Miloš Crnjanski
geb. 1893 in Csongrad (Ungarn), studierte Philosophie und Kunstgeschichte in Wien, Belgrad und Paris, erzwungenermaßen k.u.k. Offizier im ersten Weltkrieg, Anarchist und Sozialist, zahlreiche Romane, Reisebeschreibungen, Dramen und Essays, übersetzte klassische chinesische und japanische Lyrik, Verfilmung des Romans Seobe durch Aleksandar Petrovic, gründete 1922 verschiedene Zeitschriften, u.a. Puteve (Wege) mit M. Ristic, ab 1928 Kulturattachè in Berlin, Rom und Lissabon für das Königreich Jugoslawien, 1934 Herausgabe von Ideje (Ideen), Emigration nach London, 1965 Rückkehr nach Belgrad, höchste Auszeichnungen, starb 1977 in Belgrad
Miloš Crnjanski zählt zu den herausragenden Autoren der jugoslawischen
Avantgarde. Ihm ist es gelungen, die Schlachtfelder des ersten Weltkriegs
zu überleben und eine Zuflucht zu suchen in imaginären Welten.
Seine poetische Prosa hat die moderne jugoslawische Literatursprache geradezu
erschaffen.
Veröffentlichungen im Leipziger Literaturverlag
![]() |
Ein Tropfen spanisches Blut. Aus dem Serbischen von Hans Volk, LLV 2022 Höchst amüsant beschreibt Crnjanski das ins Peinliche abgleitende Liebesgurren des 60jährigen Königs samt seiner schmachtenden Poesieergüsse für die 25jährige Hochstaplerin. Es folgt das bittere Ende mit Lolas Flucht und Ludwigs Andankung während der Revolution von 1848. So glaubt man, Augen- und Ohrenzeuge all der politischen Ereignisse und Amouren zwischen dem König und der von ihm zur Gräfin Landsfeld erhobenen Lola-Lolita zu sein. Ein Lesegenuss, der nach 52 Jahren nun auch in deutscher Übersetzung vorliegt. |
![]() |
Bei den Hyperboreern, Teil 1. Aus dem Serbischen von Elvira Veselinović, LLV 2013 Die Hyperboreer (griechisch: "jenseits des Nordwinds") sind ein sagenumwobenes Volk, dem die Griechen ein glückliches Dasein im hohen Norden andichteten. Während Milos Crnjanski als Diplomat in Italien weilt, kommt er nicht von den Eindrücken los, die er 1937 in Skandinavien gesammelt hat. In Rom nun erlebt und überlebt er den Zweiten Weltkrieg. Crnjanskis Roman "Bei den Hyperboreern", der hiermit erstmals in deutscher Übersetzung erscheint, trauert nicht dem unwiederbringlich Verlorenen nach, sondern hält eine letzte Hoffnung hoch: eine Wunschvorstellung, Utopie oder reale Traumerzählung. Crnjanski zeigt sich als Erzähler voller Charme und als Autor von europäischem Rang. |
![]() |
Bei den Hyperboreern, Teil 2. Aus dem Serbischen von Elvira Veselinović, LLV 2014 In seinem Spätwerk Bei den Hyperboreern schildert Crnjanski seine Eindrücke von Skandinavien, das er 1937 bereiste, aus der Perspektive eines serbischen Exilanten in Rom während des Zweiten Weltkriegs. „Und während ich da so sitze oder träume zu sitzen, erinnere ich mich, daß die Tundra in Spitzbergen, wenn sie blüht, viel bunter ist als der Pincio, den ich über dem Tiber erblicke.“ Die Bombardierung der europäischen Metropolen und die Judenverfolgung bedeuteten für Crnjanski den unwiederbringlichen Untergang Arkadiens. In diesem Buch geht es Crnjanski nicht darum, dem Verlorenen nachzutrauern, sondern eine letzte Hoffnung hochzuhalten, eine Wunschvorstellung, Utopie oder realistische Traumerzählung. |
![]() |
