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Fernando Pessoa

geb. am 13. Juni 1888 in Lissabon, 1893 Tod des Vaters, 26. 7. 1895 erstes Gedicht, Januar 1896 Mutter heiratet João Miguel Rosa, den portugiesischen Konsul in Südafrika, Umzug nach Durban, Besuch einer Schule mit englischer Ausbildung, 1905 Rückkehr nach Lissabon, Arbeit als freier Handelskorrespondent, in der Freizeit Schriftsteller, Gründung einer Druckerei und dem Verlag Ybis mit Hilfe einer kleinen Erbschaft, Konkurs nach kurzer Zeit, 1912 beginnt Tätigkeit als Literaturkritiker und Essayist für verschiedene Zeitungen, u.a. A Águia, 1915 Herausgeber der Zeitschrift Orpheu (ab der 2. Nummer, mit Mário de Sá-Carneiro), Einstellung von Orpheu, weil Campos den Straßenbahn-Unfall des demokratischen Politikers Afonso Costa ungeschickt kommentierte Theaterstück: O Marinheiro (Der Seemann), Gedichte: Chuva oblíqua (Schräger Regen) - F. Pessoa, Ode Marítima (Meeres-Ode) - Álvaro de Campos, Heteronyme: Alberto Caeiro, Ricardo Reis, Álvaro de Campos und Bernardo Soare, 1934 Gedichtband Mensagem (Botschaft), 1935 Brief an den Kritiker Adolfo Casais Monteiro, in dem er die Entstehung der Heteronyme offenbart, 30. 11. 1935 Pessoa stirbt an einer akuten Lebererkrankung im Hospital São Luis dos Franceses in Lissabon, seit 1985 Überführung der Gebeine in das portugiesische Nationalheiligtum, das Hieronymus-Kloster in Belém.

Im Leipziger Literatuverlag

Juden und Freimaurerei. Essay, LLV 2006

Pessoa gilt nach Luís de Camões als bedeutendster Lyriker Portugals; ist einer der wichtigsten Dichter der portugiesischen Sprache und gehört zu den bedeutendsten Dichtern des 20. Jahrhunderts. Das Livro do desassossego (Buch der Unruhe) gilt als sein wichtigstes Werk. Es ist in der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts mit seiner collagenartigen, Assoziationsketten folgenden Stilistik einzigartig. Überdies ist es in seinem existentiellen Ton nur noch den Werken eines anderen Verfassers großartiger philosophischer Literatur vergleichbar: denjenigen des Philosophen Friedrich Nietzsche.

Pessoa war zu Lebzeiten nur von wenigen Freunden als Dichter geschätzt bzw. anerkannt. Seine Manuskripte landeten hauptsächlich (und unveröffentlicht) in einer Truhe. Bei seinem Tode umfasst diese über 24000 Fragmente. Neben Prosa und Dichtungen gehören dramatische Skizzen, politische und soziologische Schriften zu einem epochalen und großartigen Nachlaß, der immer noch nicht vollständig redigiert und veröffentlicht ist.
Pessoa war der Meinung, daß das monarchische System für eine organisch imperiale Nation wie Portugal das geeignetste sein würde. Gleichzeitig ist er der Ansicht, daß die Monarchie in Portugal völlig aussichtslos ist. Deshalb würde er, wenn es eine Volksabstimmung über Staatsformen gäbe, zu seinem Leidwesen für die Republik stimmen. Konservativer englischen Stils, das heißt, liberal innerhalb des Konservativismus, und vollständig anti-reaktionär.

Pessoa sah sich als gnostischer Christ und deshalb gegen alle organisierten Kirchen, vor allem gegen die Kirche Roms. Der Geheimtradition des Christentums blieb er treu, die enge Beziehungen zur Geheimtradition in Israel (der heiligen Kabbala) und der okkulten Essenz der Freimaurerei unterhält. Er war Parteigänger eines mythischen Nationalismus, aus dem jede römisch-katholische Infiltration ausgeschieden ist, wozu nach Möglichkeit ein neuer Sebastianismus geschaffen werden sollte.

Kurz vor dem Aufstieg des Nazismus wurde in Europa heftig über Judentum und Freimauerei gestritten. In seinen unveröffentlichten, mit der Maschine auf Englisch niedergeschriebenen Überlegungen durchschaut Fernando Pessoa die „Protokolle der Weisen von Zion“ als Denunziation. Wie Lessing versucht er im Judentum einen zivilisatorischen Archetypus zu sehen, den Schritt vom Poly- zum Monotheismus.

Was die Religion Christi anbelangt, so unterscheidet er sie nachdrücklich vom päpstlichen Katholizismus, dem er abschwört zugunsten von etwas seiner Realität und seinem Geheimnis nach Größerem: der universalen Brüderlichkeit der Menschen vor Gott.

Pessoa verteidigt die "ideale Initiation", mit deren Hilfe dem guten Bürger eine untadelige moralische Lebensführung und die Öffnung für eine wahre Kultur des Denkens gelingt. Für dieses Ideal wurden die Freimauerer 1738 von Papst Clemens XII exkommuniziert. Um die Vision eines Messianismus zu stützen, beschwört Pessoa das „niedere Heidentum“, das sich für ihn in einen schöpferisch harmonischen „Neo-Paganismus“ verwandeln wird, und das „niedere Judentum“, das er als Beispiel des Mystizismus und einer ethisch metaphysischen Spiritualität (wie jene bei Spinoza) anerkennt.

“Kierkegaard und Pessoa waren, abgesehen von den äußeren Umständen ihrer Biografien, vor allem Zeugen - und zugleich die theologische, philosophische und poetische Verkörperung - des Werteverfalls ihrer Zeit, der bis jetzt anhält. Diese Krise ist allen westlichen Ländern gemeinsam, obwohl sie in jedem Land eine spezifische Ausprägung annimmt hinsichtlich der lokalen Bedingungen, der geschichtlichen Traditionen, der gegenwärtigen Hoffnungen oder Wünsche.” (Joel Serrão)

 

 

 


 


Leseprobe
aus: Juden und Freimaurerei

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