Peter Gehrisch

Peter Gehrisch

(Foto: Hansgert Lambers)

Axel Helbig empfiehlt Peter Gehrisch: 

Peter Gehrisch ist ein Meister aller Klassen. Er glänzt als Lyriker, ist ein vorzüglicher Essayist, überrascht als Herausgeber und Übersetzer von Lyrik immer wieder mit spannenden Ausflügen in die Welt der Poesie. Nicht zuletzt ist er ein Romancier von Rang. Dies beweist u. a. der im Leipziger Literaturverlag verlegte Roman „Hans-Theodors Karneval oder das Federnorakel“. Dieses atemberaubende Buch über einen Schelm, der den Krieg und Nachkrieg erlebt und erzählt, vereint die Vorzüge des Poeten, des Erzählers und des Essayisten und wird so zu einem unvergesslichen Leseerlebnis. Peter Gehrisch kenne ich seit ich literarisch zu denken begann, also seit etwas über vierzig Jahren. Er war und ist stets ein streitbarer Freund und Kollege, an dem man keinen schwachen Text vorbeischummeln konnte.

Auszug aus Axel Helbigs Interviewband "Der eigene Ton. Gespräche mit Dichtern" über Peter Gehrisch:

Peter Gehrisch lebt heute in Lwówek Śląski (Polen) und Dresden. In beiden Orten traf ich ihn im Juni 2006 für dieses Gespräch. Peter Gehrisch ist seit vielen Jahren ein Freund. Ich bewundere ihn für die Energie, mit der er sich insbesondere für den deutsch-polnischen Kulturaustausch einsetzt, als Organisator und Übersetzer. Thema unseres Gesprächs war sein soeben erschienener Roman, von Gehrisch kurz „Das Federnorakel“ genannt. Es mag verwundern, daß einer die Groteske wählt, um das Trauma seiner Kindheit literarisch zu bewältigen. Vielleicht ist es aber auch folgerichtig. Gehrisch beruft Grimmelshausen als Kronzeugen. „Offenbar folgt dieser Fokus einer Notwendigkeit, um die Absurdität des Geschehens überhaupt begreifen zu können“, sagt Gehrisch. „Im Grunde genommen sind ja alle Erscheinungen der Welt grotesk, die Spitze bildet jedoch der Krieg, das Grausame, das grausame Unvorstellbare.“ Unser Gespräch kreist um die Themen Groteske und Sprachfindung. Gehrisch ist von Haus aus Lehrer und hat Legionen von Schülern zu Sprachfindung verholfen. Wer sollte also eher prädestiniert sein, das Thema Sprachfindung in einem Entwicklungs-Roman aufzugreifen. Im Gespräch wird deutlich, daß das, was sich scheinbar mühelos als groteskes Sprechen seiner picarischen Helden geriert, schwer erarbeitet worden ist. Ganze Bibliotheken der grotesken Literatur wurden verdaut, dazu die Bibliothek der litera-rischen Moderne und die Phänomenologie Edmund Husserls, fußend auf dem Fundament der Kantischen Philosophie. Als Lyriker sieht sich Gehrisch ganz in der Tradition des Expressionismus. Trakl, Heym und Stramm sind wichtige Bezugspunkte. Aber auch Hofmannsthals Lord-Chandos-Brief. Daß „die Worte wie modrige Pilze auf der Zunge zerfallen“ können, daß also die Kommunikation zu scheitern droht, ist eine der prägenden Grunderfahrungen Gehrischs – als Lehrer im totalitären System DDR und als Dichter. Weiterlesen im Buch

Warum die Bücher von Peter Gehrisch lesen?

Die Lektüre des Romans "Hans-Theodors Karneval" lohnt sich insbesondere, weil der Roman auf poetisch-phantastische Weise die Zerrissenheit des modernen Menschen in einer absurden Welt darstellt. Gehrisch verbindet Sprachexperiment, Karnevalsmotiv und Gesellschaftskritik zu einem vielschichtigen literarischen Text. Seine originelle Bildsprache und die spielerische Form regen zum Nachdenken über Identität, Macht und Wirklichkeit an.

