Gedichte, zweisprachig, 166 S.
„Das Mittelmeer, seine Städte, seine Landschaften, schwerer Lavendelduft, der gefangene Himmel zwischen den Bergen, Hängebrücken, alte Mythen – eine trügerische Idylle, in der vor kurzem schreckliche Kriege wüteten. Verica Trickovic befreit ihre Heimat von der einseitigen Zeitungsaktualität und holt sie zurück in den Naturzustand. Nicht anders geht die Dichterin mit den Städten ihrer zweiten Heimat vor. Dresden mit seinen Jahres- und Tageszeiten, die Elbe, die Frauenkirche, die Augustusbrücke sind in ihren Gedichten wie neugeboren. Städte und Landschaften können nichts dafür, wie Menschen mit ihnen umgehen. Die Bitterkeit der Geschichte, der eigenen und der globalen, liegt woanders. Zum Beispiel heißt es beim Augenarztbesuch, das Sehvermögen habe »von den anstrengenden Umsiedlungen« nachgelassen. Aber das ist nicht wahr, die »anstrengenden Umsiedlungen« haben Verica Trickovics Auge nur geschärft. Es ist spannend, schön und ab und zu beschämend, durch dieses geschärfte Auge zu sehen.“ Olga Martynova und Oleg Jurjew
Verica Trickovic: geboren 1961 in Nerav, Mazedonien, ist Dichterin, Herausgeberin und Übersetzerin. Sie zog nach dem Abitur innerhalb Jugoslawiens nach Serbien um und emigrierte 1999 während der Luftangriffe der NATO mit ihren zwei Kindern nach Deutschland, wo sie in Isernhagen bei Hannover lebt. Auf Serbisch erschienen sind ihre Gedichtbände Tražim deo neba, 2001, und Lokvanj i pelen, 2007. Nach den Gedichtbänden Als rettete mich das Wort, 2011, und Im Steinwald, 2016, beide zweisprachig Serbisch-Deutsch im Leipziger Literaturverlag erschienen, schreibt sie ausschließlich auf Deutsch. 2022 erschien im gutleut Verlag Frankfurt a. M. ihr Gedichtband um | schrift. Seit 2014 zahlreiche Übersetzungen deutschsprachiger Gegenwartslyrik. 2022 wurde Tričković mit einem Stipendium des Deutschen Übersetzerfonds für die Übersetzung von Anja Utlers Gedichtband münden – entzüngeln ausgezeichnet, 2023 mit einem Stipendium des Deutschen Übersetzerfonds für die Übersetzung von Kerstin Preiwuß Gedichtband Rede.
Stadt Granada. Albaicin
Im Helllicht am Ufer von Río Darro
Den Bergrücken hinauf
Von schmalen Gassen verschluckt
Über das Pflaster deine Schritte ihr Hall
Bricht an weißen Wänden du lauschst
Den Reben in den Höfen
In Fenstergittern blühenden Geranien
Zypressen zeigen auf Alhambra
Du siehst von der Stadtmauer die Dächer
Sagst
Ein blauer Steinbruch - dieser Himmel
Blaue Eisenbahn. Nacht
Die ganze Nacht hindurch stöhnt der Zug
Den ersten Berg hinauf
Bis er den Felsenrücken
hat erreicht
Dort bergen sich die Sterne
Vor dem ersten Tageslicht
Der Zug gleitet die Felsenkette hindurch
Unten der Fluss durch die Talflur
Versinkt taucht auf versinkt
Der Zug pfeift
Hält inne die Steinhalden schreien
Du hältst den Mund offen
Warme Felsklippen küssen deine Füße
„Diese Gedichte sind lyrische Impressionen, in deren Mitte ein nicht weiter charakterisierter, individueller Blick steht. Hier nähert sich die Dichterin gelegentlich auch – immer in der ihr eigenen gepflegten Kargheit – einer lautlichen Textgestaltung an. So werden etwa in der serbischen Fassung des Gedichts „Skadarsee“ („Skadarsko jezero“) die im Titel angestimmten Konsonanten „s“ und „k“ leitmotivartig im Gedicht wiederholt, was dem Landschaftsbild etwas Einheitliches und Abgeschlossenes verleiht. In der deutschen Fassung wird ein ähnlicher Eindruck durch die dominanten Zischlaute erreicht. Überhaupt zeigt sich über den gesamten Band hinweg, dass Verica Tri?kovi?, etwas paradox ausgedrückt, weniger in zwei unterschiedlichen Nationalsprachen dichtet als vielmehr in einer einheitlichen Dichtersprache, der sie ein deutsches und ein serbisches Gesicht verleiht. Verica Tri?kovi? ermöglicht damit einen Innenblick nicht nur in das Bewusstsein einer Frau aus einem andern Kulturraum, sondern auch in das dichterische Potential einer Sprachwelt, die Realität eines wachsenden Bevölkerungsanteils in Deutschland und der Welt ist.“ Robert Hodel, Hamburg
"Diese Entdeckungen und Ent-Hüllungen erfreuen durch Abwechslungsreichtum, durch die Standhaftigkeit des Staunens und den Glauben an eine Einvernehmlichkeit der Erlebnisse. Sie fördern die Hoffnung, dass Unmittelbarkeit und Erfindungslust sich gegen alle Gegenkräfte behaupten und zu einer möglichen lebenswerten Welt zurückführen. Erinnerungen an solche Weltzeiten, an die Orte einer stimulierenden Gemeinsamkeit sind die Kraftzentren der Lyrik von Verica Tričković." Horst Fassel
"Die Gedichte von Verica Tričković zeichnen sich aus durch eine dichte, enthaltsame Diktion, dem Schweigen nah. Da, an der Grenze des Sprechens und des Schweigens, des Lärms und der Stille, entsteht das Schwingen ihrer lyrischen Stimme." Stevan Tontić
"In den Gedichten von Verica Tričković bröckelt der Horizont. Beglückt und zugleich verunsichert steht der Leser mit ihr in dem erweiterten Gesichtskreis. Die Bilder wirken jung, frisch, fast beschwingt, selbst wo sie bitter sind. Möge es ihnen glücken, auch aus unserem Horizont neue Sichtschneisen herauszubröckeln!" Sabine Fahl
Leider sind noch keine Bewertungen vorhanden. Seien Sie der Erste, der das Produkt bewertet.
Sie müssen angemeldet sein um eine Bewertung abgeben zu können. Anmelden