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Miloš Crnjanski

aus: ITHAKA

Život

Sve to ne zavisi od mene.

Setim se kako beše lep,
nad vodama dubokim nekim,
kao Mesec beo,
sa lukom tankim i mekim,
jedan most.

I, vidiš, to, uteši me.

Ne zavisi od mene.

Dosta je do toga dana,
zemlja oko mene zamiriše preorana,
ili da oblaci prolete,
malo niže,
pa da me to potrese.

Ne, ne od mene.

Dosta će biti ako, jedne zime,
iz vrta jednog zavejanog,
istrči neko ozeblo, tuđe, dete
i zagrli me.


Beograd, 1920.


Leben

All das hängt nicht von mir ab.

Ich entsinne mich, schön war sie,
übers tiefe Wasser gespannt,
wie der weiße Mond,
mit schmalem, weichem Bogen,
jene Brücke.

Und, siehst du, das tröstet mich.

Es hängt nicht von mir ab.

Es genügt, daß an diesem Tag
die gepflügte Erde um mich herum duftet,
und daß die Wolken etwas
tiefer vorüberziehen,
und daß mich das berührt.

Nein, nicht von mir.

Es wird genügen, wenn im Winter
aus einem schneeverwehten Garten
fröstelnd ein fremdes Kind eilt
und mich umarmt.


Belgrad, 1920.

Aus dem Serbischen von Viktor Kalinke & Cornelia Marks

 

Serenata

Čuj, plače Mesec mlad i žut.
Slušaj me, draga, poslednji put.

Umreću, pa kad se zaželiš mene,
ne viči ime moje u smiraj dana.
Slušaj vetar sa lišća svelog, žutog.

Pevaće ti: da sam ja ljubio jesen,
a ne tvoje strasti, ni članke tvoje gole,
no stisak granja rumenog uvenulog.

A kad te za mnom srce zaboli:
zagrli i ljubi granu što vene.
Ah, niko nema časti ni strasti,
ni plamena dosta da mene voli:

No samo jablanovi viti
i borovi pusti ponositi.
No samo jablanovi viti
i borovi pusti ponositi.

Potkamien, u Galiciji, 1915.

Serenade

Hör, wie der Mond weint, jung und gelb.
Hör mich, Liebste, noch ein letztes Mal.

Ich sterbe, sehnst du dich zurück nach mir,
rufe, wenn der Tag sich neigt, nicht meinen Namen.
Hör den Wind im gelben, welken Laub.

Er singt dir: den Herbst hab ich geliebt,
ich liebte weder deine Lust noch deinen Leib,
nur die Umarmung der rot verwelkten Zweige.

Und wenn du dich im Herzen nach mir sehnst:
umschlinge und küsse einen toten Ast.
Ach! Ehre fehlt und Leidenschaft,
mich zu lieben, hat kein Feuer genug Kraft:

Nur die Pappeln, hochgewachsen schlank,
und die Föhren, stolz und einsam, krank.
Nur die Pappeln, hochgewachsen schlank,
und die Föhren, stolz und einsam, krank.

Potkamien, in Galizien, 1915.

Aus dem Serbischen von Viktor Kalinke & Stevan Tontic

 

aus: IIRIS BERLINA

Erscheinungen und Dinge in Deutschland sind keineswegs farblos, sie sind im Gegenteil von einer üppigen, prächtigen Farbenvielfalt, oft herb und gerade deswegen unvergesslich.

Der Nebel, das Fehlen der Farben und der graue Himmel, die wir uns über Preußen gewöhnlich vorstellen, gehören zu den vielen irrigen und überholten Informationen, die früher über die deutschen Länder und das deutsche Leben verbreitet wurden.

Ein tieferes, saftigeres Grün als das der Wälder um die außergewöhnlich blauen Seen im Norden Deutschlands kann man schwerlich finden, ja sich nicht einmal vorstellen. Eine breite Farbskala, die bis zu ganz faszinierenden Grüns reicht; darüber leuchtet der preußische Himmel – im Sommer von einem ungewöhnlichen Opal, das im Winter noch reiner wird.

