Sylvia Kabus
geb. 1952 in Görlitz, ist eine deutsche Regisseurin, Autorin und Journalistin, Studium der Anglistik und Germanistik in Berlin, 1974 bis 1983 Redakteurin einer Zeitschrift für Kultur, Autorin für das DEFA-Spielfilmstudio. Für ihre Arbeit zum Film Felix und der Wolf (1988) erhielt sie Auszeichnungen in der DDR und in Westberlin.
Nach 1989 engagierte sie sich in der Bürger- und Frauenbewegung und war Mitglied des Leipziger Runden Tisches. 1990 war sie gemeinsam mit Reinhard Bernhof, Roland Erb und Ingeborg Schröder an der Liquidation des Schriftstellerverbandes der DDR beteiligt und im Folgejahr wurde sie literarische Angestellte im von ihr mit aufgebauten Literaturbüro Leipzig e.V..
Gegenwärtig arbeitet sie freischaffend für den MDR und an eigenen Publikationen. Sylvia Kabus lebt in München und Leipzig.
Veröffentlichungen im Leipziger Literaturverlag
Umfeldblätter
Reprint einer Untergrundzeitschrift, hg. mit Reinhard Bernhof, erschienen
im Samisdat 1988/89, LLV 2009
Diese drei Hefte sind nicht im Schutz von Kirchendächern entstanden, sondern in Privatwohnungen. Zuvor hat Reinhard Bernhof dem Aufbau Verlag vorgeschlagen, Schriftsteller zu einem Lesebuch über die bedrohte Landschaft mit den phenoligen Flüssen einzuladen. Die Cheflektorin lehnt ab, sie befürchtet „einen Wust unterschiedlichster Beiträge.“ Sylvia Kabus zögert zunächst, an einer Untergrundzeitschrift mitzuarbeiten, als Bernhof sie dazu auffordert. Dann heften sie eigenhändig die mit einem schwarzen Pappumschlag versehenen Kopien der Texte von Wilhelm Bartsch, Reinhard Bernhof, Thomas Böhme, Kurt Drawert, Horst Drescher, Volker Ebersbach, Elke Erb, Rolf Henrich, Sylvia Kabus, Dieter Mucke, Kristian Pech, Hans-Ullrich Prautzsch, Winfried Völlger u.a. Die Autoren der Umfeldblätter reflektieren über Verantwortung gegen Naturzerstörung und lügnerische Verklärung, „ein gerade noch genügendes Vorhandensein von Natur“, wie Kristian Pech es nannte. In den Stasi-Akten ist der Freundeskreis dem Humanismus und der Aufklärung verpflichtet beschrieben. Es geht um Zivilcourage und Ungehorsam, um Demokratie und Emanzipation in der Gesellschaft.
Stimmen
Warum was für wen
von Bernd Heimberger, Neues Deutschland vom 6.
11. 2009
Das war was! Es war aufregend, sowas zu machen. Aufregend, sowas zu verbreiten.
Aufregend, sowas zu lesen. Die in den achtziger Jahren in der DDR vielerorts
auftauchenden unlizensierten Zeitschriften gingen von Gruppe zu Gruppe,
von Hand zu Hand. Nicht Machart war wichtig, der Inhalt wars. Im Schlußjahr
der DDR erschienen drei Ausgaben der „Umfeldblätter“ in Leipzig. Jetzt sind
sie wieder da. Jetzt, da die Alles-besser-wissenden Bücher zum Herbst 1989
wie Herbstblätter auf uns fallen. Wohltuend, daß da sowas wieder auftaucht.
Etwas, was keine Interpretation braucht und schon gar keine Rechtfertigung.
Die „Umfeldblätter“ sind eine Sammlung souveräner Stimmen aus der DDR, als
niemand an ihren baldigen Ausschluß aus der Geschichte dachte. Die Souveränität
der Schreiber erzeugt eine Hochstimmung beim Leser das Jahres 2009. Mancher
Gedanke aus der Vergangenheit ist in der Gegenwart angekommen. Das sollte,
vielleicht, doch etwas erschrecken.