Ithaka. Gedichte, zweisprachig, aus dem Serbischen von Viktor Kalinke & Stevan Tontic, LLV 2008 Die Ursprünge Crnjanskis liegen jedoch in der Lyrik. Ithaka ist kein harmloses Gedichtbändchen für den Nachttisch. Ithaka ist die grausame Abrechnung mit dem alten Mitteleuropa der k.u.k. Monarchie und in seiner sarkastisch-pazifistischen Haltung aktueller denn je zum Verständnis der fortwährenden Konflikte auf dem Balkan. Crnjanski bricht sowohl mit den Großmachtträumen Serbiens, die sich auf Zar Dušan und das Amselfeld berufen, als auch mit dem verlogenen Humanismus der Westmächte. 1967, acht Jahre nach Erscheinen des Originals, publizierte der Suhrkamp-Verlag Peter Urbans Übersetzung der Kommentare zu Ithaka, die Crnjanski zu seinen Gedichten schrieb. Der im Jahr 1919 in Belgrad für Aufruhr sorgende Gedichtband selbst blieb dem deutschsprachigen Publikum bislang vorenthalten – eine absurde Editionsgeschichte, die mit der vorliegenden Ausgabe endlich ihren Abschluß findet. |
Ithaka-Hörbuch, gesprochen von Miloš Crnjanski und Viktor Kalinke, ERATA 2009 enthält auch einen Kurzfilm zu Crnjanski |
|
Iris Berlina. Aus dem Serbischen von Mirjana & Klaus Wittmann, LLV 2011 Ab 1928 weilte Crnjanski als Kulturattaché in Berlin. Weit davon entfernt, ein passiver und oberflächlicher Beobachter zu sein, gibt Crnjanski nicht nur seine Eindrücke, sondern auch seine Vermutungen und Zweifel wieder, wobei sich manche seiner Schlußfolgerungen als verblüffend prophetisch erweisen sollten. So bemerkt er, der Erste Weltkrieg sei „eigentlich nur die Generalprobe für einen nächsten Krieg“ gewesen, und kommt zu dem Schluß, Deutschland würde, nach dem „Ende der Unbestimmtheit und der Zurückhaltung der heutigen deutschen Außenpolitik und deren Friedfertigkeit“, diesen nächsten Krieg gegen Polen führen. |
Zottelige Pferde auf Island. Aus dem Serbischen von Elvira Veselinović, LLV 2011(Sonderdruck zur Frankfurter Buchmesse) Den über 700 Seiten umfassenden autobiografischen Roman Bei den Hyperboräern, dem der Ausschnitt über Island entnommen ist, schrieb Crnjanski 1940. Am Rande des neuen Weltkrieges, war er damals jugoslawischer Diplomat in Rom. Das Buch ist ein subtiles literarisches Zeugnis über das Ende einer Epoche und zugleich eine anrührende Ode an die Schönheit und den Sinn des Lebens in den Weiten des nördlichen Europas. Fern von Heimat und eigener Sprache, melancholisch durch das faschistische Italien reisend, ahnte Miloš Crnjanski, daß sich ein unbegreifliches Unheil – „der große Krieg“ – unausweichlich nähert. Um einen Ausweg zu finden, vermischt er in seinem Text das Kulturerbe des Südens mit dem antiken Mythos über Hyperborea – „dem Land jenseits des Nördlichen“ – und eigenen Reiseerfahrungen aus dem Jahr 1937 nach Island, Jan Majen und Spitzbergen zu pazifistischen wie auch literarischen Visionen. Das ausgewählte Kapitel „Zottelige Pferde auf Island“ ist ein zeitloser Reisebericht über die Insel „in wahren Farben“ geschrieben, darüber hinaus ein antinationalistisches Plädoyer und ein engagierter Beitrag zur gesamteuropäischen Identität. (Milorad Živojnov) |
Stimmen
Ein
Roman wie ein Tagebuch aus dem Rom kurz vor dem Krieg: Bei den Hyperboreern
Ralf Julke, L-IZ vom 03.05.2013
Eine
Kurzgeschichte vom Traum vom irdischen Frieden: Zottelige Pferde auf Island
Ralf Julke, L-IZ vom 01.12.2011
Mit
hellwachen Sinnen durch das Berlin des Jahres 1929: Iris Berlina
Ralf Julke, L-IZ vom 07.03.2011
Ithaka:
Lyrik aus Serbien – drei Kriege alt
Ralf Julke, L-IZ vom 03.03.2009