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Nora Bossong, geb. 1982 in Bremen. Lyrikerin und Schriftstellerin. Zuletzt: „Webers Protokoll“, Roman, Frankfurter Verlagsanstalt 2009. Lebt in Berlin.

 

Helwig Brunner, geb. 1967 in Istanbul. Lyrik und Prosa. Mitherausgeber der Grazer Literaturzeitschrift „Lichtungen“. Zuletzt: „Süßwasser weinen“, Gedichte, Sonderzahl Verlag, Wien 2008, und, „Die Zuckerfrau“, Roman, Leykam Verlag, Graz 2008. Lebt in Graz.

 

Crauss, geb. 1971 in Siegen. Dozent für Kreatives Schreiben. Mitglied verschiedener Literaturgruppen. Zuletzt: „Crausstrophobie. Texte & Remixes“ (2001), „Alles über Ruth. Gedichte“ (2004), beide München: Lyrikedition 2000, und „MOTORRADHELD“, Ritter Verlag, Klagenfurt 2009. Lebt in Siegen.

 

Kurt Drawert, geb. 1956 in Hennigsdorf (Brandenburg). Lyrik, Essay, Dramatik, Prosa. Zuletzt: „Ich hielt meinen Schatten für einen anderen und grüßte“, Roman, Verlag C. H. Beck, München 2009. Lebt in Darmstadt.

 

Lisa Elsässer, geb. 1951 in Bürglen (Schweiz). Lyrikerin. Zuletzt: „OB UND DARIN“, Gedichte, Edition Pudelundpinscher, Unterschächen 2008. Lebt in Walenstadt (Schweiz).

 

Daniel Falb, geb. 1977 in Kassel. Lyriker. Zuletzt: „bancor“, Gedichte, kookbooks, Berlin und Idstein 2009. Lebt in Berlin.

 

 

Dan Falbeil und Doris Adler (Pseudonyme von Johannes Hupp), geb. 1980 in Berlin. Bisher keine Veröffentlichungen. Lebt in Burkunstadt.

 

Christian Filips, geb. 1981 in Osthofen. Autor, Übersetzer und Musikdramaturg. Zuletzt: „DUNCKLER ENTHUSIASMO“, Gedichte von Pier Paolo Pasolini, Urs Engeler Editor, Basel 2009, und „HEISSE FUSIONEN. Gesang von der Krisis“, Kontrollverlag, Berlin 2009. Lebt in Berlin.

 

Udo Grashoff, geb. 1966 in Halle/Saale. Lyriker. Zuletzt: „Ein Stück Schnee verteidigen“, Gedichte, edition STEKO im Verlag Janos Stekovics, Halle/Saale 2001. Lebt in Leipzig.

 

Dorothea Grünzweig, geb. 1952 in Korntal bei Stuttgart. Lyrikerin und Übersetzerin. Zuletzt: „Die Auflösung“, Gedichte, Wallstein Verlag, Göttingen 2008. Lebt in Südfinnland.

 

René Hamann, geb. 1971 in Solingen. Journalist und Schriftsteller (Prosa, Lyrik, Hörspiel). Zuletzt: „Berge und Täler, davor Männer und Frauen“, Gedichte, Gutleut Verlag, Frankfurt a. Main 2009. Lebt in Berlin.

 

Sonja Harter, geb. 1983 in Graz. Lyrik. Zuletzt: „barfuß richtung festland“, Gedichte, Leykam Verlag, Graz 2005, und „einstichspuren, himmel“, Gedichte, Leykam Verlag, Graz 2008. Lebt in Wien.

 

Beatrix Haustein, geb. 1974 in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), gest. 2002. Lyrik und Prosa. Zuletzt: „Milch“, merz&solitude, Reihe Literatur, 2004.

 

Herbert Hindringer , geb. 1974 in Passau. Lyriker. Zuletzt: „DISTANZSCHULE“, Gedichte, yedermann, München 2007. Lebt in Hamburg.


