Gedichte
War Walter Thümlers Gedichtband "Ist jemand da" von einer Vielfalt poetischer Formen geprägt wie Langgedichten, Stanzen, Gedichten über Doppelseiten, Vierzeilern und Fünfzeilern, so ist seine neue Gedichtsammlung von vergleichbar schlichter Formwerdung. Die Texte wechseln zwischen Miniaturen, über die Seite hingestreckten Dithyramben und gedrängter Einstrophigkeit. Thematisch kreisen die Gedichte um das "Wie" zu leben, um körperliche und seelische Zerbrechlichkeit, den Raub am Leben und die schwer einzugestehende Erfahrung von Glück.
Walter Thümler: geb. 1955 in Oldenburg, lebt seit 2008 in Rogätz/Elbe, Lyriker, Übersetzer zeitgenössischer russischer und englischsprachiger Poesie, Herausgeber.
"Seine Gedichte tendieren oft genug zur ganz knappen Form, zum Sinngedicht oder zu jenen spröden Formen, wie sie die Japaner lieben. Eine kleine Beobachtung, eine pointierte Fokussierung, ein stiller Moment." Ralf Julke, L-IZ
⇒ www.l-iz.de/Bildung/Bücher/2012/12/Walter-Thuemler-Was-draus-wird-45435.html
Leseprobe:
schauen wie von unter
der Erde
auf die Erde
(noch nicht bei den Toten)
jetzt stört weder Säge noch
knarrende Tür noch
Autohupen
wenn du dich verläufst
wirst du sehen Was du so
nicht erwartet Aber
Sich-Verlaufen ist
nicht einfach
für Johanna
schwierig und
hart zwischen dem einen und dem
andern Ginsterweiß blüht
daß es ein Glück ist So
still Hinübergerettet
die Flamme setzt nicht
(noch nicht) Wasser in Brand
und Wasser schweigt nicht
(noch nicht) im Feuer Die
Zeit wird noch gezählt
In memoriam Han Shan
selten Augen-
weiß seit du fort bist
zum kahlen Berg
triffst du deine
Gefährten verneigen
die Blumen sich
eigentlich ist
alles einfach
die Sirenen schweigen
die Menschen schweigen
die Dinge schweigen
der mit dem Recht
zur Rede hört
dir jetzt zu