Lev R. Silber
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Prof. Juri Lotman
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Bulat Okudschawa |
Asia Feoktistowa |
Sabine und
Dieter Fahl |
Vita
1953 geboren am 1. Dezember in Gorki (heute wieder Nishni Nowgorod)
1971-77 Abendstudium an der Mathematischen Fakultät der Gorki-Universität
1977-78 Programmierer in einem Rechenzentrum
1978-88 HeizerArbeit beim Lawinenschutz in den Bergen von KirgisienFunker
auf einer Wetterstation im KaukasusPferdepfleger in einer Reitschule für
Kinder
1982 im November Aufenthalt in Georgien, danach Beginn der Beschäftigung
mit Fotografie
seit 1988 künstlerischer Fotograf
1989 erste Ausstellung in Kohtla-Jarve (Estland), seitdem freiberuflich
Ausstellungen
1992 | Kulturladen, Prenzlauer Berg,
Berlin Kinocafé “Babylon”, Prenzlauer Berg, Berlin RAA, Berlin-Mitte Galerie “Fehre-6”, Berlin |
1993 | Kulturladen, Prenzlauer Berg, Berlin RAA, Berlin-Mitte |
1994 | Kiezladen, Prenzlauer Berg, Berlin Galerie “Friedersdorf”, Oderbruch Galerie “Mandala”, Pankow, Berlin Galerie “Feuerstein”, Berlin Jüdischer Kulturverein, Berlin Stadtbibliothek, Berlin |
1995 | Versöhnungskirche, Essen-Rüttenscheid Zachäus-Gemeinde, Prenzlauer Berg, Berlin Französischen Kirche, Berlin-Mitte Sprachwissenschaftliche Universität Nishni Nowgorod Alte Abtei, Lemgo |
1996 | Katholische Akademie, Berlin-Mitte Ev. Vier-Evangelisten Gemeinde, Berlin-Pankow Haus der Ev. Kirche, Essen-Mitte Torgowo-Marketing-Zentrum, Nishni Nowgorod Haus der Architekten, Nishni Nowgorod |
1997 | Schweizer Botschaft, Moskau Dom St. Marien, Zwickau Domhofgalerie, Zwickau Kirchenzentrum in der Mitte, Oberhausen |
1998 | Leucorea, Lutherstadt Wittenberg Martin Luther Gemeinde, Berlin St. Georgen-Kapelle, Templin |
1999 | Ev. Akademie, Hamburg |
2001 | Zentralbank Nishni Nowgorod |
2002 | Firma Ethnos, Nishni Nowgorod |
2003 | Stadtbibliothek Osnabrück (im Rahmen der Ost-Westlichen Kulturbegegnungen) |
2004 | Lev Kopelev Forum, Köln |
2006 | Evangelische Akademie in Hofgeismar Lutherhaus, Osnabrück |
Veröffentlichungen
2002 Das verborgene Gesicht Rußlands. Fotografie, dreisprachige Texte, Edition ERATA
Stimmen zu den Fotografien
" Melancholie in Silber" von Anna H. Frauendorf
Die Tiefe einer Fotografie liegt in ihrem Schwarz. Lev Ruwimowitsch Silber kennt diese nur scheinbar lichtlosen Zonen, weil sich dort die ungesehenen Geschichten ereignen, weil dazwischen das Eigentliche passiert - im Zusammenklang von Unsichtbarem und Sichtbarem.
Anfang der achtziger Jahre trieb den studierten Mathematiker Lev Silber das ‘Überwältigende der Natur’ dazu, sich eine Kamera zuzulegen. Fortan fokussiert er - der in der Stadt Nishni Nowgorod an der Wolga aufgewachsen ist - nicht nur die heimatliche Landschaft, Stilleben aus vergessenen Gegenständen, alten bröckelnden Häuserfassaden, sondern er rückt ganz behutsam die Menschen selbst ins Bild. Verschiedene Serien entstehen - er fotografierte mehrere Jahre lang russische Altgläubige in ihren entlegenen Dörfern, porträtierte Intellektuelle und ließ Kinder, wie sie kamen vom Spielen, in die Kamera blicken. Seine Annäherung an die Dinge: voller Respekt und melancholischer Wärme.