Hauke Hückstädt, geb. 1969 in Schwedt/Oder. Autor, Kritiker, Übersetzer, Leiter des Literarischen Zentrums Göttingen. Zuletzt: David Constantine, „Etwas für die Geister“, Wallstein Verlag, Göttingen 2007. Lebt in Göttingen.

 

Jayne-Ann Igel, geb. 1954 in Leipzig. Lyrik und Prosa. Zuletzt: „Berliner Tatsachen“, Prosa, Urs Engeler Editor, Basel 2009. Lebt in Dresden.

 

Hendrik Jackson, geb. 1971. Lyriker und Herausgeber des Online-Magazins www.lyrikkritik.de. Zuletzt: „Im Innern der zerbrechenden Schale“, Poetik und Pastichen, kookbooks, Berlin 2007. Lebt in Berlin.


Adrian Kasnitz, geb. 1974 im Ermland. Schriftsteller und Herausgeber. Zuletzt: „Den Tag zu langen Drähten“, Gedichte, parasitenpresse, Köln 2009. Lebt in Köln.

 

Björn Kuhligk, geb. 1975 in Berlin. Lyriker und Herausgeber. Zuletzt: „Von der Oberfläche der Erde“, Gedichte, Berlin Verlag 2009. Lebt in Berlin.

 

Christian Lehnert, geb. 1969 in Dresden. Lyriker. Zuletzt: „Auf Moränen“, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. Main 2008. Lebt in Wittenberg.


Sepp Mall, geb. 1955 in Graun/Südtirol. Lyriker, Roman- und Hörspielautor. Zuletzt: „Wo ist dein Haus“, Gedichte, Haymon Verlag, Innsbruck 2007. Lebt in Meran/Italien.

 

Brigitte Oleschinski, Dr. phil., geb. 1955 in Köln. Schreibt Lyrik und Essays. Zuletzt: „Geisterströmung“, Gedichte, DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2004. Lebt in Berlin.

Marcus Poettler, geb. 1977 in Hartberg (Österreich). Lyriker. Zuletzt: „fallen. Gedichte“, Leykam Verlag, Graz 2007. Lebt in Graz.

Steffen Popp, geb. 1978 in Greifswald. Prosa und Lyrik. Zuletzt: „Ohrenberg oder der Weg dorthin“, Roman (2006) und „Kolonie Zur Sonne“, Gedichte (2008), beide kookbooks, Berlin und Idstein. Lebt in Berlin.


Monika Rinck, geb. 1969 in Zweibrücken (Rheinland-Pfalz). Lyrikerin und Essayistin. Zuletzt: „Helle Verwirrung / Rincks Ding- und Tierleben“, kookbooks, Berlin und Idstein 2009. Lebt in Berlin.

Marcus Roloff, geb. 1973 in Neubrandenburg. Lyriker. Zuletzt: „dauerlandschaft – the remixes volume one“, Gedichte (Künstlerbuch, zus. Mit K. Kohlhaw und M. Wagener), Gutleut Verlag, Frankfurt a. Main 2009. Lebt in Frankfurt a. Main.

Hendrik Rost, geb. 1969 in Burgsteinfurt. Lyriker und Übersetzer. Zuletzt: „Im Atemweg des Passagiers“, Gedichte, Wallstein Verlag, Göttingen 2006, und Rutger Kopland: „Dank sei den Dingen“, Gedichte aus dem Niederländischen (m. Mirko Bonné), Lyrikkabinett im Hanser Verlag, München 2008. Lebt in Hamburg.

Ulrike Almut Sandig, geb. 1979 in Großenhain. Lyrik und Prosa. Zuletzt: „Streumen“, Gedichte, Connewitzer Verlagsbuchhandlung, Leipzig 2007, und „Hush little Baby“, Hörspiel, SWR 2008. Lebt in Leipzig.

