Liebesgedichte. Mit Zeichnungen von Britta Schulze
Die schwungvollen Zeichungen von Britta Schulze, dem Zyklus "women in love" entnommen, bringen das Thema - kontrapunktisch - auf den Punkt. Die effektvolle Wucht der Kontraste schafft eine differenzierte Umsetzung von Erotik. Die Texte balancieren zwischen Entrücktheit und irdischer Lust, sie entfalten eine Fülle sinnlicher Gesten und Szenerien und steigern mit ekstatischen Zwischentönen die Intensität des Erotischen, ohne plakativ zu werden.
Viktor Kalinke: geb. in Jena, Studium der Psychologie und Mathematik in Dresden, Leipzig und Beijing, Kreativitäts-Preis der Hans-Sauer-Stiftung, Übersetzung des Laozi und des Zhuangzi, Mitbegründer der Edition + Galerie ERATA, lebt in Leipzig.
"In Kalinkes poetischen Diskurs jagt eine unverhoffte Wendung das andere überraschende Bild, stets kommt es anders, als erwartet, sehr erfrischend und eindringlich." Franz Hodjak
Leseprobe:
Auf geheimen Pfaden
Auf geheimen Pfaden
durch Brennesselgestrüpp
will ich zu dir kommen
Zwischen rostigen Zäunen
verfallener Grenzgarnisonen
treffen wir uns und bleiben
An den Ufern kranker Seen
verschlingt uns bedeutungslos
schäumend das Wasser
Auf dem Grund / im giftigen Schlamm
gekleidet in Chitinpanzer der Krebse
kriechen wir / schartig die Hände
Durch Gärten / in denen die Toten
als Bäume aus der Erde wachsen
werden wir gehen ohne Furcht
Freundin / kühl ist der Wald
und voll von Geräusch / du
erschrickst / schlafend träumst du
dich zurück ins kindliche Vergessen
Betäubt hat dich das Dorf
wogende Gräser wiegen dich
dahinter endet die Welt / eingerahmt
von brachliegenden Feldern
Spähend wach zu sein / wie ein Tier
dich zu benehmen / hast du’s gelernt?
ich erwarte lauernd dich im Wald
zitternd kommst du nach Hause gerannt
Abendmahl
Wie verzehrt man sich?
Mit Pfeffer und Salz?
Am Abend? Am Morgen?
In der Nacht? Eindrücke
wägend vom Tag?
Wohin führt der Schlaf?
Ins Flüsterreich einer Sprotte.
Sie kellnert nachts im Hotel.
Wechselwarm
Zittern. Wippende Zunge.
Ein Frosch auf Fliegenjagd.
Ungewiß. Wie sie ausgeht.
Ob er fängt. Wonach er hungert.
Ihm gegenüber ein zweiter Frosch.
Glotzäugig. Wechselwarm.
Die Zunge herausgestreckt.
Eine Spinne zieht ihre Fäden
zwischen den beiden Erstarrten.
Ein flüchtiger Halt. Sie umgarnt
beide. Bis ihre feuchten Körper
Fühlung aufnehmen. Ein Impuls.
Elektrisch. Zuckt durchs
Strickleiternervensystem. Versteinert
sitzen die Frösche. Ein Monument
der Fanglust. Sie können nicht
wegspringen. Der Sommer
hat sich verspätet.