der chinesischen Sicht auf die Sexualität geblieben.“ Rev. Yimen
Das Buch enthält außer der deutschen Übersetzung die Standardausgabe in chinesischer Sprache, die Pinyin-Lautumschrift sowie zahlreiche Anmerkungen, Kommentare, Abbildungen und eine Einführung zu den Hintergründen.
Überlieferungsgeschichte und Hintergründe:
Die Nachfahren Yasuyori’s übten als hochrangige Hofärzte 典薬頭 über Generationen einen großen Einfluß auf die Entwicklung der Medizin in Japan aus und ergänzten die Beobachtungen und Aufzeichnungen Yasuyori’s mit eigenen Studien. Gelegentlich gelangten kleinere Auszüge aus dem Ishinpō in Umlauf, doch in der Kamakura-Ära während des 13. und 14. Jahrhunderts wandten sich japanische Ärzte vermehrt den medizinischen Konzepten der chinesischen Song-Dynastie zu. Das Ishinpō wurde seltener konsultiert und verschwand in den Schränken der kaiserlichen Bibliothek. Dort schlummerte es, bis es 1554 auf Anordnung des Tennō Ōgimachi dem Hofarzt Nakarai Zuisaku 半井 端策 überlassen wurde. Ab dem 18. Jahrhundert waren japanische Ärzte von den Heilkünsten holländischer Seefahrer fasziniert und betrachteten das Ishinpō als eine Reliquie des Altertums. Eine Abschrift, die in der Familie Tamba verblieben war und lange Zeit vom Familiezweig Taki aufbewahrt wurde, ging verloren. Ein umfangreiches Fragment, das die Bücher 1, 5, 7, 9 sowie Teile von Buch 10 umfaßt, hütet der Ninna-Tempel in Kyōto. 1854 übergab die Familie Nakarai das Werk der Tokugawa-Regierung. Heute befindet es sich im Nationalmuseum Tokio und gehört zum Nationalschatz Japans. Nach einem Abgleich mit den Fragmenten, die sich noch im Besitz seiner Familie befanden, nahm der Hofarzt Taki Motokata 多紀 元堅 eine Rekonstruktion des Textes vor. 1860 wurde er erstmals in einer Holzblock-Druckausgabe in einer Auflage von 500 Exemplaren veröffentlicht. Während einer Reise ins Land der aufgehenden Sonne war 1870 der Diplomat Yang Shoujing der erste chinesische Gelehrte, der das Buch entdeckte.
In Japan fiel die Publikation von Kapitel 28 des Ishinpō unter die Zensur. Als 1906 eine vollständige Ausgabe erschien, wurde das Fangnei-Kapitel sofort verboten und als sittenwidrig denunziert und der weitere Druck untersagt. Bei der Nachauflage von 1909 übersahen die Behörden das drei Jahre vorher zensierte Kapitel über die Liebeskunst. Doch die öffentlichen Bibliotheken verboten ihren Nutzern, dieses Kapitel zu lesen – was letztlich zu seiner weiten Verbreitung beitrug. In der Ausgabe von 1935 wurden die Seiten, die Kapitel 28 im Buch einnimmt, blank stehengelassen. Nichtsdestotrotz wurde der Text in den 1920er und 1930er Jahren von japanischen Forschern, unter denen geradezu eine sexologische Manie ausbrach, verstohlen zitiert.