 

Silke Scheuermann, geb. 1973 in Karlsruhe. Lyrik, Prosa, Kritik. Zuletzt: „Die Stunde zwischen Hund und Wolf“, Schöffling & Co., Frankfurt a. Main 2007. Lebt in Offenbach a. Main.

 

Tom Schulz, geb. 1970 in Großröhrsdorf/Sachsen. Lyrik, Prosa, Übertragungen, Herausgaben. Zuletzt: „Kanon vor dem Verschwinden“, Gedichte, Berlin Verlag 2009. Lebt in Augsburg.


Lutz Seiler, geb. 1963 in Gera, Lyrik, Essay und Prosa. Zuletzt: „Die Zeitwaage“, Erzählungen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. Main 2009. Lebt in Wilhelmshorst.

 

Ulf Stolterfoht, geb. 1963 in Stuttgart. Lyriker. Zuletzt: „holzrauch über heslach“, Gedichte, Urs Engeler Editor, Basel/Weil am Rhein 2007. Lebt in Berlin.

 

Christian Teissl, geb. 1979. Lyriker, Essayist, Feuilletonist. Zuletzt: „Das große Regenalphabet“, Gedichte, Rimbaud Verlag, Aachen 2006. Lebt in Graz.


Anja Utler, geb. 1973 in Schwandorf (Oberpfalz). Dichterin. Zuletzt: „jana, vermacht“, Buch mit CD, Edition Korrespondenzen, Wien 2009. Lebt in Wien.

 

Jan Wagner, geb. 1971 in Hamburg. Lyriker und Übersetzer. Zuletzt: „Achtzehn Pasteten“, Gedichte, Berlin Verlag 2007. Lebt in Berlin.

 

Ron Winkler, geb. 1973 in Jena. Schriftsteller und Übersetzer. Zuletzt: „Fragmentierte Gewässer“, Gedichte, Berlin Verlag 2007. Herausgeber von „Neubuch. Neue junge Lyrik“, yedermann, München 2008. Lebt in Berlin.

 

Uljana Wolf, geb. 1979 in Berlin. Lyrikerin und Übersetzerin. Zuletzt: „falsche freunde“, Gedichte, kookbooks, Berlin und Idstein 2009. Lebt in Berlin und Brooklyn.

 

 

Stimmen zu "Skeptische Zärtlichkeit"

"Es ist das Leben selbst, das sich in den Versen ausspricht. Unterschiedlich intensiv, mit durchaus verschiedenem Gestus. Aber ernst gemeint." Ralf Julke

"Zeugnisse für Konzentration und Leichtigkeit, die sich am Zungen- und Begriffsgrund formen und über die das große Getümmel des Buchmarktes ohne langes Verweilen hinweg steigt." Peter Gehrisch

„Für Entdecker und Entdeckungen ist Skeptische Zärtlichkeit geradezu ein Fund.“ Bernd Heimberger

 

Rezensionen

Skeptische Zärtlichkeit: Ein Jahrzehnt junger Lyrik wird besichtigt
Ralf Julke, L-IZ vom 18.01.2010