Die Veränderungen dort sind nicht farblos, die Menschenwerke nicht grau.
Die Überschreitung der Grenze ist zwar immer noch nicht denkbar ohne die steifen, so oft geschilderten Zollbeamten und Wachposten, doch auch diese geben ein prächtiges Bild ab. Das bayrische Blau, das sächsische Grün, das rheinländische Rot, das preußische Gelb tauchen immer wieder vor dem Reisenden auf.
Mit seinen blauweißen Ärmeln dirigiert der bayrische Schutzmann auf einem in ebensolchen Farben gestrichenen Podest den dichten Verkehr. Ein Zug, der sich an der deutschen Grenze in eine streng vorgeschriebene Reihe von Waggons und Abteilen für Raucher und Nichtraucher, für Damen und für Reisende mit Hunden verwandelt, führt immer einen roten Schlafwagen mit sich. Einer der größten und neuesten Bahnhöfe der Deutschen Reichsbahn, der Leipziger Bahnhof, ist eine gewaltige Konstruktion aus Eisen, Stahl, Beton, Asphalt und Stein, das Wichtigste daran sind jedoch die Farben. Die Signale, die Weichen, die Zeichen in allen möglichen geometrischen Formen, aufgestellt an den wichtigsten Punkten, haben ihre eigene, kausale Reihenfolge, die sich entlang den Schienen mit roten, grünen, blauen und phosphoreszierenden Lichtern auch nachts bis weit in die Ferne fortsetzt. Dieser Bahnhof ist großartig als Bauwerk, aber noch bedeutender und noch „deutscher“ ist, insbesondere nachts, das Zusammenspiel seiner bunten Kreise, Sterne, Pfeile Parallelen, Ellipsen. Man kann es wie den Sternenhimmel außerhalb des Gebäudes stundenlang in Gedanken versunken betrachten.

Der erste Eindruck von deutschen Bauwerken an den Flüssen, zwischen den Docks, den Kränen, den Flaschenzügen und den Schiffen besticht ebenfalls durch eine Vielfalt an Farben. Die Häfen, sowohl am Rhein, als auch im hohen preußischen Norden, sind weder schwarz noch grau. Vielleicht macht das die Nähe des Meeres.

Die Bilder vom deutschen Leben, die man unterwegs aufschnappt, sind ganz und gar nicht düster. Es wäre zwar übertrieben zu behaupten, dass die Erde, die alte Erde unter den wuchtigen Bauwerken, die man entlang der Eisenbahnlinie, vom Fluss aus oder aus dem Flugzeug sieht, verschwunden ist: man kann jedoch nicht übersehen, dass Teile der Natur, dass ihre Farben an Bedeutung verloren haben. Die Erde verschwindet zugunsten immer neuer von Menschen geschaffener Werke, Gebäude und Fabriken, und die Farben der Erde weichen oft den Farben der Reklame für die Industrie. Denen gegenüber wirken die Farben der Kornfelder fast schon unnatürlich.

Die Anhäufung bunter, von Menschenhand geschaffener Werke ist mancherorts schon so groß, dass sie den Eindruck eines Farbenwirbels hinterlässt, was bei der Natur nie der Fall ist. Mitnichten eine graue und farblose Welt, wie von Schriftstellern und Reisenden verbreitet wurde.

Im Gegenteil, das Bild, das man sich vorstellen muss, hat große, stark farbige Flächen, riesige bunt angemalte Quadrate und Rauten, darin gigantische Eisenkonstruktionen in ständiger Bewegung. Flaschenzüge, gezahnte Schienen, Pyramiden, Palmen aus Stahl schaukeln und gleiten, bleiben über geschwungenen Bögen und Brücken stehen. Große glühende Blocks werden in die Höhe gehievt und erbeben unter den donnernden Schlägen blauer Hämmer, die imstande wären, ganze Straßenzüge niederzureißen. Reges Straßentreiben unter mehrstöckigen Türmen und Glasflächen, in denen sich die Sonnenstrahlen brechen. Das Leben spielt sich nicht mehr zwischen Frühling, Herbst oder Winter ab, sondern zwischen den Aussparungen und Dächern architektonischer, optischer oder elektrotechnischer Zweckbauten. Aber auch in dieser neuen deutschen Romantik ist der Grundton nicht das Grau, nicht die Farblosigkeit, sondern vielmehr das Rot, das Gelb, das Blau, das durchsichtige und das feurige Grün.

Das graue und farblose Beamtendeutschland gibt es nicht mehr; Spuren davon sind nur noch in alten, düsteren, verregneten Provinzstädtchen zu finden. Dort wird noch das Schwarz der Militärmäntel beschworen, als gäbe es auf den Ziffernblättern altmodischer Uhren dafür eine besondere Stunde.

Ansonsten ist ganz Deutschland voller Farben, äußerlich wie innerlich. Sie sind für den Fremden herb, jedoch kräftig und schillernd.