Als sich ein Schüler des Dichters, Sammlers, Kalligraphen, Herausgebers und Verlegers Ye Dehui 葉德輝 (1864–1927) im Jahre 1902 an der ehemals Kaiserlichen Bibliothek in Ueno aufhielt, fiel ihm auf, daß Kapitel 28 des Ishinpō zahlreiche Zitate aus verschollenen daoistischen Klassikern zu den sexuellen Künsten enthielt. Ye Dehui rekonstruierte diese Klassiker auf der Grundlage einer handschriftlichen Kopie, die ihm der Student zuschickte, und gab das Resultat 1903 unter dem Titel Shuangmei jing'an congshu 雙梅景闇叢書 („Schatten des doppelten Pflaumenbaums“) als Privatdruck heraus. Ye Dehui war damit der erste moderne Gelehrte, der Einblick in die sexuellen Künste des alten China erhielt. Als das Buch 1914 neu aufgelegt wurde, fügte Ye einige weitere Titel hinzu. Später wurde es als Sunüjing 素女經 („Klassiker der einfachen, ursprünglichen, natürlichen Frau“) populär, obwohl es Fragmente aus mehreren verschollenen Klassikern zur Sexualkultur enthielt: Sunüjing, Yufang mijue, Yufang zhiyao, Dongxuanzi und anderen. Ye Dehui war einer der produktivsten Sammler seltener Bücher und Manuskripte in China. 1910 veröffentlichte er einen Leitfaden für das Sammeln von Büchern, und 1915 gab er einen Katalog der rund 350.000 Bände seiner persönlichen Sammlung heraus. Sein Sunüjing enthielt jedoch – wie bei dieser Verfahrensweise zu erwarten war – zahlreiche Transkriptionsfehler. Dennoch löste das Buch einen Skandal aus und empörte auch die chinesische Öffentlichkeit in der Republik. Der Herausgeber bezahlte seine Liebe zur geistigen Freiheit mit dem Leben: Er wurde von Kommunisten umgebracht. Die Veröffentlichung Ye’s Rekonstruktion klassischer Sexualhandbücher erregte die Aufmerksamkeit sowohl chinesischer Historiker als auch westlicher Gelehrter wie Henri Maspero, Joseph Needham und Robert H. van Gulik. Joseph Needham bezeichnete das Fangnei als „größte chinesische sexologische Sammlung“. Auf sie gründete der holländische Sinologe Robert van Gulik seine ebenfalls zunächst nur als Privatdruck 1951 erschienene Ausgabe erotischer Darstellungen aus der Ming-Zeit.
Obwohl es ein Werk ist, das sich ausschließlich auf chinesische Quellen stützt, erschien erst 1955 die erste Buchausgabe des Yixinfang in China. 1973 wurden im Dorf Mawangdui zahlreiche über zwei Jahrtausende abhanden gekommene Textfragmente gefunden, die der frühen Han-Zeit und der Prä-Qin-Zeit zuzuordnen sind. In Grab No. 3 im kamen zehn Fragmente zutage, auf Seide bzw. Bambus geschrieben, die eine große Ähnlichkeit zu den hier zitierten Klassikern in Kapitel 28 aufweisen. In den letzten Jahrzehnten sind in China hervorragend edierte, kritische Ausgaben veröffentlicht worden, in denen die im Yixinfang gesammelte Zitate zeichengenau mit noch vorhandenen Quellen verglichen wurden. Zu erwähnen ist hier vor allem die Ausgabe von Gao Wenzhu 高文柱 et al. (2011), die auch als Referenz für die vorliegende Übersetzung verwendet wurde.
Viktor Kalinke: geb. in Jena, Studium der Psychologie und Mathematik in Dresden, Leipzig und Beijing, Kreativitäts-Preis der Hans-Sauer-Stiftung, Promotion, Professur, lebt in Leipzig, übersetzte und kommentierte das Daodejing von Laozi sowie das Buch Zhuangzi.