Gute Frage: Das Land ist voller Dichter – 50.000, wie Schätzungen besagen, – aber selbst die besten Gedichtbände schaffen es nur auf 500 verkaufte Exemplare. Für Ulf Großmann und Axel Helbig ist das eine Frage für Verhaltensforscher. Sie haben den aktuellsten Sammelband zur jungen deutschsprachigen Lyrik herausgegeben. "Skeptische Zärtlichkeit" ist er betitelt und beinhaltet auf 200 Seiten "29 Lagebesprechungen". Es ist schon erstaunlich, zu welchem Vokabular Autoren greifen, um ein Phänomen zu fassen, das die Nation seit über 200 Jahren beschäftigt. Oder auch nicht. "Wer wird nicht einen Klopstock loben? Doch wird ihn jeder lesen? Nein. Wir wollen weniger erhoben Und fleißiger gelesen seyn", schrieb Gotthold Ephraim Lessing schon 1752. Geändert hat es nichts. Schon gar nicht am Lesefleiß in Sachen Klopstock. Auch nicht in der Selbstreflexion der deutschen Lyriker, die den Markt überschütten mit Lyrikbänden. Nur findet man die halt eher selten in den einschlägigen Buchhandlungen, sondern eher in den Tauschbörsen der Eingeweihten, manchmal in kleinen, exotischen Verlagen, viel öfter noch im Selbstverlag. Die Flut ist unübersehbar. Und das Meiste, was die Freizeitdichter vollbringen, ist eben nur das, was es ist: eine schöne Form der Selbstverständigung. Man vergisst zu gern, wie persönlich Gedichte eigentlich sind.

Und noch viel lieber vergisst man, dass richtig gute Gedichte Arbeit machen. Nicht nur der Autorin oder dem Autor. Auch dem Leser. Sie heißen ja nicht ohne Grund so: Gedicht. Das hat mit Verdichten zu tun. Und die wirklich guten Gedichte müssten eigentlich einzeln verkauft werden. Damit die Leser eine Chance haben. Dieser Band vereint nun 29 Autorinnen und Autoren – nicht alle so jung, wie der Untertitel verspricht. Gerade die etwas weiter "Angereisten" – Dorothea Grünzweig aus Südfinnland und Sepp Mall aus Südtirol – gehören eher schon zur gestandenen Generation. Aber das jung hat schon etwas mit der "Lagebesprechung" zu tun, auch wenn es hier nicht um einen militärischen Feldzug und irgendwelche Frontlagen geht. Bestandsaufnahme wäre ein treffender Titel gewesen. Oder Auslese. Blütenlese war im 19. Jahrhundert sehr beliebt, bis man merkte, dass die ausgewählten Gedichte tatsächlich immer mehr zu Stilblüten wurden. Man krankte damals recht öffentlich am Goethe-Schiller-Mörike-und-Uhland-Fieber.

Eine Lagebesprechung zumindest enthält der Band: Die Nachbemerkung von Jayne-Ann Igel, die ein wenig zu analysieren versucht, was die aktuelle Dichtergeneration von vorhergehenden unterscheidet. Zum Beispiel die Tatsache, dass sich die Mutigen wieder trauen, mit Sprache und Inhalt zu arbeiten. Die letzte Krisis hat ja, wie man weiß, den wissenschaftlichen Titel "Postmoderne" erhalten. Und nun sitzen die Wissenschaftler in der eigenen Denkfalle, weil sie entweder eine Post-Postmoderne postulieren müssen – oder zugeben, dass ihre Kategorien aus dem 20. Jahrhundert Humbug sind. Ein Dilemma, dass die vorrangig 30- bis 40-jährigen Lyriker, die für den Band ausgewählt wurden, augenscheinlich nicht die Bohne interessiert. Großmann, Helbig und Igel kennen sich aus in der Szene, sind auch die treibende Kraft hinter dem in Dresden erscheinenden "Ostragehege", einer der nunmehr renommierten (und überlebenden) Literaturzeitschriften des Landes. Igel beschwört ein wenig Untergangsstimmung, indem sie auch auf einige der nicht-überlebenden Zeitschriften des Genres eingeht. Aber als Redakteurin von Ostragehege weiß sie, dass auch diese oft mit viel Liebe gemachten Blätter vom Gelde abhängen, von Ausdauer, oft auch einige wesentlichen treibenden Personen – und von der richtigen Nase für Veränderungen.