Sich nicht verbergend, haben Reinhard Bernhof und Sylvia Kabus 1989 die
„Umfeldblätter“ herausgegeben und damit einiges riskiert.
Beiträger der Blätter waren vor allem Autoren aus dem leipzig-hallenser
Umfeld. Namen, die in der DDR Klang hatten, die in Deutschland nicht angekommen
sind. Sollte auch das erschrecken? Muß nicht sein! Doch nachdenklich könnte
das schon stimmen. Einerseits ein Reprint, ist die publizierte Edition mehr
als ein Reprint. Kabus und Bernhof informieren über ihr einstiges Engagement
und dessen Folgen. Einschließlich der Fäden – dafür gibt’s Dokumente – die
in den Schnüffelstuben der Staatssicherheit gezogen wurden. Davon zu lesen
heißt, nun mit Hochachtung auf die Herausgeber zu sehen. Ihr Gewissen machte
vor keiner Gefahr halt. Das gilt auch für die mitmachenden Autoren, die
mit möglichen Repressalien rechnen mußten. Das im Sinn, müssen die Schriften
gelesen werden. Texte, die nicht über die DDR hinaus wollten. Texte, die
etwas wollten. Zumindest ein Land, das ein anderes Land werden sollte. Das
war geistige Republikflucht, auf der Suche nach einer veränderbaren, veränderten
Republik. Nichts ist da Schmeichelei, die sich die Tagespresse täglich abpreßte.
Freier Geist äußerte sich unzensiert. Mit Wohlgefühl ist das auch heute
zu lesen. Die Substanz der Texte ist vor allem deshalb gegeben, weil die
Schreiber sehr genau wußten, warum sie was für wen schrieben. Ohne damit
aufzutrumpfen, waren sich die Autoren eines, ihres Auftrages bewußt. Und
im Zueinanderstehen, auch durch die Sammlung geeint, fühlten sich die Verfasser
stabiler und in ihrem Bewußtsein und Selbstbewußtsein gestärkt. Das alles
bekommt zu spüren, wer die wieder aufgelegten „“Umfeldblätter“ nicht links
liegen läßt. Unverfälschte Zeugen der Zeitgeschichte, die in die Zeit zeigen,
die wir jetzt haben.
Nachgedruckt:
Umfeldblätter, eine kleine Samisdat-Zeitschrift aus dem Leipzig der Jahre
1988/89
Ralf Julke, 21.10.2009, L-IZ
Weitere Veröffentlichungen
Ich wünsche mir nichts. Ich wünsche mir alles. Porträts ausländischer Jugendlicher
(1995)
Dr. A. bittet um Endlospapier. Psychogramme einer deutschen Stadt. (1999)
Wir waren die Letzten. Gespräche mit vertriebenen Juden. (2003)
Weißer als Schnee. (2008)
Neunzehnhundertneunundachtzig. Psychogramme einer deutschen Stadt. (2009)
als Herausgeberin u.a.:
Kirschbaumblätter. Stockender Traum. Jugendtexte aus Sachsen. (1996)
Chaos ich? Ein Jugendreport. (1999)
gemischte stimmen - mixed voices 2002. Kalender für neue und alte Gedichte.
(2001)
Hörfunk
Aus der größten Angst urständet auch das größte Leben. Görlitz - Stadt
im Osten (Hörfunkfeature, US 1994)
"Wer nicht des Staates Glauben hat..." Eine Reise nach Schlesien
(US, 2002)
Sachsen in Bayern. Die Wanderung Ostdeutscher (US, 2005)
Bamberg (US, 2007)
Filme
Mit Leib und Seele (DEFA, 1987)
Felix und der Wolf (DEFA, 1988)