1. 至理﹕Grundlegende Regeln
《玉房秘訣》云 yù fáng mì jué yún |
In den Geheimnissen der Jadekammer heißt es: |
沖和子曰 chōng hé zǐ yuē |
Chong Hezi (Meister der reinen Harmonie) sprach: |
夫一陰一陽 fū yī yīn yī yáng |
„Nun: daß Yin, Weibliches, und Yang, Männliches, |
謂之道 wèi zhī dào |
zusammenkommen – diese Kunst wird Dao genannt; |
媾精化生 gòu jīng huà shēng |
sich zu vereinen, zu befruchten und Leben hervorzubringen, |
之為用其理遠乎 zhī wéi yòng qí lǐ yuǎn hū |
ist ihre Aufgabe – wie grundlegend, weitreichend ist diese Regel! |
故帝軒 gù dì xuān |
Daher begab sich der [Gelbe] Kaiser |
之問素女 zhī wèn sù nǚ |
zu Su Nü, um sie dazu zu befragen, |
彭鏗 péng kēng |
und Pengzu (Alter Gevatter) |
之酬殷王 zhī chóu yīn wáng |
antwortete dem König von Yin dazu in Trinksprüchen – |
良有旨哉 liáng yǒu zhǐ zāi |
wie gut sind diese Unterweisungen!“ |
An dieser Stelle sei eine Anmerkung über die Konkretheit, Abstraktheit und Doppeldeutigkeit der chinesischen Kernbegriffe vorausgeschickt, die als Präliminarium über diesem Text und seiner Übersetzung steht: Dao 道 spielt auf den wohl wichtigsten Begriff in der chinesischen Philosophie an, nicht nur im Daoismus, kann „Weg“ oder „Methode“ bedeuten, hier verstehe ich ihn vor allem als „Kunst“, eine Façette von „Methode“; Yin 陰 wird hier konkret mit dem „Weiblichen“ identifiziert, noch gegenständlicher könnte man darunter hier auch „die Frau“ verstehen, als philosophisches Prinzip ist es jedoch viel allgemeiner als Bestandteil des dualistischen Denkens zu konzipieren; analog dazu bildet Yang 陽, hier als das „Männliche“ konkretisiert, die andere Seite des Dualismus – zusammen formen sie ein Ganzes, das die Reproduktion des Lebens gewährleistet.
沖和子: Chong Hezi ist der Name eines Daoisten aus der Östlichen Han-Dynastie, der vermutlich im frühen dritten Jahrhundert u.Z. lebte; nähere Umstände sind unbekannt, da er wie viele andere Daoisten seiner Zeit ein Leben im Verborgenen bevorzugte (Hsia et al., p. 151, fn 1); der Ausdruck 沖和 bezieht sich auf Laozi 42, wo es heißt: 冲氣以為和 („so fließen die Lebenskräfte zusammen, um einander auszugleichen“). Nota bene: In der Song-Dynastie benannte sich Wang Wenqing Yudao (1093-1153), auch als Yishudao oder Wang Shichen bekannt, nach Chong Hezi. Er stammte aus Nanfeng (heutige Provinz Jiangxi), war ein berühmter daoistischer Priester und gründete die Shenxiao 神霄-Bewegung. Er soll mit mit übernatürlichen Kräften geboren worden sein, war groß, schön und klug; von Kindesbeinen an beschäftigte er sich mit dem Daoismus und schrieb Gedichte. Im ersten Jahr von Xuanhe, dem Kaiser Huizong (1119), überquerte Wang Wenqing den Yangzi und irrte durch einen Sumpf, wo ihm daoistische Eingebungen zu Blitz, Donner, Regen und anderen Gewitterphänomenen kamen. Damit wurde er berühmt und im vierten Jahr von Xuanhe als Minister für den Straßenbau an den Hof nach Beijiing geholt. Dort wurde er dank seiner daoistischen Einsichten Chongxu Miaodao („Der geheimnisvolle Chongxu“) genannt und mit weiteren Ämtern betraut, z.B. als Arzt und Priester für die Seelen der Verstorbenen. Damit stieg er zu einer daoistischen Autorität auf. Im ersten Regierungsjahr des Kaisers Jingkang (1126) bat er seine Dienerin, sich mit ihm in die Berge und an die Flüsse hinter den Bergen zurückzuziehen. In der frühen Südlichen Song-Dynastie kehrte er in seine Heimatstadt Nanfeng zurück und scharte Schüler um sich. Er lebte hundert Jahre nach Yasuyori, kann von diesem im Fangnei also nicht gemeint sein.
