Erzählung
Eine Reise nach Polen, erzählt in einer Nacht. Eine junge Polin redet sich bis ans Bett ihrer stummen Zuhörerin. In der Fremde der Stadt Berlin mit ihrer Neigung zu Frauen konfrontiert, verbirgt und eröffnet sie Einblicke in ihre Heimat. In frisch gelerntem Deutsch, das sich zwischen Gelingen und Scheitern, großer Geste und Zerbrechlichkeit, Poesie und Prosa bewegt, kommt das absurde Verhältnis von Polen und Deutschen am Beginn dieses Jahrhunderts zur Sprache.
"Ich schlafe die ganze Nacht nicht. Wer ist schuld? Gott oder das Gesetz? Hast du das Wetter heute gemacht? Und warum kommst du niemals nach Krakau?"
Katrin Heinau: geb. 1965 in Berlin, Studium Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Germanistik an der Freien Universität Berlin, während des Studiums und danach langjährige Arbeit im Buchantiquariat, Schauspielausbildung, Dramaturgin und Schauspielerin in Freien Gruppen in Berlin, Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache, 2004 Geburt der Tochter Amanda, schreibt Erzählungen und Theaterstücke (bisher in Nordhausen, Magdeburg, Berlin, Köln und Hamburg aufgeführt), lebt in Berlin
"Böse und treffend beobachtet..." Robert Mießner, junge welt
"Katrin Heinau hat die wenigen überlieferten Fakten kunstvoll in ihr Hörspiel eingewoben, ihre Realität dabei hinterfragend und in der Schwebe lassend. Die Möglichkeiten eines Hörspiels werden souverän genutzt, mehr noch als Orte zeigen die Geräusche die Zeiten an. Mehrere Zeichnungen des Berliner Künstlers Jan Brokof im Booklet runden die gelungene Produktion ab." Patrick Beck, Ostragehege
"Witzige Situationen und zugleich kluge Sprachreflexionen." Susann Hannemann, Kunststoff
“Der beherrschte, amüsante Stil entfaltet auch wegen des weitgehenden Verzichts auf Kommata von Beginn an einen enormen Sog. Beinahe unbemerkt wird der Leser in die locker hingestreuten, häufig und schnell wechselnden Erzählinseln geworfen.” Jan Wenke, Ostragehege
"Beeindruckt an 'Der Papst ist ein Schwede' hat mich die Sprache. Eine Polin nähert sich einer Deutschen an, und sie nähert sich gleichzeitig der deutschen Sprache an; die durchs Polnische unterfütterten Sätze glätten sich im Verlauf der Erzählung und werden "deutscher". In der Tatsache, dass nur die Polin spricht und die Deutsche nicht hörbar ist, wird ganz unmittelbar (weil ganz offensichtlich durch den Kunstgriff, nur eine sprechen zu lassen) ein wahrscheinlich sehr wahres Grundverhältnis zwischen Deutschen und Polen deutlich: Polen beschäftigt sich sehr mit dem großen Nachbarn, für die Deutschen ist Polen ein Nachbar unter vielen, und zwar einer, um den man sich recht selten kümmert. Dass das individuelle Verhältnis der Frauen untereinander anders ist, sieht man schon an der Richtung der Reise von Berlin nach Krakau. Die Spannung zwischen diesen beiden gegensätzlichen Beziehungen - der globalen und der individuellen - gibt dem Text viel Leben." Rüdiger Käßner, Hamburg
"Wie eine neugierige Ethnologin nähert sich Katrin Heinau der, von Berlin aus gesehen, geographisch zwar benachbarten, aber kulturell Lichtjahre entfernten Welt des polnischen Katholizismus an. Das gelingt ihr so gut, dass sie selbst Katholiken neue Einsichten eröffnen kann." Luca Di Blasi, Berlin
"Wer schlaflos ist, muß seine Träume sprechen lassen. Zwei liegen nah beieinander, doch die Stimme derer, die erzählt, kommt von weit her. Aus einer langen Röhre scheint der unerschöpfliche Redeschwall ins Ohr zu dringen. Sätze, Bilder, die der Logik eines Menschen folgen, der unbehaust in einer fremden Sprache sitzt. Aber geredet werden muß. Denn diese Irrfahrt durchs Deutsche ist nichts anderes als der Versuch einer Liebeserklärung. Wenn man kein anderes Mittel weiß als das Reden. Unaufhörlich, zwingend. Im Glauben: Solange Worte sind, ist Lieben möglich. Schöner kann man nicht darum bitten, einer einsamen Stimme zärtlich etwas zu erwidern." Julia Schoch
Leseprobe:
Deutsche Leute schlafen sieben bis acht Stunden, ich schlafe vier oder fünf. In Polen schlafe ich normal. Aber hier, das ist unmöglich. Die Uhr geht anders, ich habe keine Zeit. Ich brauche viel Zeit, um zu verstehen. Ich brauche vielleicht drei Stunden mehr Zeit am Tag zum Verstehen. Ich bin schnell, aber langsam. S-Bahn oder U-Bahn, Potsdam-Berlin, Friedrichstraße-Leinestraße, Hermannplatz-Blissestraße, fährt schnell und ich denke, ganz langsam, was hat die Kollegin eben gemeint? Was hat die Chefin gerade gesagt? Ich schreibe das auf, ich schlage Wörter nach, mein Deutsch fährt entgegengesetzt. Dann kommt meine Station, aber mein Deutsch steigt da aus, wo ich losgefahren bin. Das ist Schock jedes Mal, das ist nicht normal. Und dann kommt Person, die ich kenne. Dann könntest du kommen in Zukunft. Du sagst, hallo, liebe Freundin, und ich kann antworten. Hallo, na wie geht’s? Und es geht. Du bist da, und es geht und ich bin an diesem Platz, an dem ich gar nicht ankommen konnte, da bin ich und lerne dich immer besser kennen. Jedes Mal, wenn du Hallo sagst, kenne ich wieder ein Stück.