[<<Erster] [<zurück] [weiter>] [Letzter>>] 9 Artikel in dieser Kategorie

Hodjak, Franz: Gedenkminute für verschollene Sprachen

ISBN:
978-3-86660-292-2
Lieferbar:
sofort lieferbar sofort lieferbar
19,95 EUR
-> in Deutschland kostenfreier Versand

Gedichte, 140 Seiten

Franz Hodjaks Grundton in diesen Gedichten ist abgeklärt heiter. Er schreibt über das Älter- und Altwerden, Vergänglichkeit, Tod - eine lyrische Lebensbilanz. Hodjak läßt immer wieder auch Hoffnung hindurchflackern, vor allem im Zusammenhang mit Jahreszeiten, Natur, Landschaften der Kindheit und Lebenshälfte in Rumänien. Nach langjähriger Lyrikpause meldet sich Franz Hodjak nun mit neuen Gedichtbanden zurück - sogar gleich mit vier Bänden in vier Verlagen in einem Jahr. Dem deutschsprachigen Leser ist dieser Dichter kein Fremder. 1988 erschien die von Wulf Kirsten besorgte Auswahl Sehnsucht nach Feigenschnaps, 1990 folgte die von Werner Sellner herausgegebene Siebenbürgische Sprechübung. Und insofern ist es doch ein anderes Sprechen, das Franz Hodjak in seine Gedichten praktiziert: Landverlust und Heimatlosigkeit haben ihn zu einem Dichter werden lassen, der zu allererst in der Sprache zu Hause ist und uns Lesern im scheinbar Vertrauten des Alltäglichen einen Spiegel voller Überraschungen vorhält. 

Der Hoffnung stehen immer die richtigen Wörter zur  

Verfügung, die alles finden können, was

du suchst ...


„Was hier erzählt wird, ist nicht bloß leidvoll erfahren und exakt registriert, sondern auch so in Sprache gefaßt, daß es die Intensität und Kraft großer Dichtung gewinnt: Diese Texte stimulieren Augen, Ohren, Hirn und Herz.“ Neue Zürcher Zeitung

"Die absurd existierende Realität wird nicht auf den planen Boden der Begriffe gebracht, sondern auf den abschüssigen Hang paradoxer Bilder und Sinn-Versprecher." Jürgen Engler, ndl 494

„Hodjak rückt in diesem Gedichtband, wie dessen Titel es schon sagt, sein Kapital als Dichter in den Vordergrund: die Sprache. Mit philosophischer Entschlossenheit und und in seinem typischen unfeierlichen Ton gelangt er immer wieder zu Einsichten über sie und zu Wesensmerkmalen der eigenen Poesie. Das ist nicht zielorientiert und lässt sich von Zufällen und Überraschungen leiten, die durch das lyrische Ich begünstigt werden: Es hält sich in Bewegung, geht dem Unerwarteten entgegen, indem es in seiner ausgeprägten Neugier in die Welt aufbricht, reist, spaziert, sich in das babylonische Stimmengewirr eines Wochenmarkts begibt oder in die Lektüre von Büchern ... Ein alltags- und erfahrungsgesättigtes Spät- und Alterswerk, von den großen metaphysischen Themen unserer Zeit umgetrieben, die aus den Erfahrungen im Kommunismus und in der Demokratie, in Rumänien und in Deutschland betrachtet werden: Was ist Freiheit, was Frieden? Wie arrangiert man sich mit der eigenen Endlichkeit und der Vergänglichkeit alles irdischen Seins? Wie verabschiedet man sich von anderen und von sich selber? Was ist Zeit, was Dauer, was Ewigkeit, was Unendlichkeit? Welche Schlüsse zieht man für sich aus verlorenen Illusionen und unrealisierten Träumen? Warum ist man weiterhin voller Sehnsucht, Hoffnung und Zuversicht? Warum bleibt die Zukunft trotz allem ein Faszinosum? Was ist Glück und wie findet man einen Ausweg aus Sackgassen, wie Trost? Hodjak ist ein skeptischer Dialektiker und seine Antworten sind nie resulut.“ Alexandru Bulucz, Siebenbürgische Zeitung 

Franz Hodjak: geb. 1944 in Hermannstadt, Rumänien. Abitur, Militärdienst, Hilfsarbeiter. Studium der Germanistik und Rumänistik in Klausenburg, Rumänien.1970-1992 Lektor für deutschsprachige Bücher im Dacia Verlag, Klausenburg.1992 Übersiedlung nach Deutschland. Lebt als freier Schriftsteller in Usingen i.Ts.

