Gediche, zweisprachig. Aus dem Polnischen von Peter Gehrisch
Urszula Koziols Bittschriften mit ironischer Nebenbedeutung fußen auf jüngster Geschichte und gewähren Einblick in die Tiefenstruktur polnischer Identität. Der vorliegende Band versammelt den sprachlichen Reichtum der Dichterin. Inbegriff ihrer Fremd- und Selbstrecherche sind Gedanken über das Dichten, seinen Einfluß und seine Ohnmacht.
Urszula Kozioł: geb. 1931 in Rakówka (Woiwodschaft Lublin), als Elfjährige Flucht vor den Deutschen, Schule im Untergrund, Studium der Polonistik in Wrocław, 1968 der in Polen stark beachtete Roman “Postoje pamięci“ (Aufenthalte der Erinnerung), Mitbegründerin der Literaturzeitschrift “Odra“, Mitarbeiterin am Theater “Kalambur“, Koziołs Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, u.a.: Arabisch, Englisch, Hebräisch, Hindi, Japanisch, Russisch, Schwedisch, Serbisch, Spanisch, Tschechisch, Ungarisch
"Es entstehen lange Gedichte mit unregelmäßig gebündelten Strophen, Verse, die gelegentlich dramatische Akzente erhalten und damit eine neue poetische Dimension erreichen." Dagmar Nick
Leseprobe:
Stawarzanie rzeki
w pustej zwykłej kartce papieru
jest utajona możliwość rzeki
nad jej bielą
rozwijam biały żagiel
słowa
czuję jak wzbierają wody
jak budzą się pluski
wiry szmery
i jak fala za falą
tuż spod moich palców
gotowa jest runąć
rwąca rzeka
Das Erschaffen des Flusses
auf einem leeren simplen Bogen Papier
ist die Möglichkeit zu einem Fluß verborgen
über sein Weiß
falte ich auf das weiße Segel
des Wortes
fühle wie sich Wasser herandrängt
das Geplätscher erweckt
Wirren und Rauschen
wie Welle um Welle
unmittelbar von meinen Fingern
bereit steht zu stürzen
ein reißender Fluß