Roman. Aus dem Portugiesischen von Rosa Rodrigues
Jasmim ist das brandneue, prägnante und faszinierende Werk eines der vielversprechendsten Autoren der zeitgenössischen portugiesischen Literatur. Eine überraschende und fesselnde Geschichte. Eine Erzählung mit Charme, die den Leser in ihren Bann zieht. Der junge Fé begibt sich auf die Suche nach seiner Mutter, die ihn aus Liebe zu einem Mann auf den Kapverden zurückgelassen hatte, als er noch klein war. Nach einer langen Reise durch den afrikanischen Kontinent landet er schließlich in Ingoré im Norden von Guinea-Bissau. An der Grenze zum Senegal gelegen, treffen hier viele Menschen unterschiedlicher Herkunft, Sprachen und Religionen aufeinander. Ein informelles Umfeld, Überlebensstrategien innerhalb postkolonialer Strukturen, Gratwanderungen zwischen Tradition und Moderne prägen diesen Ort. Fé beschließt sich in Ingoré niederzulassen, nachdem ihm Lua, die Besitzerin eines Verkaufsstands, Arbeit anbietet. Tag für Tag versorgen Fé und Lua ihre Kunden mit guineischen Spezialitäten. Das Geschäft läuft gut und zwischen den beiden entwickelt sich eine enge Freundschaft. Während die Gepflogenheiten der Einheimischen Fé immer wieder in Erstaunen versetzen, übt der Ort Ingoré auf Fé einen besonderen Zauber aus. Alles scheint harmonisch zu sein, bis eines Tages die geheimnisvolle Pipa auftaucht ...
Doch Jasmin ist nicht nur eine gut erzählte, mitreißende und berührende Geschichte, in der ein Sohn sich auf die Suche nach seiner Mutter macht, die er nie kennengelernt hat. Der Autor schickt uns vielmehr auf eine Reise, die zum Nachdenken anregt und uns tief in die Kultur des Volkes von Ingoré mit all ihren Facetten eintauchen lässt. Mit wachsender Neugier und Erstaunen dringen wir in das Dorf Ingoré ein und lernen bis ins Mark die Bräuche ihrer Vorfahren, ihre sonderbare Weltanschauung und ihren geheimnisvollen Aberglauben kennen. Die Menschen von Ingoré sind geradezu typisch für eine geschlossene Gesellschaft, ein einzigartiges Volk mit einem ganz eigenen kulturellen Reichtum, in dem sich ein religiöser Geist mit heidnischen Bräuchen vermischt und einen entscheidenden Einfluss auf sein Verhalten und seine Lebenswiese hat. Seine Kultur zu erfahren, seine Gegenwart zu spüren, überrascht und bereichert uns.
Der eigentliche Kern dieses Werkes besteht nicht nur in der Reichhaltigkeit und Originalität der Geschichte, die in einer jugendlichen, kraftvollen Sprache erzählt wird. Das Werk besticht vielmehr durch seine Fülle an philosophischen Gedanken, die klar formuliert und auf eingängige Weise komplexe Gegebenheiten und Vorgänge skizzieren und uns zum Nachdenken über so wichtige und universelle Fragen wie unsere Rolle in der Welt, unsere familiären Wurzeln und Identität, unsere Beziehung zum Übernatürlichen und vieles mehr anregen. Eine weitere Besonderheit ist, dass jede einzelne Figur uns Lesern Aufschluss über das gesellschaftliche Leben der Bewohner von Ingoré gibt, einer ganz besonderen Dorfgemeinschaft, die am Rio Jasmim lebt. In der Tiefe, mit der uns der Autor mit dieser Dorfgemeinschaft bekannt macht, gewinnen wir nicht nur Einblick in eine dieser Gemeinschaften, die aus den verschiedensten Gründen zu lange isoliert waren, sondern wir lernen auch ein Stück Afrika der Vergangenheit und der Gegenwart kennen.
Die Sprache ist lebendig und ausdrucksstark, mit originellen Vergleichen von erstaunlicher Wirkung (zum Beispiel „liefen Homens und Mulheres Grandes in ihren klatschenden Schlappen an uns vorbei, als wollten sie die Toten verscheuchen“ und „fühlte mich in die Ecke gedrängt, wie eine eingemauerte Seele“). Diese und andere stilistische Mittel sind im ganzen Roman reichlich vorhanden und verleihen ihm einen besonderen Reiz.
Amadú Dafé: in Ingoré, Guinea-Bissau, geboren und lebt seit über zehn Jahren in Portugal. Er hat einen Abschluss in Rechtswissenschaften an der juristischen Fakultät der Universität Lissabon und einen Abschluss in Rechnungswesen an der Nationalen Verwaltungsschule. Er ist Mitglied des Schriftstellerverbands von Guinea-Bissau (AEGUI) und des PEN-Zentrums von Guinea-Bissau. Derzeit arbeitet er als leitender Techniker bei der Zentralverwaltung des Gesundheitssystems (ACSS), die für die Verwaltung des nationalen Gesundheitsdienstes in Portugal zuständig ist. Im Jahr 2021 war er Herausgeber/Organisator der Neuausgabe der Werke von Florbela Espanca mit dem Titel Florbela Espanca - Alma Sonhadora irmã gémea de Fernando Pessoa. Weitere Veröffentlichungen: Ussu de Bissau, 2019 (Finalist für den Literaturpreis der Stiftung Eça de Queiroz und des BCP 2021), Magarias, 2017, und Mitautor in der Anthologie Fora de jogo, 2019 (Sammlung von Kurzgeschichten, in einer Ausgabe zum 25-jährigen Bestehen des KuSiMon-Verlags). Er wurde 2017 und 2015 mit dem José-Carlos-Schwarz-Literaturpreis und 2012 mit dem Internationalen Matilde-Rosa-Araújo-Literaturpreis für Kurzgeschichten für Kinder ausgezeichnet.
Rosa Rodrigues: geb. 1968, lebt und arbeitet in Heidelberg, Studium der Romanistik und Volkswirtschaft in Heidelberg und Coimbra, Dozentin für Literatur- und Fachübersetzen sowie Repräsentantin des Camões-Instituts an der Universität Heidelberg, neben ihrer Tätigkeit an der Universität arbeitet sie als freie Übersetzerin, in der Reihe 'portugiesische bibliothek' erschien 2021 ihre Übersetzung Die Letzte Tragödie von Abdulai Sila.