Gedichte
Erlkönigs Erlösung versammelt 73 Gedichte aus den Jahren 2010 bis 2015, die die Vielfalt poetischen Sprechens aufzeigen wollen. Sie horchen die Sprache ab nach semantischen und lautlichen Eigentümlichkeiten, graben nach etymologischen Wurzeln und bergen vergessene Worte. Der Versuch einer geschärften Wahrnehmung lässt das „herbstliche Blatt“ zur „Höhenkarte“ werden, nimmt den Thalamus wörtlich, widmet sich ebenso den Höhlungen des Hades wie dem leeren Raum und entlarvt Gott als „genialen Spielzeugmacher“. Die Gedichte führen zu realen und mythischen Orten, die schon immer das dichterische Interesse weckten: nach Kolchis ebenso wie nach Arkadien und zu Orten wie Pompeji, Jerusalem, Venedig oder Cabo Fisterra. Zugleich entpuppt sich das dichtende Ich als „Logopäden-Schreck“ und Kosmopoet. Dazu braucht es die Kollegialität zu Mitverschwörern in Sachen Dichtung wie Brecht, Benn und Schwitters, von denen Gedichte adaptiert werden, und auch die Liebe zu Sagengestalten wie die Loreley, Hekate, Penelope und Philomele. Die Reflexion geht zum politischen Gedicht ebenso wie über „das Dichthandwerk, das einer treibt“. Anspielungsreich und versteckt tauchen die unbekannte Tegernseer Nonne ebenso auf wie die galicische Dichterin Rosalía de Castro. In Rollengedichten sprechen zornige und zärtliche Frauen und Liebesgedichte vermitteln Botschaften zwischen Erotik und postamouröser Trauer.
Myron Hurna: wurde 1978 in Bad Hersfeld geboren, studierte an der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität Philosophie und Neuere Deutsche Literaturgeschichte und schloss das Studium mit einem Magister Artium ab. 2006 Mitarbeit am Literaturprojekt Potyah76/Zug76, einer deutschlandweiten Lesetournee ukrainischer Autoren. Myron Hurna promovierte an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf mit seiner Dissertation Legitimität moralischer Normen.
Veröffentlichungen
- Gedichte in Das Plateau (Nr. 92, 2005) des Stuttgarter Radius-Verlags.
- Gedichte in Kalliope. Zeitschrift für Literatur und Kunst (Nr. 1, 2008) und Essays in der Ausgabe Nr. 3/2008: Die Bibliothek von Alexandria, Galicische Landschaft und Ruhestörung. Der Schlaf in Shakespeares Macbeth.
- 2006: Modernität in der Lyrik Paul Celans. Der poetologische Status seiner Gedichte. Sonnenberg Verlag.
- 2008: Das Alter. Philosophie einer Lebensphase. Sonnenberg Verlag.
- 2011: Einführung in die Lyrik Paul Celans. Athena-Verlag, Oberhausen.
- 2012: Politisierung der Gesellschaft – Politisierung der Literatur? In: 14-Magazin, Heft 4, S. 63-65.
- 2012: Späte Gegenwart. Zur Historisierung des Holocaust. Parodos-Verlag, Berlin.
- 2012: Interview zum Essay Späte Gegenwart im Radio Dreyeckland unter www.rdl.de
- 2013: Vaußt. Eine Diaboliade. Worthandel-Verlag, Dresden.
- 2013: Publikation des Gedichtes Im Schneiderzimmer in der Zeitschrift Ostragehege.
- 2014: Publikation von drei Gedichten in der Zeitschrift S/ash (Nr. 05: Sturz/Flug).
- 2014: Auftritt mit Gedichten im Rahmen des Supreme der Mensa Bar Freiburg am 26. November 2014.
- 2015: Legitimation moralischer Normen. Parodos Verlag, Berlin.
- 2015: Publikation des Gedichts Im Schneiderzimmer im 'Jahrbuch der Lyrik 2015' (DVA).
LESEPROBE:
Ich bin ein Krieger
mit singendem Bogen:
Es blüht die Myrte
sommers an der Sehne
und winters blüht
der Jasmin.
Ich bin ein Krieger
mit singendem Bogen:
Nachts nähe ich mir
Splitter unter die Haut,
tags lausche ich still,
da schöner und schöner
der Gegenbogen singt,
deine Braue.
Mein Herz ist heuer UNGEHEUER
Mein Herz ist heute ungehörig,
so furchtbar schwierig,
dass ich mich gerne trennen würde.
Es bebt und blutet, es webt und wütet
und schreibt mir einen langen Abschiedsbrief
und macht auf chief.
Es ist ein Hohlorgan und lässt sichs wohl ergehn,
es stiehlt Systolen, schießt mit Pistolen
und hat ganz einfach keinen Bock auf Himmelspfortenpochen,
geschweige denn auf Frühlingswochen.
Ich würds ja töten, doch ists nun mal mein vierter
sehr unbequemer Mieter.
Und nur weils hüpft und jauchzt und Unsinn fabelt
und sich wie seltene Korallenwesen gabelt
und Gefühle beizitiert, die es ja gar nicht gibt,
hab ich kein Recht es einzufangen.
Zum Schluss ists dann auch eingegangen.
Die mittlere Verweildauer eines
Dornes
im Herzen
beträgt sieben Jahre.
Sieben Jahre, in denen du
ein Gedicht schreiben kannst,
unbeschadet von Vernunft.