Gedichte. Aus dem Serbischen von Mirjana & Klaus Wittmann
Mit schockierender Direktheit artikuliert Radmila Lazic Dinge, über die man gewöhnlich schweigt, und gilt als "die einzige Katze in der serbischen Poesie, die kratzen kann". Unerschrocken nennt sie die Dinge beim Namen, schwimmt gegen den Strom und bricht Tabus, wobei sie sich nicht scheut, im patriarchalischen Serbien über die Wünsche, Bedürfnisse und Begierden der Frauen zu sprechen. Es ist ein völlig neuer Ton, den Radmila Lazic in die Lyrik einbringt, zumal diese Gedichte eine direkte, alltägliche und dennoch poetische Sprache sprechen. International bekannt wurde die serbische Dichterin Radmila Lazic dank der Übersetzung durch Charles Simic. Die vorliegende Ausgabe stellt sie nun erstmals den deutschsprachigen Lesern vor.
Radmila Lazic: geb. 1949 in Krusevac, Mitglied im serbischen P.E.N., veröffentlichte zahlreiche Gedichtbände und erhielt in Serbien renommierte Literaturpreise, lebt in Belgrad.
"Ein bitter notwendiger Gedichtband!" Elena Messner, mdr figaro
"Haben Sie einen Favoriten? Im Leipziger Literaturverlag erscheint ein Buch der Lyrikerin Radmila Lazic, "Das Herz zwischen den Zähnen". Sie gilt als einzige Katze in der serbischen Poesie, die kratzen kann. Auf diese Texte bin ich besonders gespannt." Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse, LVZ
Herz und Zähne - Die berückenden Gedichte der Serbin Radmila Lazi?
von Ilma Rakusa, Neue Zürcher Zeitung
⇒ www.nzz.ch/magazin/buchrezensionen/herz_und_zaehne_1.10426504.html
Die bissig-schönen Gedichte eines altmodischen Mädchens: Das Herz zwischen den Zähnen
Ralf Julke, L-IZ
⇒ www.l-iz.de/Bildung/Bücher/2011/03/Radmila-Lazic-Das-Herz-zwischen-den-Zaehnen.html
Zerstört das Klischee: Serbiens Frauenpower, rasierklingenscharf
Dorothea von Törne, DIE WELT
⇒www.welt.de/print/die_welt/vermischtes/article12590816/Zerstoert-das-Klischee-Serbiens-Frauenpower-rasierklingenscharf.html
Leseprobe:
POVRATAK 1
Zar smo bili ovde?
Ovi otisci ?iji su
Na našem pragu?
Ovaj pejza¸
Ko je gledao
Kroz naš prozor?
Ova lampa
Kome je svetlela
Iz no?i u no??
Kroz ova vrata
Ko je kro?io u san?
Zar smo bili ovde,
Kada smo mogli oti?i.
Rückkehr 1
Waren wir wirklich hier?
Diese Spuren –
Wer hat sie hinterlassen
Auf unserer Türschwelle?
Diese Landschaft –
Wer hat sie betrachtet
Aus unserem Fenster?
Diese Lampe –
Wem hat sie geleuchtet
Nacht für Nacht?
Und diese Tür –
Wer ist durch sie in unseren Traum getreten?
Waren wir wirklich hier,
Wenn wir weggehen konnten.
LI?NE ZAPOVESTI
1. Ne uzdiši i ne pla?i nad sveskama poezije.
2. Ne o?ekuj ni loše vesti ni obe?ane slasti.
3. Gledaj iz sebe kao da gledaš kroz mnoge prozore.
4. Ne tuma?i, opisuj.
5. Uredno sla¸i iskustva, uspomene, mrtvace.
6. Sa predmeta, re?i i sa ¸ivih stvorova skini i zaštitne maske i zavoje.
7. Ne zaklju?avaj svoju škrinjicu-srce.
8. Iza?i iz kade, poka¸i telo-jezik.
9. Unutrašnjost svoju polo¸i na hiruški sto.
10. Danono?no zalivaj bilj?icu–sebe.
Persönliche Gebote
1. Seufze und weine nicht beim Lesen von Gedichten.
2. Warte nicht auf schlechte Nachrichten noch auf versprochene Freuden.
3. Schaue aus dir hinaus wie aus vielen Fenstern.
4. Deute nicht, beschreibe.
5. Verwahre ordentlich Erfahrungen, Erinnerungen, Verstorbene.
6. Entferne Schutzmasken und auch Verbände von Dingen, Worten und Lebewesen.
7. Verschließe nicht dein Kästchen – das Herz.
8. Steig aus der Badewanne, zeig deinen Körper – die Sprache.
9. Lege dein Inneres auf den OP-Tisch.
10. Gieße Tag und Nacht die zarte Pflanze – dich.
PSALAM
Blagoslovena mašina za pranje veša, posu?a...
I ostali ku?ni aparati u ispravnom stanju.
Vodovod i kanalizacija. Uredna stolica.
Gradski saobra?aj i G-?a ?isto?a,
Blagosloveni kiša i vetar,
Zanatlije, taksisti, trgovci. Novac.
Javna kupatila i Narodne kuhinje.
Vrtlari i vidari mojih dra¸i. Grobari.
Sve što je na usluzi – blagosloveno
Ustima, nozi, ruci. Zemlji.
Blagosloveni pokvareni telefoni,
Izgubljene adrese, prona?eni kišobrani.
Blagosloveni bivši prijatelji i ovdašnji
Neprijatelji. Du¸ni i su¸nji. I ti,
Moj dragane, moja Euridiko.
Blagosloveni oni sportovi
Koji mi ne po?oše za rukom,
I društvene igre koje ne nau?ih.
Blagoslovene nepripitomljene ¸ivotinje,
Ptice izletele iz kaveza, prazni kavezi,
I ti srce moje – ispra¸njeni du?anu.
Sve oskudice i nestašice blagoslovene
Što mi podariste svoje minute i sate,
Da zamišljam i gatam
Kao Ciganka na sred druma,
Za svaku re? zala¸u?i svih 56 kg.
Mesa na kostima.
Psalm
Gesegnet sei die Waschmaschine, der Geschirrspüler ...
Und andere Haushaltsgeräte, sofern sie funktionieren.
Die Wasserleitung und die Kanalisation. Der regelmäßige Stuhlgang.
Gesegnet seien der Regen und der Wind,
Die städtischen Verkehrsmittel und die Frau Sauberkeit,
Die Handwerker, die Taxifahrer, die Kaufleute. Das Geld.
Die öffentlichen Badeanstalten und die Volksküchen.
Die Gärtner und die Heiler meiner Reize. Die Totengräber.
Gesegnet sei alles, was dient
Dem Mund, dem Fuß, der Hand. Der Erde.
Kaputte Telefone seien gesegnet,
Verlegte Adressen, wiedergefundene Regenschirme.
Die einstigen Freunde und die heutigen
Feinde. Die Schuldner und die Schächer. Und auch du,
Mein Geliebter, meine Eurydike.
Gesegnet seien die Sportarten,
Für die ich ohne Talent,
Die Gesellschaftsspiele, für die ich zu dumm.
Gesegnet die ungezähmten Tiere,
Die entflohenen Vögel, die verwaisten Käfige
Und auch du, mein Herz, du ausverkaufter Laden.
Gesegnet die Armut und die Entbehrung,
Die ihr mir eure Minuten und Stunden geschenkt,
Dank denen ich träumen kann und wahrsagen
Wie eine Zigeunerin auf der Landstraße,
Mich für jedes Wort verbürgend mit meinen ganzen 56 Kilo
Fleisch und Knochen.