Mila Haugova

Dieter Krause empfiehlt: „Körperarchive“ von Mila Haugvova. Aus dem Slowakischen von Slávka Porubská
"Als 2006 der Band "Körperarchive" der slowakischen Dichterin Mila Haugová im Leipziger Literaturverlag erschien, hatte ich noch nichts von ihr gehört und auch die beiden Bücher, die Ende der Neunziger Jahre im BONsai – typArt Verlag und bei der Edition Thanhäuser veröffentlicht wurden, waren mir nicht bekannt. Der Gedichtband "Sandatlas", in der Edition Korrespondenzen erschienen, entging meinem schweifenden Auge beim Buchhändler. Aber sie zeigen rückblickend an, dass da eine Dichterin und Übersetzerin am Schreiben war, die eine gewisse Rolle in der slowakischen Literatur spielte und deren Texte auch anderen Lyrikenthusiasten aufgefallen waren. Gedichte, die erkennen lassen, wie ambivalent Sprache ist, ohne sie in der Zuweisung zu verletzen. Als ich mir den Band "Körperarchive" kaufte, war ich von den Gedichten sofort fasziniert, denn da textete jemand Gebilde in einem ganz eigenen lyrischen Ton, ohne Alliteration und Akzent, dafür mit Enjambement und einer „Fast–Stichomythie“. Texte, die über einen wissenschaftlichen Horizont verfügten, der aufgehoben wurde durch Sensibilität und punktgenaue Verse. Es war beglückend, diese Dichterin im Leipziger Literaturverlag zu wissen, gehört Mila Haugová doch heute mit ihrem Werk zu den bedeutsamsten Lyrikschaffenden Osteuropas, auch dank dieser Veröffentlichung. Alles weitere, ihr Geburtsjahr, das Studium der Agrarwissenschaften... – siehe Google."
Slávka Rude-Porubská und Brigitte Rath schreiben über Mila Haugova:
"Die Haut als äußere Hülle des Körpers hat nicht die Stärke und Festigkeit eines Panzers, sie ist eine durchlässige, dehnbare und formbare Membran. In Haugovás Texten wird die Haut zu einer Kommunikationsfläche des Körpers, die Impulse in der Form von Berührungen registriert, verarbeitet und weiterleitet, aber auch verändert. Wie Kleider wird hier die Haut abgelegt, der männliche und weibliche Körper entledigen sich ihrer Verhüllung, um sich im Liebesakt zu vereinen: „im heißen Schatten gleitest du in mich hinein / und nimmst mich mit der ganzen Insel“. Die intime Kommunikation zwischen Mann und Frau: sie wird und wirkt extrem, radikal, bedingungslos. In die gesteigerte Empfindlichkeit ohne die schützende Hülle der Haut ist gleichsam auch die Verletzbarkeit eingeschrieben. Das Lieben verliert seine rein körperliche Konnotation; es berühren sich nicht nur die Körper, sondern die sich Liebenden in den Grundlagen ihres Seins. Ein derartiges Verschmelzen, Ineinander-Übergehen als Erlebnis einer bedingungslosen Ent-Grenzung bringt die Notwendigkeit mit sich, sich eine wiederholte körperliche Be-Grenzung durch das erneute (metaphorische) Überstreifen der Haut aufzuerlegen."
Mila Haugová: geboren 1942 in Budapest, emigrierte 1968 nach Kanada, kehrte nach einem Jahr zurück, übersetzt aus dem Deutschen (Celan, Trakl, Lasker-Schüler, Mayröcker), Englischen (Sylvia Plath) und Ungarischen. Mila Haugová lebt in Bratislava und Levice. Von diesem Buch haben wir nur noch wenige Exemplare auf Lager – bestellen, solange der Vorrat reicht.
Ein Gespräch mit Mila Haugova, das Viktor Kalinke mit ihr in Bratislava führte, ist im Film "DichterSehen" zu erleben.