Die Nähe, die Silber zu den Porträtierten aufbaut, wird in den Schwarz-Weiß-Fotografien spürbar: Sie geben sich nicht als Beobachtete, sondern agieren natürlich, verrichten ihre alltägliche Arbeit, schauen für einen Augenblick hoch: offen und klar. Er folgt ihnen in ihre Häuser, an den Altar im Wald, ins Arbeitszimmer. Es sind ungestellte Fotografien, die aus einem Vertrauensverhältnis heraus entstanden. Deshalb sind sie so intim und innig.
Oft läßt er nur die Gesichter sprechen, die - besonders bei den Altgläubigen - einiges zu erzählen haben. Der Hintergrund tritt in Unschärfe zurück vor dem, was Silber’s Fokus einfängt: die wettergegerbte Haut, die langen, weißen Bärte der alten Männer und die Güte in den Augen. Sie sprechen von einem langen, widerspruchsvollen Leben, aber auch von der Erfüllung, die sie in ihrem Glauben und der Gemeinschaft gefunden haben. Silber gelingen in diesen Porträts eindringliche Urbilder des Alters und des Alterns. Das menschliche Antlitz umgibt - auch wenn Fotografie immer nur Realität zweiten Grades sein kann - eine Aura der Einzigartigkeit.
Nicht losgelöst von der Einbettung in ihr kulturelles Umfeld, zeigt er auch die Lebenspraxis der Glaubensgemeinschaft. Seine Kamera notiert das Typische ihrer Kleidung, die langen Kopftücher der Frauen, ihre weiten Gewänder, ihre Lebensumstände. Er reflektiert die Realität, wie sie ist, direkt, ohne Zutat, ohne Pose - Fotografie in Prosa.
Silber verwendet ein Normalobjektiv, das der Brennweite des Auges entspricht. Nicht zuletzt das macht die Natürlichkeit seiner Aufnahmen aus. Sein ausgesprochen gutes Gespür für Licht vermag die Szenerie in ausgewogenen Grautönen zu modellieren. Selbst kleinste Details gehen in dem weichen, umfließenden Licht nicht verloren. Die hauptsächliche Lichtquelle, die er sowohl für Außen- als auch Innenräume nutzt, ist Tageslicht. Es ist eine Fotografie, die Zeit braucht und diese Dauer schreibt sich wiederum in die Fotografien ein - in einer Art Stille, die die Menschen und Dinge umgibt.
Der Fotograf Silber gibt sich zurückhaltend und tritt dennoch ein in einen stummen Dialog mit den Fotografierten. Als unmittelbar angesprochenes Gegenüber fühlt sich auch der Betrachter, der, weit weg von diesem fernen Ort, eintauchen kann in jene angehaltene Zeit. Fremdes rückt näher. Die Abgebildeten werden in der Vorstellung lebendig. Das fotografische Dokument wird zum bewegenden Zeugnis des Humanen.
Lev Silber fühlt sich der traditionellen Fotografie verbunden, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts war. Im Zeitalter der schnell wechselnden Bilder sind seine Schwarz-Weiß-Fotografien wohltuende Standbilder. Die Authentizität, die seine Fotografien ausstrahlen - ein immer seltener werdendes Signum der zeitgenössischen Fotografie - mag archaisch wirken, aber es verdeutlicht sich darin auch das Verlangen, dem Augenblick einen Hauch Ewigkeit zu verleihen. Die Ehrlichkeit seines Blickes hinterläßt Spuren, die faßbar werden in seinem schmalen Oeuvre. Silber weiß um das Kostbare der Fotografie: „Medium des Erinnerns“ zu sein.