Skizzen aus Ägypten. Mit Texten von Viktor Kalinke
In den Bildern von Marion Quitz spielen die Gesetze der Schwerkraft nahezu keine Rolle mehr. Räume, die im Nichts enden, und weite Ebenen lassen an Wüste denken oder an einen gefrorenen Raum. Schweigen und Stille kann als ihr zentrales Thema aufgefaßt werden, wenn man in den Grafiken den Beziehungen zwischen den Gauklern, Schlangen, verwandelten Tieren und Personen nachspürt.
Marion Quitz: geb. 1969 in Burg, Besuch der sorbischen Oberschule, Studium der Malerei bei Prof. Sighard Gille, der Konzeptuellen Kunst bei Prof. Jochen Gerz und der Neuen Medien bei Prof. Alba d’Urbano an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, Reisen nach Italien und in den Nahen Osten, Mitbegründerin der Edition + Galerie Erata (mit Viktor Kalinke), lebt mit ihren 4 Töchtern in Leipzig
"Die trockene arabische Landschaft verkörpert auch einen Teil der Sehnsucht nach dem Fremden und Andersartigen. Sind diese mit Tusche und Farbe inszenierten lautlosen Stücke sozusagen das Echo der gehörten und gelesenen Geschichten aus früheren Jahren?" Richard Künzel (Goethe-Institut Kairo-Alexandria)
Katharina Zinn
Skizzen aus dem Alten Ägypten
Aus dem Nachwort
Ägypten – ein Land, in dem es kaum regnet, das sich entlang des Nil hinstreckt. Ägypten – wo kein Wasser hinkommt, dort fängt der rot-gelb-braune Wüstensand an.
Was ist leichter: erst über das Alte oder über das neue Ägypten Bescheid zu wissen? Diese Frage ähnelt der berühmten nach der Henne und dem Ei. Schon der Zeitraum zwischen dem Beginn der ägyptischen Kultur um 3200 v.Chr. und dem heutigen Tag impliziert große Unterschiede zwischen dem Einst und dem Jetzt. Es handelt sich um zwei völlig verschiedene Kulturen, die mehr trennt als 5000 Jahre Zeitspanne. Und doch: Nimmt man sich Zeit für dieses Land am Nil, das, in Lebensräumen gedacht, stets nur wenige Kilometer breit, jedoch mehrere hundert Kilometer lang war, so erkennt man die Verbindungen zwischen den Kulturen und Zeiten: diese Verbindungen umfassen nicht nur den einheitlichen geographischen Raum. Läßt man sich auf die lärmende Stille dieses geliebten und manchmal zugleich gehaßten Stückchens Erde ein, so verschwimmen die Zeiten, erfaßt den Betrachter ein Echo, in dem sich „Heute“ und „Gestern“ begegnen. So gesehen ist es egal, mit welcher Epoche man beginnt, das Phänomen „Ägypten“ zu ergründen.
Insofern möchte ich der uns geläufigen linearen Zeitvorstellung im Gegensatz zu der altägyptischen zyklischen Zeit Genüge tun und hier eine kurze Einführung in die Geschichte, kulturelle Abfolge und religiöse Vorstellungen des alten Ägypten geben.
Am Anfang war der – Nil! Oder wie Viktor Kalinke schreibt:
Östlich . am Rand der Sahara . ein Streifen
zuweilen von Palmen gesäumt . nennen wir ihn
Paradies . die Esel weiden auf ihm . ohne zu
schreien . die Kühe strecken sich am Ufer aus
in Strohhütten verstecken sich die Menschen
vor der Februarsonne ...
Ein Bild, das man heute sieht, wenn man sich nur ein bißchen aus dem Moloch Kairo hinausbegibt. Und gleichzeitig ein Bild, das man in Grabreliefs der alten Ägypter entdecken kann.
Der Nil ließ diese konservative und doch stets wieder innovative Kultur entstehen; er bewahrte sie, indem er innerhalb der notwendigen räumlichen Abgeschiedenheit einen Raum zum Leben gab, in dem die altägyptische Kultur sich prägen und festigen konnte. Hier sind die geographisch-ökologischen Voraussetzungen mit der kulturellen Entwicklung sehr eng miteinander verbunden: das bewohnte Niltal liegt als langgestreckte Flußoase eingebettet zwischen unwirtlichen Wüstengebieten. Die Wüste bot Schutz gegen außen, das fruchtbare Niltal schaffte einen sehr guten Lebensraum. Diese konkreten Bedingungen spiegelten sich in den religiösen Vorstellungen der alten Ägypter wieder, angefangen bei den Schöpfungsmythen:
So wie Ägypten bis zum Bau des Nasser-Staudammes in den 60er Jahren alljährlich vom Nil überschwemmt wurde und danach das fruchtbare, durch den Nilschlamm schwarz aussehende Land wieder zum Vorschein kam, stellten sich die Ägypter auch die Schöpfung vor. In den Zeiten des Chaos, der ungeordneten Welt, formierte sich ein Urozean (Nun genannt), aus dem sich ein Urhügel erhob, die Erde. Auf ihr vollzog ein Gott, der aus sich selbst entstanden war, die Schöpfung. Wichtig ist, daß die Ägypter nicht an ein ewiges Leben glaubten: so wie die Schöpfung einen Anfang hat, so wird sie auch ein Ende haben. Man kennt zwar zwei Begriffe, die wir in Ermangelung einer besseren Übersetzungsmöglichkeit „Ewigkeit“ nennen. Diese Begriffe bezeichnen aber einen, wenn auch sehr langen, so doch endlichen Zeitraum. Am Ende wird alles wieder im Chaos versinken, einschließlich aller Götter, um dann eines Tages neu zu entstehen...