Naja: Und vom Gefühl für gute Lyrik, dichte, atmosphärische Texte. Da fallen natürlich so ungefähr 99 % der 50.000 lebenden Dichterinnen und Dichter unter den Tisch. Und auch eine Menge all derer, die trotzdem ihre Arbeiten veröffentlichen in der Hoffnung, es könnte ja doch – durch irgendeine göttliche Gnade – irgendwie was Gutes dabei sein. Ist es aber nie. Denn Dichten ist Arbeit – und Talent. Die Gedichtbände, aus denen Großmann und Helbig Texte ausgewählt haben, sind zumeist alle kurz nach 2000 erschienen. Sie haben renommierte Autoren dafür gewonnen, jeden der Vorgestellten in eigenen, zumeist sehr lyrischen Texten zu würdigen. Das sind dann die genannten "Lagebesprechungen" – einige noch wesentlich komplexer und verdichteter als die gewürdigten Arbeiten. Etliche der vereinten Autoren aus dem deutschsprachigen Raum sind eine Entdeckung wert. Einige schaffen es, sich in die großen Traditionen deutscher Lyrik einzureihen, die, wenn man sich die Mühe macht zu vergleichen, ja nun wirklich wenig mit den propagierten Epochen und Stilschulen zu tun haben, die die Kinder in deutschen Schulen noch immer auswendig bimsen müssen – mit all diesen wissenschaftlichen Katastern, um die sich die jüngeren Dichtergenerationen augenscheinlich (und glücklicherweise) wenig scheren, nachdem die Heulbojen der Post-Moderne so einigermaßen verstummt sind.

Mit der 1974 in Chemnitz geborenen Beatrix Haustein wird auch eine Lyrikerin wiederentdeckt, in deren Texten sich die Intensität des Sprechens vereint mit dem Selbsterlebten, das ihr eigenes Leben tragisch überschattet. Auch so eine alte Botschaft, die von immer neuen Generationen neu entdeckt werden muss: Es ist das Leben selbst, das sich in den Versen ausspricht. Unterschiedlich intensiv, mit durchaus verschiedenem Gestus. Aber ernst gemeint. Die meisten der hier Ausgewählten sprechen wieder von sich und ihrem Leben. Die Zeit der Fassadengestalter ist vorbei. Die Lage ist eine durchaus angenehme: Man spricht wieder von dem, was man weiß, sieht und fühlt. Fast hätte man den Auswahlband auch nennen können "Willkommen auf Erden". – Und dass es auch die Autoren so sehen, erzählt dann jeweils ein Stück Prosa, in dem die ausgewählten Lyriker selbst darüber erzählen, was das Schreiben von Gedichten für sie bedeutet.

 

Die Lyrik geht ihren ureigenen Weg
Peter Gehrisch, Dresdner Neueste Nachrichten vom 8. 1. 2010

Mit „Skeptische Zärtlichkeit. Junge deutschsprachige Lyrik“ legen Ulf Großmann und Axel Helbig als Herausgeber (gleichzeitig auch Redakteure der Zeitschrift für Literatur und Kunst, OSTRAGEHEGE) einen Band vor, der an einen Versuch anknüpft, die aktuelle Lyrikszene zu beleuchten. Es handelt sich um Kurt Drawerts Sammlung „Lagebespre-chung“, einen kleinen, vor acht Jahren bei Suhrkamp erschienenen Band. Beide, Drawerts wie die neue im Leipziger Literaturverlag edierte Publikation: ein Unterfangen, mutig gegen den Mainstream gestellt. Denn: Wie im Vorwort zum 29 Beispiele umfassenden Material vermerkt, besteht eine Diskrepanz in der großen Zahl von ernsthaft um eigene Ly-rik bemühter Autoren (sie belaufe sich auf ca. 50 000) und den ca. 500 Lesern, die einen Lyrikband käuflich tatsächlich erwerben, und zwar auch nur den besten eines betreffenden Jahrgangs. Die durchaus ironisch angelegte Nützlichkeitsthese kennzeichnet die Außenseiter-Situation von Poesie in gleichem Maße: „… neben den Literaturforschern dürften zumindest noch die Verhaltensforscher und Soziologen ihr Brot mit der Lyrik verdienen können.“ – Folgerichtig: das Motto zur vorliegen-den Publikation: „Den unentwegten Lesern deutscher Lyrik“.