素女: Su Nü ist die ursprüngliche, natürliche, einfache Frau, eine der drei mythischen Schwestern, die den Gelben Kaiser in Fragen der Liebeskunst unterrichteten.
彭鏗: Pengkeng ist ein Rufname von Pengzu, dem „alten Gevatter“, Symbol der Langlebigkeit, der Mythologie nach war er ein achthundertjähriger Mann, vgl. Gao Wenzhu et al., S. 579, Fn. 2). Die Bedeutung 應 酬 (yīng chóu; Sex, Geschlechtsverkehr) schwingt hier mit.
殷王: König Yin war einer der altchinesischen Königstitel; die Shang-Dynastie war die zweite Dynastie in der chinesischen Geschichte und die erste Dynastie, von der schriftliche Aufzeichnungen überliefert sind. Sie wurde in Bo von Shang Tang, dem Anführer des Shang-Stammes, gegründet. Danach wechselte die Hauptstadt häufig den Ort. Erst als Pan Geng nach Yin (dem heutigen Anyang) umzog, blieb sie 273 Jahre lang in Yin – daher wird die Shang-Dynastie auch als Yin-Dynastie bezeichnet.
黃帝問素女曰 huáng dì wèn sù nǚ yuē |
Der Gelbe Kaiser fragte Su Nü: |
吾氣衰而不和 wú qì shuāi ér bù hé |
„Meine Kräfte schwinden, ich bin nicht im Einklang [mit mir], |
心內不樂 xīn nèi bù lè |
mein Herz-Geist ist in sich gekehrt und ich spüre keine Lust, |
身常恐危 shēn cháng kǒng wēi |
mein Körper bebt ständig vor Angst – |
將如之何 jiāng rú zhī hé |
was kann ich tun?“ |
素女曰 sù nǚ yuē |
Su Nü sprach: |
凡人之所以衰微者 fán rén zhī suǒ yǐ shuāi wēi zhě |
„Jeder Mann kann versagen, |
皆傷於陰陽 jiē shāng yú yīn yáng |
wenn er bei der Vereinigung von Yin und Yang |
交接之道爾。 jiāo jiē zhī dào ěr |
gegen die Regeln der Kunst verstößt. |
夫女之勝男 fū nǚ zhī shèng nán |
Nun: Frauen sind Männern überlegen, |
猶水之滅火。 yóu shuǐ zhī miè huǒ |
so wie Wasser das Feuer löscht. |
知行之如釜鼎 zhī xíng zhī rú fǔ dǐng |
Zu wissen, wie es geht – das heißt, im Topf oder Kessel |
能和五味 néng hé wǔ wèi |
die Fünf Gewürze so zu mischen, |
以成羹臛。 yǐ chéng gēng shi |
daß eine wohlschmeckende Suppe herauskommt. |
能知陰陽之道 néng zhī yīn yáng zhī dào |
Wer imstande ist, die Liebeskunst zu verstehen, |
志成五樂。 zhì chéng wǔ lè |
der wird die fünf Freuden erlangen. |
不知之者 bù zhī zhī zhě |
Wer nichts davon versteht, |
身命將夭。 shēn mìng jiāng yāo |
verkürzt sein Leben. |
何得歡樂 hé dé huān lè |
Welche Freuden gibt es zu genießen! |
可不慎哉。 kě bù shèn zāi |
Du kannst nicht aufmerksam genug sein!“ |
Das Liebesleben der Chinesen. Wie war es eigentlich? Lohnt es sich, ein dickes Buch mit Überraschungen aus chinesischen Schlafzimmern zu lesen? Geht es da besonders exotisch zu? Oder sensationell? Ist das „Fangnei“ eine „Bibel des Sex“ in Fernost? Im Grunde demontiert Viktor Kalinke mit dieser Übersetzung genau diese Vorstellung. Es ist die erste Übersetzung des „Fangnei“ ins Deutsche. Schon das überrascht. Und wer sie neben seine Sammlung von Gesundheitsratgebern stellt, macht nichts falsch. Im Gegenteil.