Aus dem Serbischen von Mirjana und Klaus Wittmann

 

aus: Zottelige Pferde auf Island

Als ich in jener Nacht nach Hause kam, setzte ich mich hin, um den Anfang des Reiseberichts aus Island abzuschreiben, den der Leser nun jetzt liest.
Island ist eine ferne, große, Insel, groß wie Bulgarien, auf dem Weg in polare Gefilde, und wurde als letzte von allen europäischen Ländern besiedelt. Man sagt, die antiken Griechen hätten über diese Insel nur Seefahrer-legenden gekannt.
Man dachte, dort beginne eine unbekannte Welt, wo irgendwelche merkwürdigen Menschenwesen leben: die Hyperboräer. Die Römer dachten, dort sei das Ende der Welt, sie nannten es, sagt man: Thule ultima. Thule, am äußersten Ende.
Jetzt ist es das modernste Land unter den nordi-schen Ländern entlang des Ozeans.
Ich kannte diese Insel, bis zum Jahre 1937, nur aus der Schule, und aus dem Roman, den Loti geschrieben hat, über die isländischen Fischer.
Der Meeresboden dort, zwischen den englischen Inseln und Grönland, besteht aus Basalt, vom vulkani-schen Typ, der sich aus den Tiefen bis zu 400 Meter un-ter der Meeresoberfläche erhob. Die Vulkane, die hier den Basalt auswarfen, den flüssigen, schufen, sagt man, Island. Die Formen seiner Küsten sind auch jetzt phan-tastisch, und das Meer um die Insel herum ist auch jetzt wild und stürmisch. Es ist kein Wunder, denn man rechnet, dass der Basalt des Meeresbodens, der sich hebt und senkt, um die 3000 Meter hoch ist. Der Leser kann sich vorstellen, wie stark die Kraft der Natur auf diesem Weg zu den Hyperboräern ist. Auch mein Schiff stand hier, im Nebel, vor Reykjavik, vor der Anlegestel-le, den ganzen Tag, und konnte nicht in den Hafen einlaufen. Die Schiffsglocke läutete jede Stunde, wie eine gespenstische Kirche. Und vom Festland antwortete, heulend, eine Sirene. Island war hier, vor uns, aber das Schiff konnte sich ihm nicht nähern.
Auf dem Schiff wurde während dessen die evangelische Liturgie gefeiert, und der Pastor murmelte im Sa-lon, laut, Gebete für uns alle. Durch dieses Murmeln hörte man auch Vogelgezwitscher in den Käfigen am Fenster.
Nie hatte ich so ein Gefühl der Schiffseinsamkeit, wie in jenem Moment.
Auf Island allerdings war in diesem Jahr alles ruhig.
Die letzte Vulkaneruption war im Jahre 1924. Obwohl es dort auch jetzt 130 Vulkane gibt, wurde die letzte, größere – katastrophale – Eruption im Jahre 1783 verzeichnet. In jenem Jahr meldete sich der Vulkan namens Laki zu Wort. Seine damals ausgeworfene, jetzt bereits versteinerte, Lava umfasst eine Fläche von ca. 40 Quadratkilometern. Um mir den Schrecken jenes Tages vorstellen zu können, sagt man mir, das erste An-zeichen dessen, was danach kam, war eine riesige Wol-ke, wie auch damals, als Pompeji verschüttet wurde, in der Nähe von Neapel. Nach der Wolke erschienen in der Luft Feuersäulen, und die Flüsse auf der Erde trockne-ten aus. In wenigen Minuten hatte sich der Fluss Skaftá , der 400 Meter breit ist, in Dampf verwandelt. Island erbebte vom Donner und unterirdischem Brodeln. Ende September dauerten die Eruptionen fünf Tage an, un-unterbrochen. Der große Schriftsteller Islands, Gunnar Gunnarson, sagt: die Leute sahen damals mit eigenen Augen, ihre Häuser zum Meer stürzen, in den Abgrund. Sie erstickten im giftigen Rauch neben dem Blitzstrahl und dem Feuerzischen aus der Erde, die bebte. Diejenigen, die auf den Weiden überrascht wurden, standen in Asche bis zu den Knien. Sie konnten die Todesqualen ihres Viehs mit ansehen. Der Nachbar sah des Nachbarn Haus schwimmen und im Flammenfluss taumeln, und verschwinden.

Aus dem Serbischen von Elvira Veselinovic

 

Zu den Übersetzern:
- Viktor Kalinke, Stevan Tontic
- Elvira Veselinović
- Mirjana & Klaus Wittmann

Zu den Büchern:
- Ithaka, Ithaka-Hörbuch
- Iris Berlina - Zottelige Pferde
- Hyperboreer 1

Stevan Tontić über ITHAKA
Crnjanski im Deutschlandradio