gegen die zeit
gedichte
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Über das Buch
Einhundertzwölf Kairologoi chronologisch angeordnet.
Der Verzweiflung so treu wie dem Zweifel.
Es bleiben Fragezeichen.
Und Ironie.
Gedichte wie Tagebucheinträge - Momentaufnahmen.
Aus dem Zeitfluss geborgen, um den Augenblick
zu sich kommen zu lassen.
Und zu uns.
Zitate - aus dem Wörterfluss geschöpft,
um einen Gedanken für sich zu stellen. Nicht, um ihn zu Ende
zu denken,
sondern, um ihn in den Blick nehmen zu können, um
zu bedenken,
was an ihm noch immer unabgegolten bleibt.
Und es bleibt Zärtlichkeit den Wörtern gegenüber.
Denn obwohl diese längst alle Unschuld
abgelegt haben,
dürfen sie in den Texten noch einmal
neu beginnen.
Antworten gibt es keine. Trauer und Wut, Begehren
und Liebe und
Irritationen
- ja, all das. Aber nichts ist fertig.
Lyrik wie Kieselsteine,
die wir vor uns hinwerfen,
um einen richtigen Weg zu finden.
Kairologoi - Worte, die sich zum Ausdruck bringen zu je ihrer Zeit.
Darum ist das Ordnungsprinzip in diesem Band auch
ein chronologisches.
So, wie sich der Kairos als ein Punkt nicht in,
aber doch auf der Zeitlinie
festmachen lässt, ordnen sich
die Gedichte chronologisch an
- nicht ein.
Über die Autorin
Geboren in einem anderen Jahrtausend
und einem verschwundenen Land
lebt Charlotte van der Mele
in wachsender Entfremdung.
Verabschiedet aus
den utopischen Hoffnungen,
sucht sie Wohnung in einer Heterotopie,
in der die Regeln bestimmt werden
von der Poesie
und wo Ethik und Ästhetik
in eins fallen.
Und sie weigert sich standhaft, ihre Ideen für
eine Hoffnung zu verraten.
Kairologoi - gegen die Zeit
ist nach
mein lavendel trägt schwarz
und
ich rede nicht von auferstehung
der dritte Gedichtband von Charlotte van der Mele.
ritual I
ich liebe die zeit vor dem morgen
wenn sich die wörter noch
vom letzen tag erholen
sitze dann im dunkel
die nackten füße auf kaltem boden
und schweigsam neben mir der kater
schwarz wie im becher der kaffee
bin ich tiefes anhalten
und wünsche mir keinen tag
bis unser reden wieder ist
wie ein erkennen und erinnern
selbstverständnisse*
dichterin
sing uns von
der liebe
den feuern der heimat
dem sturzflug der vögel
von der klirrenden schönheit
des eises sing uns
dein lied
ihr irrt
ich sammle nur die späne
der linde
die ihr gefällt habt
*für jan skácel
ein abschied II
die graugans in meiner herzkammer
unbändig
zerreißt ihr schrei die kälte
des sterbenden jahres
ich kann dich nicht schützen
wenn ich dich freigebe
kannst du atmen wenn du es nicht tust
was bleibt
hoffnung haben wir keine mehr
sagt die alte im dorfladen
und räumt die illustrierten aus den
regalen neben tabak und schnaps
eingefahren
wieder unterwegs
zu irgendeinem ziel
auf eingefahrenen gleisen
bahnlandschaften hinter
zugegrauten zugscheiben
ein halt im
kopfbahnhofohnhabfpok
dnu
nerhafretiew riw sla
nih hcim noisulli red zruk hci ebeg
nrednä gnuthcir eid etnnök hci
barbarisch ist es
barbarisch ist es kein gedicht zu schreiben
das leben nicht zu feiern
den rausch nicht ehren ist barbarisch
und keine trauer tragen auch und nicht
im widerspruch zu sein zum vaterland
und seinen werten barbarisch ist’s
nicht nein zu sagen wenn der krieg dich ruft
und das vergessen
die folgen
schon früh hatten sie dir
deinen sinn genommen
säuberlich dafür dein leben
in ihre ziele verpackt
nur hatten sie das glutnest übersehen
an dem dein sinn sich entzünden sollte
jetzt steht ihre welt in flammen
evolution
einst war ich dir ein spiegel
in der kühle des abends
kamst du gern
um dich zu prüfen
ob dein angesicht
in mir sich finde
dein ebenbild
in dem du dich bestätigst
doch ich wurde ein gemälde
mit der zeit
und andere schrieben sich
auf mich
was siehst du heut in mir
gott
wenn du nach hause kommst
morgens mit dir
zerwühlt im morgen liegen wir
aneinander noch verschlungen
in den wunsch
uns tiefer zu erschöpfen
und langsam nur
weckt die begier
nach kaffee uns die sinne
für das hier
und trennen uns
notwendigkeiten
"Es gibt immer noch Gedichtbände, die einen schaffen. Schaffen und erschaffen. Man ist leerer und man ist voller. Gedichte, die bisher fehlten, sind auf einmal da und bauen Sehnsüchte ab, lösen so viel Erlebtes in genannte Erfahrung ein, man kann sich plötzlich frei und beklommen in sich selbst bewegen. Man wurde ausgedrückt und dieses Gefühl ist groß und zugleich winzig, denn du und das Gedicht, ihr seid nur eine*r*s unter vielen. So frei und so fragil; vereinzelt, obgleich verbunden in der geteilten Erfahrung. Die Gedichte von Charlotte van der Mele wirken mit ihrer direkten Art aus der Zeit gefallen – aber genau das ist auch, in Teilen, ihr Begehr. Sie ziehen dem eilenden Augenblick den Hut vom Kopf. Im Angesichts des sich selbst schreibenden großen Ganzen, in dem man selbst Fragment bleibt, suchen sie den am wenigsten fragmentarischen Zustand für das Eigene. Gerade auf dieser Route ist das Zeitverg/wehen natürlich deutlich zu spüren. Die Gedichte leugnen es nicht, begeben sich aber meist in die Opposition, wollen die Option sein oder zumindest eine erahnen lassen. Bei all dem erstaunt die Vielfalt: Kurze ironische Sentenzen, schnell skizzierte Allegorien, schmerzvolle Verlust- und innige Liebesgedichte, Verse über den Krieg in der Ukraine, Läppisches und Lichterlohes, Unaufgeregtes, Zärtliches und Rohes. In den Leseproben kann man sich zusätzlich ein Bild machen." Timo Brandt, 1.4.2024
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