 
Zuletzt erschienen u.a.:

  • Siebenbürgische Sprechübung, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a.M 1990 Zahltag, Erzählungen, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1991
  • Franz, Geschichtensammler, Monodrama, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1992 Landverlust, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1993
  • Grenzsteine, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1995
  • Ankunft Konjunktiv, Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1997
  • Der Sängerstreit, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2000
  • Ein Koffer voll Sand, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2003
  • Was wäre schon ein Unglück ohne Worte, Aphorismen, Notate, Edition Erata im Leipziger Literaturverlag, Leipzig 2006
  • Die Faszination eines Tages, den es nicht gibt, Gedichte, Edition Die 1000, Verlag Ralf Liebe, Weilerswist 2008
  • Der Gedanke, mich selbst zu entführen, bot sich an, Gedichte, Verlag SchumacherGebler, Dresden 2013
  • Der, der wir sein möchten, ist schon vergeben, Aphorismen, Notate & ein Essay, litblickín-Verlag, Fernwald 2013
  • Das Ende wird Nabucco heißen, Erzählungen, Leipziger Literaturverlag, Leipzig 2014.
  • Der, an den wir uns erinnern, waren wir nie, Aphorismen, edition petit,Verlag SchumacherGebler, Dresden 2017

 Preise und Stipendien u.a.:

  • 1990 Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb
  • 1991 Ehrengabe zum Andreas-Gryphius-Preis 1991
  • Förderpreis des Kulturkreises im BDI 1995
  • Stadtschreiber in Minden
  • 1996 Nikolaus-Lenau-Preis
  • 1997 Heinrich-Heine-Stipendium in Lüneburg
  • 1998 Hermann-Hesse-Stipendium
  • 1999 Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung
  • 2000 Künstlerstipendium in Schreyahn
  • 2002 Stadtschreiber in Dresden
  • 2005 Kester-Haeusler-Ehrengabe der Schillerstiftung
  • 2006 Förderstipendium des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst
  • 2007 Stipendium im Herrenhaus Edenkoben;
  • Kulturpreis 2013 der Siebenbürger Sachsen
  • 2015 Literaturpreis der 3. Internationalen Buchmesse in Klausenburg (Cluj-Napoca).

Leseprobe:

Das Wesen der Wörter

Die Wörter klingen anders im Schilf,

anders im Hotelfoyer, anders in einer

Tropfsteinhöhle. Der Hoffnung stehen

immer die richtigen Wörter zur

 

Verfügung, die alles finden können, was

du suchst. Der Weg besteht aus Sätzen,

die andere vor dir notierten. Du

sollst sie ergänzen, steht auf allen

 

Wegweisern geschrieben. Die Sonne

verdreht mit ihrem Geflüster den

Sonnenblumen die Köpfe. Frank Sinatra

vertonte die Stille New Yorks,

 

das Wiederholen von Lieblingswörtern

hat schon manchen aus dem Koma

zurückgeholt. Sprachen, die wir nicht

verstehen, zeigen auf etwas, dem

 

nichts Menschliches fremd ist. Der

Halbschlaf artikuliert Bedeutungen, die

zwischen den Zeilen liegen. Selbst

noch in den letzten Atemzügen

bewegen Wörter unsere Lippen.


Kleines Kissen

 

Hier geht es den Vögeln besser als es ihnen noch

vor Jahren ging. Aber auch den Igeln, deren Sprache

unserer Sprache gleicht, wenn wir im Trum sprechen.

Obst fällt von den Bäumen und bleibt liegen wie

unnötige Worte, und vom Lächeln derer, die in die Stadt

zogen, sind nur die Zähne echt. Die urigsten

Geschichten am Stammtisch erzählen immer noch die,

die kein richtiges Zuhause haben. Großvater winkte

ab, wenn die anderen meinten, nun sei er an der Reihe,

zu erzählen. Zwischen ihm und den anderen lagen

zwei Kriege und viele Tote. Er kam stets als erster und

ging als letzter. Dazu sagte er nur, einer müsse ja das

das Licht in der Welt ausmachen und absperren, wenn alles

zu Ende ist. Jedes Frühjahr strich der die Außenwände

neu, kümmerte sich um den Garten. Hilfe nahm er

nie an, er meinte, er könne niemanden gebrauchen, der

ihm im Weg steht. Er hörte fast den ganzen Tag

Smetana und sagte, ihm könne nur noch Smetana helfen.

In seinem Leben hat er viele Dinge ausgetauscht.

Aus der Jugendzeit hat er bloß das kleine Kissen

mit all den Träumen aufbewahrt.



An der Donau

Die Waldlichtung ist

ein Auge, aus dem

ich eine Weile die Welt

betrachte und viel

Liebe in deinen Augen

entdecke.

Der Waldkauz ruft

die Republik des Lichts aus.

 

Man hört den Lärm

der Züge, hin und

wieder unterbrochen

vom Herzschlag der Stille.

Unsere Körper

 

schieben sich übereinander

wie im Winter Eisschollen

in der Donau.

Die Stadt ist weit.

Die Kindheit kommt immer

wieder wie Zugvögel.

 

Der Himmel

ist eine Wärmflasche.

Überall blüht Löwenzahn.

Die Fahrräder liegen im Schatten.

 

Unsere Worte suchen

Brücken, die von einem

Ende des Glücks

zum anderen führen.



Wenn es dunkel wird

 

Ich muss mich nicht mehr

nach anderen richten.

Ich habe meine Richtung gefunden.

Ich liege nicht im Trend.

 

Ich kann nur bedauern,

dass ich nichts ändern konnte.

Vieles, was ich in die Hand nehm,

fiel zu Boden.

 

Was auszuräumen war,

habe ich nur in Tagebüchern ausgeräumt.

Was übrig blieb, war

wie eine Mahnung.

 

Immer, wenn es dunkel wird,

kommt das Gefühl,

 

die Zeit hatte Geduld mit mir,

nur ich nicht mit ihr.



Webshop by Gambio.de © 2012