In Deutschland führt Lyrik ein Dasein im Schatten des heiß umkämpften Nimbus um den Bestseller-Platz, der in aller Regel Romanen und Mono-graphien zukommt. Wie der im neuen Band vertretene Udo Grashoff sagt, ist Poesie „etwas, das ich nicht definieren kann“, ganz im Sinne Gerhart Falkners, der das Phänomen wie folgt expliziert: „Wir wissen nichts vom Gedicht.“ Denn es ist mit der ureigenen Erfahrungswelt eines Ichs verbunden. Mit seinem poetischen Text legt es doch nur immer ei-nen Blitz seiner Innenschau frei.

So sind es neben Kurt Drawert einige Kennerinnen und Kenner der Szene, die die junge deutschsprachige Lyrik in den Fokus der Betrachtung (Autorinnen und Autoren mit dem Geburtsjahr von 1951 bis 1983) rücken: Brigitte Oleschinski, Jan Wagner, Björn Kuhligk, Ron Winkler, Hen-drik Jackson und Helwig Brunner, zumeist selbst ausgewiesene Dichter. Eröffnet wird der Zyklus mit dem Beispiel Dorothea Grünzweigs. Eine gute Entscheidung. Interessanterweise ist diese Autorin neben dem deutschen auch mit dem finnischen Thema befasst. Ihr Devise: „Früher gab es zwei Sprachen. Die Allerweltssprache – und die heilige Sprache. Die Allerweltssprache … war vielfältig, würzig, Übermut auslösend und fasslich. … Die Worte der heiligen Sprache waren Berge“. Mit Grünzweig wird der Leitgedanke von sacrum und profanum in die Debatte geworfen. Eine Größe, um die man sich sicher in Zukunft stärker zu kümmern hat. Denn in diesem Bezirk wohnen die Lebensgeister, die – letztlich – zu den verborgenen, indessen tatsächlich wichtigen Boten zählen. Zu studieren sind nun die Texte junger Begabungen, ob nun als kassiberhafte fachsprachen Ulf Stolterfohts oder als Gedichte „im Unterschied zu allem bisher Produzierten“, wie René Hamann es apostrophiert. Mit Marcus Poettler sind es Verse, orientiert am Vogelsang, mit Uljana Wolff sagen sie, „was ich nicht zu sagen habe …, was nicht ich zu sagen ha-be“. Nora Bossong spricht von einer Hilfskonstruktion, „die das Ich davor bewahrt, in sich zusammen zu stürzen“. Am Ende nimmt sich Ron Winkler der Autorin Sonja Harter an. Mit dem Blick auf die Art ihres Dichtens, benennt er, was gleichsam für alle gilt: „… kühle, menagerie, manege / der möglichkeit auf mindestens / etwas // das kurze aufleuchten, aufflüstern / von präsenz“ („Über mit S. H.“).

Die Lyrik geht ihren ureigenen Weg. Mit den Worten von Jayne-Ann Igel in der Nachbemerkung: „… endgültig vorbei scheint die Zeit klarer und chronologisch sich fortschreibender Traditionslinien und Anknüpfungspunkte.“ Insgesamt trifft der Leser auf Texte, die einen gewichtigen Teil der Situation demonstrieren, auf das Myzel eines Ingeniums, das form- und sinnbildend wirkt, Zeugnisse für Konzentration und Leichtigkeit, die sich am Zungen- und Begriffsgrund formen und über die das große Getümmel des Buchmarktes ohne langes Verweilen hinweg steigt. Insofern gebührt den Editoren Anerkennung und Dank.

