Geschichtsphilosophische Glossen mit Zeichnungen von Elke Pollack
"Das Moderne ist eine Mehrheit, die man tolerieren muß." Jede Auflehnung gegen die Zeit - und gegen ihre selbsternannten Agenten - endet mit einer Niederlage. Doch keine Niederlage gleicht der anderen. Alles hängt davon ab, wie man sie zu ertragen versteht. Die fünf Kapitel dieses Aphorismenbuches zeigen fünf Haltungen, mit denen Menschen sich ihre Ohnmacht gegen die Zeit erträglich machen: Sarkasmus, Wehmut, Resignation, Ironie, Heiterkeit.
Für die Texte von Jürgen Große hat die Malerin Elke Pollack Bildmotive ausgewählt, die eine zweite Stimme hörbar werden lassen: zuweilen Doppelklang, zuweilen Divertimento.
Jürgen Große: geb. 1963, habilitierter Historiker und Philosoph, lebt als freier Autor in Berlin, Auszeichnungen: Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste (2006), Preis der Jungen Akademie an der Berlin-Brandenburgischen AdW und der Leopoldina (2009)
"... ein freier und stilsicherer Geist ..." Neue Zürcher Zeitung
"Er ficht mit dem Florett, was bekanntlich nicht ausschließt, daß man ins Herz treffen kann." Mannheimer Morgen
"... der Scharfsinn und Wortwitz des Autors bereiten unbändiges Vergnügen ..." universitas
Inhaltsverzeichnis:
I ALTERTUM 08D0C9EA79F9BACE118C8200AA004BA90B02000000080000000E0000005F0054006F0063003200340039003200300031003400340033000000000000000000
II ERINNERUNG08D0C9EA79F9BACE118C8200AA004BA90B02000000080000000E0000005F0054006F0063003200340039003200300031003400340034000000000000000000
III HISTORIEN08D0C9EA79F9BACE118C8200AA004BA90B02000000080000000E0000005F0054006F0063003200340039003200300031003400340035000000000000000000
IV GESCHICHTE08D0C9EA79F9BACE118C8200AA004BA90B02000000080000000E0000005F0054006F0063003200340039003200300031003400340036000000000000000000
V NEUZEIT PAGEREF _Toc249201447 h 77 08D0C9EA79F9BACE118C8200AA004BA90B02000000080000000E0000005F0054006F0063003200340039003200300031003400340037000000000000000000
Leseprobe:
I
ALTERTUM
Einen Schluck Vergangenheit. Man fühlt sich doch gleich ganz anders.
Am Anfang war gar nichts nötig. So könnten gewisse Bücher anfangen.
Kommt nicht jeder Anfang aus verratener Vergangenheit?
Die Vergangenheit ist, was die Geschichte an Solidem zu bieten hat.
Die Vergangenheit ist älter als die Natur und die Geschichte zusammen, oder vielmehr, beide übertreffen ihr Altertum täglich ohne Erfolg.
Gegenwart ist der Schaum, den Vergangenheit täglich von neuem schillern läßt.
Die Zeit gewöhnt an eine Gegenwart, die nicht Nähe ist.
Zeitgenossenschaft, Klüngel der Lebendigen.
Es gibt kein Gespräch mit der Vergangenheit, nur das Verhör. Was sollte sie uns schon fragen?
*
Konservativ sein, wer wollte das nicht. Doch da ist nichts zu konservieren als der letzte Fortschritt.
Alte Geschichte: ständige Rückfrage nach dem Maßstab. Neuere Geschichte: ständiges Maßnehmen der Rückfrage.
Wehmütig der Zeit hinterher, da man sich noch verkleinern durfte – da es von Übergroßgeratenen nur so wimmelte.
Nach einer Vergangenheit verlangen all jene, de-nen an der Seriosität ihres Trübsinns liegt.
Reich darf die Zeit heißen, die ihre Altertümer nicht ausgraben muß.
Das erste, was der Neuling in einer neuen Welt vernimmt: dieses Winseln nach Altertum.
Vergangenes umgibt dich bereits so sehr, daß du Heimweh und Vergeßlichkeit nicht mehr unterscheiden kannst.
Den Verehrten ist nicht zu trauen. Aber auch nicht den Vergessenen.
Wer vergessen will, darf nicht schweigen, son-dern muß reden.
Man kann gar nicht soviel dazulernen, wie man vergessen müßte.