Text und Übersetzung / Zeichenlexikon. Mit Kalligrammen von Thomas Baumhekel
1. Auflage - nur noch solange der Vorrat reicht
Bei den von Viktor Kalinke konzipierten "Studien zu Laozi · Daodejing" handelt es sich um die einzige Ausgabe im deutschsprachigen Raum, die auch den chinesischen Text wiedergibt (orientiert an der Standardversion nach Wang Bi), die ausdrücklich die Mehrdeutigkeiten "des" Originals sowohl in der Übersetzung als auch im Kommentar berücksichtigt, und die ein Zeichenlexikon mit Konkordanz enthält.
Das Faszinierende des Daodejing besteht in einer einzigartig anmutenden Bündelung kosmischer, seelischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge, die mit Recht als unio mystica bezeichnet werden kann.
Eine neuerliche Herausgabe des Daodejing erscheint angesichts der Vielzahl an Übersetzungen überflüssig. Doch gerade die Einseitigkeit der Texte, der Anspruch, eben eine schlüssige Auslegung des chinesischen Originals vorzulegen, begründet die Unzufriedenheit des Lesers, der verschiedene Versionen miteinander vergleicht. Die hier vorgelegte Variante nimmt die mehrdeutigen Passagen als mehrdeutig auf, um die Vielschichtigkeit des Daodejing zu erhalten.
Laozi (Schreibweisen: Lao tse, Lao-tse, Lao tzu, Laudse, wörtlich „Alter Meister“): legendärer chinesischer Philosoph und königlicher Schrifthüter, gilt traditionell als ein älterer Zeitgenosse des Kongzi (Konfuzius). Die Biographie des Laozi, die der Hofhistoriker Sima Qian ??? (145-90 v.u.Z.) schilderte, beruht teilweise auf Legenden, teilweise wirkt sie glaubhaft. Die Laozi zugeschriebene Aphorismensammlung wurde vermutlich am Ende des 4. Jahrhunderts v.u.Z. in der Jixia-Akademie zusammengestellt, geht aber auf ältere, mündlich überlieferte Quellen zurück, die nach stilistischen Analysen zumindest zum Teil etwa aus dem 5. und 6. Jahrhundert v.u.Z. stammen. Der Titel Daodejing wurde der Schrift vom Han-Kaiser Jingdi ??? (188-140 v.u.Z.) verliehen. Die heute übliche Kanonisierung des Textes in 81 Kapitel findet sich zuerst in den Kommentaren von Heshang Gong.
Viktor Kalinke: geb. in Jena, Studium der Psychologie und Mathematik in Dresden, Leipzig und Beijing, Kreativitäts-Preis der Hans-Sauer-Stiftung, Mitbegründer der Edition + Galerie Erata, Promotion, Professur, lebt in Leipzig.
Leseprobe:
Kapitel 1
Über das Dao sprechen, ist möglich
doch nicht als dauerhaft bleibendes Dao
einen Namen nennen, ist möglich
doch nicht als dauerhaft bleibenden Namen
Namenlos / Nichts genannt:
des Himmels, der Erde Beginn
zu Dasein gekommen / benannt:
der zahllosen Dinge Mutter
Darum:
Wer nichts anstrebt / sich dauerhaft Nichtseiendem zuwendet
erkennt daran die (verborgenen) Feinheiten
Wer erfüllt ist von Bestreben / sich dauerhaft Seiendem zuwendet
erkennt daran die (äußeren) Umrisse
Diese beiden:
Gemeinsam treten sie hervor
unterscheiden sich nur nach dem Namen
gemeinsam bedeuten sie das Vielschichtige
Dort, wo das Vielschichtige nochmals vielschichtig ist
liegt die Pforte zu allen Feinheiten