Der Roman "Die Bilder, die Wörter, das Schiff" entfaltet ein eindrucksvolles Zusammenspiel von Sprache, Bild und Traumwelt, das weit über konventionelles Erzählen hinausgeht. Er lädt dazu ein, Wirklichkeit und Wahrnehmung neu zu denken und öffnet poetisch-philosophische Räume jenseits linearer Logik. Gerade in einer Zeit der Bilderflut und Sprachkrisen wirkt Gehrischs Werk als bewußtseinserweiternde literarische Erfahrung.


Die Gedichte von Peter Gehrisch ( "Tunnelgänge" und "Der glimmende Ring meiner Lichtwissenschaft") schaffen eine außergewöhnliche Verbindung von Mystik, Naturbeobachtung und sprachlicher Vision. In einer Zeit der Orientierungslosigkeit bieten sie einen poetischen Zugang zu innerer Erkenntnis und geistiger Tiefe. Gehrischs kraftvolle Bildsprache und meditative Klangführung machen die Lektüre zu einem transzendentiellen Erlebnis.


Peter Gehrisch: wurde 1942 in Dresden geboren. Die Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 wird zum frühen Schlüsselerleb-nis des Lyrikers und Romanciers. Gehrisch, der auch als Essayist hervortritt, übte jedoch zunächst den Lehrerberuf aus, zuletzt am Dresdner Abendgymnasium (Deutsch und Ethik). Legendär sind seine Vortragsreihen an der Dresdner Volkshochschule. Gehrisch hat sich als Übersetzer aus dem Polnischen (Cyprian Kamil Norwid, Wojciech Izaak Strugała u.a.), als Organisator im Deutsch-Polnischen Kulturaustausch und nicht zuletzt als Initiator der Zeitschrift für Literatur und Kunst OSTRAGEHEGE einen Namen gemacht. Für dieses vielseitige Engagement wurde ihm 2006 der Verdienstorden des Freistaates Sachsen verliehen. Er lebt in Lwówek Śląski (Polen) und Görlitz.

Veröffentlichungen (Auswahl):

Bücher:
„Dresden. Flug in die Vergangenheit“, Beitrag zur Dokumentarfilmgeschichte, mit Christian Borchert, Verlag der Kunst Dresden, 1993; „Poet’s corner 19: Peter Gehrisch“, Gedichte, Unabhängige Verlagsbuchhandlung Ackerstraße, Berlin 1993; „Das Glücksrad“, Prosa, Hellerau Verlag, Dresden 1994; „Es ist Zeit, wechsle die Kleider. Stimmen aus Polen“, Gedichte (Hrsg., mit Dieter Krause), Literarische Arena, Dresden 1998; „Das Land Ulro nach Schließung der Zimtläden. Stimmen aus Deutschland, Polen, Tschechien und Ungarn“, Anthologie (Hrsg., mit Axel Helbig), Literarische Arena, Dresden 2000; „Zraniony słowem wers / Wortwunder Vers“, Gedichte, poln./dt., Tikkun Verlag, Warszawa 2001; „Orpheus. Gespräch im Wort“, Gedichte dt. und poln. (Mhrsg.), Literarische Arena, Dresden 2001; „Heimkehr in die Fremde. Stimmen aus der Mitte Europas“, Anthologie (Hrsg., mit Axel Helbig und Jayne-Ann Igel), Literarische Arena, Dresden 2002; „Orpheus versammelt die Geister. Stimmen aus der Mitte Europas“, Anthologie (Hrsg., mit Axel Helbig), Literarische Arena, Dresden 2006; „Hans-Theodors Karneval oder Das Federnorakel“, Roman, Edition Erata, Leipzig 2006; „Tunnelgänge“, Gedichte, Edition Erata, Leipzig 2006; „Z ust źródeł“ / „Aus Brunnenmündern“, Begegnung der Poesie in Lwówek Śląski (Hrsg., Texte poln., dt., tschech., ukr., niederl.), Literarische Arena, Lwówek Śląski 2006.

Übersetzungen: 
Cyprian Kamil Norwid: „Das ist Menschensache“, ausgewählte Gedichte (zugl. Hrsg.), Thelem Verlag, Dresden 2003

Film:
„Dresden in den zwanziger Jahren“, mit Ernst Hirsch, Dresden 1994.

Im Leipziger Literaturverlag sind erschienen und lieferbar:

 

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Autor des Monats Juni 2025