2. Auflage 2023, komplett überarbeitet
Der Klassiker vom Weg und seiner Wirkkraft. Aus dem Chinesischen von Viktor Kalinke. Mit Kalligraphien von Thomas Baumhekel
Das Daodejing entstand in einer politischen Wendezeit. Während sich die autoritären Lehren des Konfuzius als Staatsideologie durchsetzten, deren Kenntnis von den Beamten gefordert wurde, war das Daodejing dank seiner vieldeutigen Metaphorik und subversiv-kritischen Aussagen der heimliche Klassiker der gelehrten Beamten. Das Faszinierende des Daodejing besteht in einer einzigartig anmutenden Bündelung kosmischer, seelischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge, die mit Recht als unio mystica bezeichnet werden kann.
Laozi (Schreibweisen: Lao tse, Lao-tse, Lao tzu, Laudse, wörtlich „Alter Meister“, Rufname Lao Dan, Geburtsname Li Er): legendärer chinesischer Philosoph und königlicher Schrifthüter, gilt traditionell als ein älterer Zeitgenosse des Kongzi, im Westen bekannt als Konfuzius (551 – 479). Die Biographie des Laozi, in der der spätere Hofhistoriker Sima Qian (145 – 90) verschiedene Begegnungen zwischen Laozi und Kongzi schilderte, wirkt nach neueren Recherchen weitgehend glaubhaft. Das Buch Laozi wurde vermutlich am Ende des 4. Jahrhunderts v.u.Z. in der Jixia-Akademie zusammengestellt, geht aber auf ältere, mündlich überlieferte oder bislang unbekannte Quellen zurück, die nach stilistischen Analysen zumindest zum Teil etwa aus dem 5. und 6. Jahrhundert v.u.Z. stammen. Der Titel Daodejing wurde der Schrift vom Han-Kaiser Jingdi (188-140 v.u.Z.) verliehen. Die Kanonisierung des Textes in 81 Kapitel findet sich erst in späteren Kommentaren.
Viktor Kalinke: geb. in Jena, Studium der Psychologie und Mathematik in Dresden, Leipzig und Beijing, Kreativitäts-Preis der Hans-Sauer-Stiftung, Mitbegründer der Edition + Galerie Erata, Promotion, Professur, lebt in Leipzig.
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Laozi - was ist neu? (pdf zum freien Herunterladen)
"Es ist eine große Arbeit, die Sie geleistet haben. Ihr Fleiß und Ihre Beharrlichkeit verdienen besondere Anerkennung. Der Nutzen Ihrer Publikation steht außer Frage. Ich wünsche den Bänden, daß sie gut angenommen werden." Prof. Dr. Ralf Moritz (Universität Leipzig, Ostasiatisches Institut)
"Mit großem Interesse studiere ich Ihre Ausgabe vom Daodejing, die interessanteste Ausgabe, die mir bis jetzt begegnet ist." Ulrich Hasler (Trogen, Schweiz)
Kapitel 20
Wirf ab, was du gelernt hast,
und du hast keinen Kummer.
Wie wenig trennen „Ja!“ und „Ah!“ von Heuchelei?
Wie wenig unterscheidet gut und schlecht?
Wenn von dem, was die Menschen fürchten,
die Furcht nicht genommen werden kann,
so hat die Not kein Ende!
Alle freuen und vergnügen sich,
als gingen sie zum Großen Opferfest,
als zögen sie im Frühling auf Terrassen;
nur ich ruhe still und ohne Zeichen,
dem Säugling gleich, der – noch nicht Kind –,
noch nicht gelächelt hat, müde, immer müde,
als fehlte mir ein Ort zur Heimkehr.
Alle leben sie im Überfluß;
nur ich erscheine so, daß man mich bedauern muß.
Eines Narren Herz-Geist hab ich: einfältig, unverdorben;
die gewöhnlichen Menschen sehen klar,
nur ich bin dunkel und wirr;
die gewöhnlichen Menschen unterscheiden scharf,
nur ich bin dumpf und stumpf,
dahintreibend wie das Meer,
unaufhörlich wie der Wind.
Alle verdingen sich nützlich,
nur ich bin unvermögend wie ein Tölpel,
nur ich bin von den anderen verschieden,
und achte die nährende Mutter.
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