Es ist nicht der erste Klassiker der chinesischen Literatur, den Viktor Kalinke hier in deutscher Übersetzung vorlegt ... Jahrhundertelang war Yasuyoris Werk quasi der Öffentlichkeit entzogen, bis es eigentlich erst im 20. Jahrhundert auch wissenschaftliche Beachtung fand. Und die Forscher natürlich begeisterte, weil Yasuyori auch viele chinesische Schriften zitiert, die längst verschollen sind. Aber warum landete das „Fangnei“ in einem medizinischen Werk?
Auch das erläutert Kalinke. Und macht damit etwas deutlich, was dem europäischen Verständnis vom Sex ziemlich fremd ist. Nicht deshalb, weil man nicht so lieben könnte wie die Chinesen, sondern weil die Vorstellungen, die Europäer vom Sex haben, geschichtlich geprägt sind. Sie können gar nicht anders, als Sex in Extremen zu denken. Denn die sexuelle Enthemmung der Gegenwart, in der Liebe und Sex geradezu zu Leistungssportarten aufgeblasen werden, ist ja nichts anderes als eine extreme Reaktion auf Jahrhunderte voller sexueller Verbote ... „Als ‚Prozess der Zivilisation‘ schöngeredet, verschärfte sich die Entfremdung vom Körper im Zuge der Aufklärung und des Pietismus. Das Viktorianische Zeitalter steht unmittelbar für die Entfremdung der Geschlechter voneinander, indem die sexuelle Natur des Menschen geleugnet und entsprechende Bedürfnisse unterdrückt wurden.“
Wer Kalinkes Einführung gelesen hat, ist dann nicht mehr überrascht, dass es dann in den Kapiteln des „Fagnei“ nicht um Sensationen und besonders ausgefallene Praktiken geht, sondern um die Gesunderhaltung des Körpers, das Sammeln von Kraft und um ein langes Leben. Um Yin und Yang sowieso, dargestellt auch in dutzenden chinesischen Grafiken, die direkt illustrieren, was die einzelnen Abschnitte des „Fangnei“ beschreiben ... Die Sicht auf „den Akt“ verändert sich völlig, wenn man gleich in den „Grundlegenden Regeln“ liest: „Nun: dass Yin, Weibliches, und Yang, Männliches, zusammenkommen – diese Kunst wird Dao genannt; sich zu vereinen, zu befruchten und Leben hervorzubringen, ist ihre Aufgabe – wie grundlegend, weitreichend ist diese Regel!“
Aber Kalinke betont noch etwas, was man beim oberflächliche Lesen schnell überliest: „Tatsächlich ist bemerkenswert, dass die sexuellen Bedürfnisse von Frauen als Voraussetzung einre gelingenden Sexualität beider Seiten formuliert werden.“ Eine kleine Erinnerung daran, dass die körperliche Vereinigung tatsächlich erst gelingt, wenn beide dabei Erfüllung finden. Und das braucht Zeit, Gelassenheit und Aufmerksamkeit. Also völlig andere Tugenden als all die Sex-Geschichten, mit denen das westliche Denken die Arsenale gefüllt hat. Ein Buch, das durchaus dabei hilft, über ein erfüllendes Liebesleben neu nachzudenken. Und eine Ahnung davon zu bekommen, wie chinesische Denker jahrhundertelang über die Liebe als Medizin nachgedacht haben. Ralf Julke, L-IZ
"Fangnei, die chinesische Enzyklopädie der Liebeskunst und Lustpraxis von Tamba Yasuyori, ist mehr als tausend Jahre alt und trotzdem hochaktuell. Vergnüglich sowieso ... Der kleine Leipziger Literaturverlag sisifo stemmt in seinen Asiatica neben dem Fangnei auch gern andere Backsteine wie den opulenten komplettesten Zhuangzi (alias Dschuang Dsi), den es hierzulande je gab." Ulrich Holbein, konkret, 3/25
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Detlef Briel, 25.08.2024
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