Absichtsvolle Annäherung
von Bernd Heimberger, ND vom 7. 1. 2010

Sowas ist in keinem Eingangsbereich keiner Großbuchhandlung zu finden. Sowas kommt selten in eine Buchhandlung. Sowas ist das, was sich renommierte Verlage generell vom Halse halten. Sowas ist vor allem Sache der kleinen und kleinsten Verlage: Sowas wie „Skeptische Zärtlichkeit.“ Ein Buch, das Ulf Großmann und Axel Helbig herausgegeben haben und eine Vers-Sammlung ist, die „Junge deutschsprachige Lyrik“ vereint. Mit dem wohlmeinenden Anspruch junge deutsche Lyrik unter die Leute zu bringen, halten auch andere Lyrik-Editionen des Jahres Ausschau. Wem da vertrauen? Wem da was abnehmen?
„Skeptische Zärtlichkeit“ ist im Leipziger Literaturverlag erschienen. Der Verlag versteht sich als Vertreter und somit Verteidiger der Versliteratur. Die neue Ausgabe ist der 33 Band der Reihe „neue Lyrik“, die mit ihrer Vermehrung mehr und mehr ein Ort der Entdeckungen wird. Für Entdecker und Entdeckungen ist „Skeptische Zärtlichkeit“ geradezu ein Fund. Die Herausgeber widmen ihre Publikation „Den unentwegten Lesern deutscher Lyrik“. Das ist ambitioniert, überaus ambitioniert und unterscheidet sich nicht von den Ambitionen Anderer. Inwiefern ist die Widmung wirklich gerechtfertigt? Ist sie das?
Die Herausgeber haben sich zu einem dualistischen Publikationsprinzip durchgerungen. Mehr oder weniger bekannte Poeten sprechen über die Poesie meist wenig bekannter Lyriker. Also gibt’s was von Kurt Drawert über Sepp Mall und etwas von Sepp Mall zu lesen. Also etwas von Brigitte Oleschinski über Monika Rinck und etwas von Monika Rinck. Also etwas von Jan Wagner über Steffen Popp und etwas von Steffen Popp. Also etwas von Ron Winkler über Sonja Harter und etwas von Sonja Harter. Es ist klar, wer da auf wen aufmerksam macht, wer wen mitzieht. Die Essayisten strengen sich an, ihre Handreichung zu einer hilfreichen Handreichung zu machen. Wie das aber schaffen und zugleich ein Helfender und Zurückhaltender zu sein? Ehrgeiz und Eitelkeit der Essayisten sind nicht immer im Einklang. So vorrangig die Hilfestellung ist, so wenig Zurückhaltung gibt es gelegentlich in dem Eifer, sich selbst einen Kranz als Essayist zu flechten. Das erinnert an jene Professoren, die im Seminar nicht das Thema gelten lassen, sondern ihren Ehrgeiz, sich zum Thema zu äußern. Wie da ein vorsichtiger, verständnisvoller, verständnisgebender Vermittler sein und bleiben? Ein Vermittler, der sehr wohl weiß, daß Lyrik ohnehin immer ein literarisches Experiment ist. Nicht nur, wenn Lyrik Experimentelle Lyrik ist.
Die Texte sind dann hilfreich und gut, wenn ihre Verfasser sich selbst nicht als Mittelpunkt sehen. Die Lyriker und die Leser sind der Mittelpunkt. Und der Tatsache ist schwer gerecht zu werden, weil das die doppelte Verantwortung der Vermittler ist, also etwas Anstrengendes. Mancher Text ist in manchen Passagen nur anstrengend. Schlimm wär´s, darunter litten die Lyriker, für die zuerst diese ungewöhnliche Lyrik-Edition da ist.
Alles, was man sofort denkt und sagen möchte, wenn eine Publikation wie „Skeptische Zärtlichkeit“ vor Augen kommt, sagt Jayne-Ann Igel im Nachwort. Am besten mit dem das Buch anfangen, wenn man es aufschlägt.

 

 


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